EINLEITUNG„Wenn die inneren Möglichkeiten unerſchöpf⸗lich, das Leben aber allzu kurz erſcheint, ermahntzum Wirken der Gedanke, daß im kleinſten Teil derKunſt das Ganze iſt.“Gerhard Hauptmann.Was bedeutet ein Jahrhundert im Weltgeſchehen? Aber ſetztſich dieſes nicht aus lauter ſolchen kleinen und noch kleineren Jeit—abſchnitten zuſammen, wie das Weltall aus Atomen; Wenn mandas ganze Unfaßliche faſſen will, muß man eben den kleinen undkleinſten faßbaren Elementen, den erſten und den letzten Dingenund allen anderen ein ſolches Maß von Leuchtkraft verleihen, daßſie in ihrer Syntheſe die Finſternis des Irrens zum Licht der Er—kenntnis führen.Die Runſtwiſſenſchaft hat in örtlich und zeitlich weit entferntenGefilden ihren Ausgangspunkt genommen und einen weiten Wegzurückgelegt, bis ſie örtlich zu uns gekommen iſt. zeitlich hat ſie aberauch dann aus wohlerwogenen und nicht zu tadelnden Gründenimmer eine reſpektvolle Diſtanz von rund joo Jahren gewahrt.Dieſer zeitraum von joo Jahren iſt gerade groß genug, um dieQuelle der lebendigen überlieferung verſiegen und die Akten ein—ſtampfen zu laſſen. So und nur ſo läßt es ſich erklären, daß manvon Perſonen und Dingen, die man beinahe noch greifen kann, nichtsweiß. Darum will ich den umgekehrten Weg einſchlagen und ſtattden vergilbten und ſelten und deshalb koſtbar gewordenen Urkundenlängſt vergangener Zeiten den noch im Laufe befindlichen Akten, dieauf meiner Amtsſtube täglich zu⸗ und abgetragen werden und die imallgemeinen der Mißachtung und früher oder ſpäter dem Unterganggeweiht ſind, eine bisher nicht üblich geweſene Achtung ſchenken undin ihnen die Quelle erblicken, die in wunderbarer Klarheit aus demBoden ſprudelt, auf dem wir ſelbſt ſtehen, und die unverſiegbar iſt.Wenn wir des Menſchen Bauen ſchauen und verſtehen und unsan dem Bauen erbauen wollen, müſſen wir die Seele erfaſſen, inSonderheit die Seele der Baumeiſter in ihrem Kampf mit demGbjekt.R.··—2——————