Lieber Rudolf von Delius!
Dank für Ihre Karte, die mich daran mahnt, daß ich noch
in Ihrer Schuld bin. Den "Chinesischen Garten"1 habe ich
gelesen. Er ist leichtflüssig, populär im guten Sinne
geschrieben, u. wird Vielen etwas geben; die Freude u.
Herzlichkeit, in der Sie schreiben, muß sich auf den
Leser übertragen. - Ich selber kaue seit vielen Jahren
so ziemlich Alles, was aus den Literaturen Asiens in
europäischen Sprachen bekan̅t geworden ist, u. da kan̅
ich natürlich keine neuen Gewächse entdecken, sondern
promeniere vergnüglich. - Mir selbst ist es (fast
möchte ich in Anbetracht der Zeit-Nöte sagen: leider!)
verwehrt, Bücher zu verfassen: ich muß meine Werke
schaffen, die Niemand schaffen kan̅ als ich: metaphysische
Verpflichtung! Darin sind meine Asien-Erlebnisse
oft in einer Zeile oder Wort comprimiert.
Fast möchte ich sagen: ich bin mehr Asiate als der
einzelne Chinese u. Inder u. Perser. - Ich liebe die
- Rudolf von Delius:
Der chinesische Garten
Walter Seifert Verlag, Stuttgart und Heilbronn, 1923 ↩