Karlsruhe 12. Januar 1917 An die Feuilleton Redaktion der Nationalzeitung in Berlin Ihre Rundfrage lautet: an welchem größern Werk ich augenblicklich arbeite und ob dies Werk stofflich mit dem Krieg Berührungspunkte habe, es ist dies eine recht persönliche Frage die ich wohl nicht ganz Wunschgemäß be­antworten kann. Wie immer male ich auch jetzt meine Bilder so, daß ich nicht sagen kann an dem u dem Werk bin ich jetzt. das Eine wird fertig, Andre werden zurückgestellt bis Lust u Stimmung wieder dafür vorhanden ist, wie es wohl bei allen Freischaffenden d.h. ohne Auftrag schaffenden Malern der Fall sein wird. Meine Bilder haben mit dem Krieg starke Berührungs­punkte in so fern daß in ihnen das Gegentheil das Krieges zum Ausdruck kommt nämlich je mehr und länger der Krieg tobt, desto stiller u friedlicher werden meine Bilder. Das Walten der Natur in seinem abgemessen geordneten Gange scheint mir so groß zu sein daß es das toben der Menschheit überdauern und in seinen Friedensstille verschlingen wird Die stille Kunst des Auges, die Malerei darf dies Walten verehren und ihm auch im Kriege seine Dienste weihen, auch dann wenn die Schrecken das Krieges die Seele um­fangen. Wenn ich aber das Gefühl hätte dem Vaterland damit mich nur ein klein wenig nützen zu können, so würde ich mich gerne anstrengen schreckliche Kriegsbilder zu machen. Hochachnungsvollst Hans Thoma