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57b.
von Geiſtlichen von ihrer Disziplinarbefugnis Gebrauch machte, als unbegründet zurückgewieſen. Im Laufe der Debatte wurde von der erſtgenannten Seite folgende Motion eingebracht: „Die Großh. Regierung wird erſucht, dem nächſten
Landtag einen Geſetzentwurf vorzulegen, durch den
1. die 88 166 und 1660 des Geſetzes vom 9. Oktober 1860, die rechtliche Stellung der Kirchen
und kirchlichen Vereine im Staat betreffend, au P|
gehoben werden, 9, an deren Stele aber eine geſetzliche Be—
ſtimmung geſchaffen wird, nach der beim Por-| handenſein des Tatbeftandes deg§ 339 R.-St.-6.-B.|
und unter Berüdfichtigung der in§5 des Cin- führungsgeſetzes zum R.St.«“G.«“B. vorgeſehenen Strafandrohungen der Mißbrauch der geiſtlichen Gewalt, insbeſondere der durch Verhängung oder Androhung tirhliher Straf- oder Zuchtmittel, oder Anwendung geiſtlicher Verſprechungen oder Droh⸗ ungen verübte, derſelben ſtrafrechtlichen Be— handlung unterworfen wird, wie der durch einen Beamten begangene Mißbrauch ſeiner Amts— gewalt.“
Zur Begründung wurde auf die bereits gemachten Ausführungen Bezug genommen und erläuternd nur noch beigefügt: Die Folge der beantragten Regelung würde einmal ſein, daß eine Beſtrafung nur einträte, wenn die Amtsgewalt mißbraucht würde, um einen beſtimmten Erfolg herbeizuführen. Dagegen bliebe ſtraflos die Ver— hängung von Straf⸗ oder Zuchtmitteln wegen Vornahme von Handlungen, zu denen die Staatsgeſetze verpflichten, oder wegen der in einer beſtimmten Richtung erfolgten Ausübung oder Nichtausübung öffentlicher Wahl⸗ oder Stimmrechte(J16b letzter Satz). Straflos bliebe ſodann auch die Anwendung der bloßen kirchlichen Autorität aus Anlaß öffentlicher Wahlen(160).
Dem wurde wiederholt entgegengehalten, daß die Geiſtlichen mit den Beamten nicht auf gleiche Stufe zu ſtellen ſeien, weshalb auch der Reichstag bei Wahl— prüfungen die Praxis befolge, nur unter amtlichem, nicht etwa auch geiſtlichem Einfluß zuſtande gekommene Wahlen zu kaſſieren, und weiter wurde entgegengehalten, daß auch bei der von dem Antragſteller beabſichtigten Rege— lung der Dinge ein Eingriff in die Gewiſſens— freiheit, wie bei dem in der öffentlichen Verhandlung beſprochenen Spezialfall, nicht ausgeſchloſſen ſei. Auch werde der unter Anklage geſtellte Geiſtliche vielfach in— folge ſeiner Pflicht zur Wahrung des Beichtgeheim—
Verhandlungen der zweiten Rammer 1905/06. 2. Beilageheft.
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niffes niht in der Qage fein, fich wirifam gu vertei- digen. Endlich fet e8 bedenklich, wenn die weltlichen Gerichte zu entfheiden Hätten, ob ein Mißbrauch der geiſtlichen Amtsgewalt vorliege.
| Dieſe Bedenken ſuchte man gegneriſcherſeits damit zu zerſtreuen, daß man ausführte: der Geiſtliche ſolle nicht gehindert werden, nach Maßgabe der kirchlichen Vorſchiften zu verfahren, alſo beiſpielsweiſe in dem | | |
erörterten Ehefall die Mbfolution zu verweigern; ftrafbar | fei nur, dağ der Geiftlihe auch die Trennung von dem
Die Wahrung des Beichtgeheimniſſes werde dem Geiſtlichen nicht ſchaden, weil kaum ein Richter unter dieſen Umſtänden den Aus— ſagen des Pönitenten ohne weiteres Glauben ſchenken werde. Auch der Umſtand, daß die weltlichen Gerichte über das Vorhanden- oder Nichtvorhandenſein eines geiſtlichen Amtsmißbrauchs zu entſcheiden hätten, brauche den Geiſtlichen keine Sorge zu machen, weil in Zweifel— fällen doch wohl das Gutachten von Sachverſtändigen eingeholt würde.
Die Freunde der puren Aufhebung der 88 16b und 160 vermochten fich aber dabei niht gu beruhigen. Insbeſondere wieſen fie noh darauf hin, dağ die Ber- weigerung der Abſolution in dem fraglihen Falle ohne weiteres auch die Mufforderung zur Trennung in ſich ſchließe, der Geiftlihe fih alfo in einem folhen Falle ftet3 in einem Gemiffenstonflitt befinde. Auh wiefen fie wieder- polt darauf Hin, dağ alle anderen deutfhen Staaten mit Ausnahme effens ohne jede Strafbeftimmung im Sinne der§§ 16b und 16c austämen, und dap auh die heſſiſche Geſetzgebung hinter der Intention der Mo— tion inſofern zurückbleibe, als nach jener geiſtliche Ver— ſprechungen und Drohungen im allgemeinen nicht ſtrafbar ſeien.
Das Reſultat der zum Schluſſe erfolgten Abſtimmung war folgendes:
Der Antrag der Zentrumsfraktion wurde, ſoweit er die 88 1664 und 166 des Kirchengeſetzes betrifft, mit 6 gegen 3, und ſoweit er den§ 16bb betrifft, mit 5 gegen 4 Stimmen angenommen, die einge— brachte Motion aber mit 5 gegen 3 Stimmen abgelehnt; im leṣteren Fal hat ih ein Mitglied der Kommiffion der Stimmabgabe enthalten.
| weiten Ehemanne verlangt habe.
Hierna beantragt Ihre Kommiſſion, dem an der Spitze dieſes Berichts ſtehenden Geſetzesvorſchlag die Zu— ſtimmung zu erteilen.