Theuerste Freundin! das Schreiben wird mir jetzt recht schwer meine Lähmung an der ich schon über ein Jahr leide hat sich in letzter Zeit so verstärkt daß ich gar nicht mehr gehen kann und meine Zeit muß ich liegend zubringen. Nicht ungern sage ich der Welt Adieu aber doch auch nicht allzu gern— ich füge mich halt in Gottes Willen Wie schwer die Zeitverhältnisse auf uns liegen seit die Ordnung aufgelöst ist das Wissen wir.— Es greift in alle Verhältnisse hinein so schneidet die Unsicherheit der Post den Freundschaftsverkehr ab Bücher u Druckschriften die ich dir schickte kommen einige wieder zurück— andre scheinen nicht angekommen zu sein?— Vom Schreiben hielt es nicht mich auch zurück daß ich mit meinen Klagen die Freunde belästigen wollte in dem Bewußtsein daß Jedes an der Last der Zeit selber genug zu tragen habe.— Mit meiner Malerarbeit ist es schon seit zwei Jahren vorbei um nicht untätig zu sein machte ich Radierungen und zur Abwechslung schrieb ich allerlei Lebensbetrachtungen, von diesen letztern wollte ich Dir als Weihnachtsgruß eine Probe schicken, aber ich muß Ausführbewilligung haben u kann dir das Büchlein erst später schicken nach Neujahr, zu dem ich Dir mit den herzlichsten Weihnachtsgrüßen die herzlichsten Wünsche schicke Es sind jetzt schon mehr als 20 Jahre her seit die gute Cella von uns gegangen ist— sie ist der bösen Zeit aus dem Wege gegangen. Auch Freund Thode ist dahin— der Arme hat noch gar viel schweres erleiden müssen— aber es geht ja alles vorüber! Ich fange jetzt an das Gedächtniß zu verlieren, ich halte dies aber für eine Wohltat die Gott dem hohen Alter erweißt.
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