Überschrift: Badische Kochbücher 1770-1950

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Wann tauchen Tomaten oder Paprika in der badischen Küche auf? Wann verschwinden Singvögel und Flusskrebse daraus? Wann verließ die Nudel ihre Randexistenz als Suppenbeilage und wann gab es sie als Fertigprodukt? Die Badische Landesbibliothek präsentiert Ihnen hier badische Kochbücher aus dem Zeitraum 1770-1950 – vielfach Unikate, die nur mit ihrem Karlsruher Exemplar erhalten sind. Sie stammen von badischen Autoren, sind in badischen Verlagen erschienen oder von badischen Firmen herausgegeben worden.

Kochbücher sind eine erstrangige Quelle zur Alltags- und Kulturgeschichte. Sie bezeugen das Aufkommen und Verschwinden bestimmter Speisen und Zutaten bzw. deren zeitweilig hohen oder geringen Stellenwert in der zeitgenössischen Küche. Regionale Unterschiede und Geschmackspräferenzen werden erkennbar. Rezepte zu bestimmten Gerichten zeigen über längere Zeiträume hinweg eine veränderte Zusammensetzung der Zutaten bzw. von deren Mengen und Veränderungen der Zubereitungspraxis. Zusatzstoffe und Fertigprodukte finden Eingang in die Ernährung und verändern die Zubereitung und den Verzehr von Speisen dauerhaft. In Notzeiten werden Lebensmittel „gestreckt“; es wird mit Ersatzstoffen experimentiert, und erstaunlich viele Rezepte der Krankenkost oder der Kriegsküche werden heute im Rahmen gesunder Ernährung wiederentdeckt.

Hinzu kommt der technische Fortschritt, über den auch die Kochbücher der Badischen Landesbibliothek Zeugnis ablegen. Das Einweckverfahren, der Gasherd, der Kühlschrank – die neuen Technologien der Lebensmittelzubereitung und -konservierung veränderten die Ernährungsgewohnheiten der Badener nachhaltig. Im 20. Jahrhundert wurde das Kochbuch ein zentrales Werbemittel der Lebensmittel- und der Küchengeräteindustrie: Rezepte wurden unter Verwendung des beworbenen Produkts zusammengestellt oder im Rahmen einer Bedienungsanleitung als Praxisbeispiele genutzt. So sind Kochbücher über die Ernährungsgeschichte hinaus auch Dokumente der Wirtschaftsgeschichte.

Kochbücher werden genutzt und sind zerlesen. Das gilt auch für die Exemplare der Badischen Landesbibliothek, die oft aus Privathaushalten stammen, in denen sie für die Speisenzubereitung tatsächlich verwendet worden sind. Viele der seltenen Bände aus der Zeit ab 1850 sind zudem extrem säuregeschädigt, weil sie zu günstigem Preis verkauft werden sollten und deshalb aus billigem, stark holzschliffhaltigem Papier hergestellt wurden. Hier empfahl sich eine Digitalisierung schon deshalb, weil ein Großteil der Bände aufgrund der weit fortgeschrittenen Schädigung bereits nicht mehr entsäuert werden kann und die Inhalte ohne Übertragung in ein anderes Medium nicht dauerhaft erhalten werden können.

Sie können online in den Büchern blättern. Die Online-Präsentation ermöglicht Ihnen aber auch die Volltextrecherche – versuchen Sie es doch mal mit „Fischotter“ oder „Schnepfe“. Sie werden dabei manches Interessante über die Ernährungsgewohnheiten und Speisezubereitungsverfahren auf badischem Territorium erfahren. Zu beachten ist allerdings die kreative Schreibweise von Speisen wie „Amoletten“ (Omelettes), „Struckeln“ (Strudeln) „Budding“ oder „Grock“. Oder die Benennung von Gemüsesorten wie Karviol (Blumenkohl), Scorzonere (Schwarzwurzel), Grundbirne (Kartoffel) und Erdbirne (Topinambur). Natürlich können Sie auch ein Rezept zum Nachkochen finden. Manche Gerichte kehren in allen Kochbüchern wieder: Probieren Sie doch mal „Baumwoll-Suppe“, „Hobelspäne“, „Laubfrösche“, „Tabaksrollen“ oder „Reformirten Thee“!

Die Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg hat das Digitalisierungsprojekt insbesondere aufgrund seiner bemerkenswerten Bürgernähe gefördert.

        Vom 30.Juni bis zum 15. Oktober präsentiert die Badische Landesbibliothek die originalen Kochbücher in einer Ausstellung.