Ich lese jetzt nach so vielen Jahren, meine Siegs‐
geschichte der Christlichen Religion
noch einmal
durch, und bin im Ganzen noch immer da‐
mit zufrieden. Der Laodikäische Zeitlauf ist in
unseren Zeiten durchaus unverkennbar aber
Gott lob und Dank der Philadelphische auch.
Wer nicht einen so weitschichtigen Briefwechsel
über religiöse Gegenstände hat wie ich, der
erfährt das so nicht. Der Herr hat ein Heer
von Millionen wahrer Verehrer; was mir
aber wehe thut ist, daß es noch immer nicht
zur Einigkeit des Glaubens kommen, und das
Sektenwesen aufhören will. Es ist da kein
anderer Rath, das Feuer der Trübsal muß
alle Seelen läutern, reinigen und fegen, wenn
alles eine Heerde werden soll.

Ew. Durchlaucht Urhteil über die Vernunft ist
vollkommen wahr und richtig. Aber woher kommt
wohl diese unbegreifliche Glaubensschwäche? –
nach meinem Bedünken hat sie mehr als eine
Quelle: Der Seelengrund ist so an sinnlichen
und geistigen Luxus gewöhnt, daß sie jede
auch die geringste Verläugnung scheut, die
doch dem Christen durchaus unentbehrlich ist;
daher sucht man sich durch Sophismen zu helfen.
Der Zug zu allen Genüßen ist so stark,
daß jeder Versuch zum Eingang in die enge
Pforte mislingt, dazu kommt dann noch der
elende Determinismus, dieser haucht der Seele
ein: alles ist ja von Ewigkeit bestimmt, ich
kann ja nicht anders handeln denken und
reden, als es in meiner Natur gegründet
ist, und damit schwimmt man mit dem Strom
fort, und erwartet sein ewiges Schicksal mit