Karlsruher Beobachter

Nr. NL Sonntag den 21. November 18L7.

Aus dem Leben einer deutschen Fürstin. *)

Von

Maria Feodora Freifrau von Dalberg,

geb. Freiin von Mülmann.

(Ans den Hamburger Literarischen und Kritischen Blättern.)

Nimmt man das splendid gedruckte, mit trefflichen Stahl­stichen gezierte Buch in die Hand, und wirft einen flüchtigen Blick auf den Titel und den Namen der Verfasserin, die einen historischen Roman: Aus der Zeit 1649 bis 1680 geschrie- den, so möchle man leicht ein ähnliches Geisteserzeugniß erwarten. Dem ist aber nicht so. Freilich, wenn uns die höchste, reinste Zrauenliebe, einem jungen besitzlosen Krieger zugewandt, erscheint, wenn diese Frau eine durch Geist und Schönheit ausgezeichnete Prinzessin, der Krieger in kurzer Frist Lurch unbezwingbare» Mulh zu den Tapfersten gezählt, und nach treuer Ausdauer, nach Besiegung vielfacher Hindernisse, die Fürstenlochter die beglückte Gattin des Geluvten wird, so ist hier Stoff genug zu einest) Romane. Die Freifrau von Dalberg führt uns aber dieses Mal in die Wirklichkeit, und, es ist einzugestehen, in eine erfreu­liche. Zuerst die Veranlassung der Mitlheilung, dann eine Skizze ihres Inhalts und ein Bruchstück als Probe.

Die hier folgenden Blätter find nach Briefen und Tage­büchern bearbeitet, die mir nach dein Tode einer edlen Fürstin übergeben worden sink.

Für Diejenige», die weiter fragen und nach der Veranlassung forschen möchten, habe ich hinzuzufügen: als der Graf von Bis­mark im vertrauten Kreise seine Aufzeichnungen über die großen napoleonischen Kriegsereignisse, an denen er Antheil genommen, verlas, fand es sich, daß er von dem ersten Vorhaben abgewichen war, damit eine Autobiographie zu verbinden, die seine Bezie­hungen zu der Prinzessin mit eingeschlossen haben würde.

Die Ursache davon ist, weil er bei näherer Ueberlegung von drm Grundsätze ausging, daß bei einer Zusammenstellung welt- großer Ereignisse die kleineren, persönlichen wenig Raum ein- nehmen dürften, fast gänzlich zurücklreten sollten.

Wie nun diese Vorlesung geschloffen war, wandte sich die Prinzessin mit den Worten zu mir:Der erste Entwurf gefiel mir besser; nun hat er meiner zu flüchtig erwähnt, und ich ge­höre doch zu sein-m Leben."

Die Fürstin, welche Gegenstand der Schilderung, ist die mitt­lere der fünf Töchter des Fürsten Friedrich August zu Nassau-

') Karlsruhe, Verlag von Franz Nölbeke 1817.

") Die in dem Vorworte erwähnten Aufzeichnungen teS Gene- rallieutenantS Friedrich Wilhelm Grafen von Bis­mark, sind zugleich mit dem Talberg'sche» Werke in demselben Ber­lage erschienen.

Usingen, Auguste Amalie, geboren am 30. Dezember 1778. Der Fürst (seit 1806, wo Nassau-Usingen und Nassau-Weilburg, zu einem Herzvgthume vereinigt wurden, Herzog) folgte seinem Bruder 1803 in der Regierung des seiner Stammlinie angehöri- gen Fürstenthums. Am 10. Juni 1803, dem Cinzugstage in Bi- berich, zog ein zwanzigjähriger Hofjunker und Lieutenant der Garde, Friedrich Wilhelm von Bismark, ein Preuße von Geburt, zuerst die Blicke der vierundzwanzigjährigen Fürstin auf sich. Die Prinzessin hatte, ihr selbst unerklärlich, diesem Manne ge­genüber ihre Unbefangenheit verloren und Friedrich von Bis­marck, in welchem damals schon der Funke des Ehrgeizes schlum­mern mochte, der ihn später zu einer Thatkraft anfeuerte, womit er sich in drei Fächern als Mililär, Diplomat und Schrift­steller ausgezeichnet hat, fand, von der milden Weise der Prinzessin begünstigt, bald in sich ei» Gefühl aufleben, welches in der Männerbrust rascher und entschiedener zur vollen Kraft und zum vollen Bewußtsein reift. Ein zwanzigjähriges Herz einer Fürstin gegenüber, die wenig älter, durch Geist blendete und durch Liebenswürdigkeit anzog, welchen empfänglicheren Boden gäbe es für Liebe und Poesie!" Nicht lange Lauerte es und beide gestanden sich, was sie für einander fühlten. Augustens, von den Eltern erwählter Bräutigam war der Prinz von Hessen- Homburg. Der Nermählungstag nahte sich.Dieses Ereigniß ferne zu halten, lag nicht in der Macht, welche die Fürstentochter, dem Willen ihrer Eltern gegenüber, besaß." Am Vorabende der Vermählung stürzte Friedrich von Bismark der Prinzessin noch einmal in den Räumen ihrer Zimmer, die beite so oft fröh­lich gesehen und ihrer Liebe trauten Wortaustausch vernommen, zu Füßen. Verzweiflung hatte ihn hingeführt und Trostlosigkeit füllte diese Stunde. Die Hoffnung beider auf Glück war ge­brochen. Verloren auf Erden Eins für Las Andere! tönte es in beider Brust, und dem unermeßlichsten Seelenschmerze anheim­gegeben, rissen sie sich von einander los. Nach einer kummer­voll durchwachten Nacht und einem in Thränen hingebrachten Morgen legte die Prinzessin am 2. August 1804 den Brautschmuck an- Bismark hatte am vorhergehenden Abend von ihr eilend, seinem Schmerze ungestört sich überlassend, in sein Zimmer sich eingeschloffen. Als jedoch die Stunde kam, wo die Auffahrt der Wagen vor dem Schlosse den Anfang der Ceremonien verkündete, stürzte er in Louis (seines trefflichen älteren Bruders) Zimmer, ihm um den Hals fallend, rief er im heftigsten Ausbruch des Leids: Nun ist es vorbei: Eine mögliche Wendung hielt mich aufrecht bis zu dieser Stunde, jetzt aber, da sie für mich verloren ist, kann ich das Leben hier nicht mehr ertragen und bin bereit, Deinem Plane zu folgen, bereit nach England zu gehen." Und so geschah es- Er trat in Portsmouth als Lieutenant in daS Lort in Garnison liegende vierte Regiment der deutschen Legion, wel­ches der Oberst von Langwerth befehligte. Die Prinzessin be­gleitete ihren Gemahl nach Homburg; hier verflossen ihre Tage