Titelaufnahme
Titelaufnahme
- TitelBrief von Vinzenz Lachner an Unbekannt vom 04.04.1873 - K 3120, 4
- Verfasser
- Erschienen
- Umfang[1] Dbl.
- AnmerkungAm 31. März 1873 endete nach 37 Jahren Vincenz Lachners (1811-1893) Tätigkeit als Hofkapellmeister in Mannheim. Seit 1836 hatte er am dortigen Nationaltheater das musikalische Programm verantwortet und ein umfangreiches Repertoire aufgebaut, das die ganze Breite der klassischen wie der zeitgenössischen Opernmusik umfasste. Über sechzig Opern waren ständig im Repertoire. Die Vielseitigkeit und Leistungsfähigkeit der Mannheimer Oper war außergewöhnlich. Dazu war Lachner als vorzüglicher Dirigent geschätzt. Nun ging er im Alter von 61 Jahren in den Ruhestand. Im Sommer 1873 übersiedelte Lachner nach Karlsruhe. Hier wirkte er zu-nächst als Privatlehrer, ab 1884 als Musikpädagoge am neugegründeten Großherzoglich Badischen Konservatorium. In diesem Brief an einen nicht genannten Freund zog er ein resigniertes Resümee seiner Mannheimer Amtszeit: Er teilte dem Adressaten mit, seine Theaterarbeit habe ihm „selten eine reine, ungetrübte Kunstfreude gewährt.“ Seine ästhetischen Ansprüche seien niemals voll befriedigt worden, und er habe „innerhalb dieser Zeit keine zehn Vorstellungen edler Werke zu Stande“ gebracht, die ihm als vollkommen gelungen erschienen wären. Er sei froh, die „Sysiphusarbeit“ nun hinter sich lassen und sich fortan ganz dem eigenen kompositorischen Schaffen widmen zu können: „Ist es auch für die Kunst ganz gleichgültig ob ich nach dieser Richtung thätig bin, so ist es doch für mich nicht einerlei. Es ist die reinste Freude etwas erdacht, gemacht u. ins Leben gerufen zu haben, was unsern, wenn auch schwachen Kräften entspricht; man braucht ja deßwegen nicht die Welt damit zu beschweren.“ Die verdrießliche Bewertung des eigenen Lebenswerks als Operndirektor hatte ganz sicher mit den Umständen zu tun, unter denen Lachner seine Mannheimer Stellung aufgab. Die Mannheimer Wagner-Enthusiasten um den Gründer des ers-ten deutschen Richard-Wagner-Vereins, Emil Heckel, bekämpften den verdienten Kapellmeister als Anti-Wagnerianer und denunzierten ihn als rückständig und amtsmüde. Lachner kapitulierte vor den Wortführern des Wagner-Kults. Aber er hatte – wie dieser Brief zeigt – die Genugtuung, dass die Mehrheit seines Publikums sein eher konventionelles Musikverständnis teilte. Der Empfänger von Lachners Brief ist nicht sicher zu ermitteln. Möglicherweise handelt es sich um Carl Amand Mangold (1813-1889), ehemals Hofmusikdirektor am Darmstädter Hoftheater. Seit 1841 als Korrepetitor tätig, hatte er 1848 das Amt des Musikdirektors übernommen. Daneben wirkte er von 1839 bis 1889 als Direktor des Darmstädter Musikvereins. Da Lachner sich dem Adressaten gegenüber „als nun vollberechtigter College“ bezeichnet, muss sich dieser ebenfalls bereits bereits im Ruhestand befinden. Mangold hatte sich 1869 pensionieren lassen. Der Bestimmungsort Darmstadt ergibt sich daraus, dass Lachner darum bittet, Herrn „Direktor Werther vielmals von mir zu grüßen u. auch Büchler.“ Ersterer ist Julius von Werther (1838-1910), der seit 1868 künstlerischer Leiter des Mannheimer Nationaltheaters gewesen und 1872 an das Darmstädter Hoftheater gewechselt war. Lachner hatte über fünf Jahre hinweg eng und keineswegs konfliktfrei, denn die künstlerischen Auffassungen der beiden Theaterleute waren sehr verschieden, mit ihm zusammengearbeitet. Werther berichtet in seinen „Erinnerungen und Erfahrungen eines alten Hoftheater-Intendanten“ davon. Nachdem der erklärte Wagnerianer Werther im Herbst 1868 in Leipzig von Richard Wagner persönlich das Aufführungsrecht zu den „Meistersingern“ erhalten hatte, bekämpfte Lachner mit aller Macht dieses Vorhaben – um dann allerdings, nachdem Werther sich durchgesetzt hatte, die Probenarbeit mit vollem Engagement zu leiten. Der Cellist Ferdinand Büchler (1817-1891), den Lachner ebenfalls zu grüßen bittet, war in den Jahren 1871-1881 Konzertmeister am Hoftheater seiner Geburtsstadt Darmstadt. Die dritte genannte Person ist Lachners Freund Ernst Pauer in Jugenheim, den dieser in Kürze für einige Tage zu besuchen plante. Die Badische Landesbibliothek verwahrt einen Teil des handschriftlichen musikali-schen Nachlasses von Vincenz Lachner, insgesamt 70 Musikhandschriften, darunter einen Liederzyklus sowie einige Schauspielmusiken. Darüber hinaus sind teils umfangreiche Textdokumente erhalten, etwa ein Reisepass Lachners, Zeugnisse und Briefe. Ergänzt wird der Bestand durch eine große Sammlung Zeitungsaus-schnitte, die von Lachners musikalischem Wirken berichten. Lit. (in Auswahl): Julius von Werther: Erinnerungen und Erfahrungen eines alten Hoftheater-Intendanten, hrsg. von seinem Sohne, Stuttgart 1911, S. 45-51, 68-74; Ernst Leopold Stahl: Das Mannheimer Nationaltheater. Ein Jahrhundert deutscher Theaterkultur im Reich, Mannheim u.a. 1929, S. 19-21, 46-51; Harald J. Mann: Die Musikerfamilie Lachner und die Stadt Rain, Rain am Lech 1989, S. 99-120.
- SignaturK 3120, 4
- URL
- Online-AusgabeKarlsruhe : Badische Landesbibliothek, 2014
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- QuellenangabeLachner, Vinzenz: Brief von Vinzenz Lachner an Unbekannt vom 04.04.1873 - K 3120, 4. Mannheim, 04.04.1873. Badische Landesbibliothek Karlsruhe. , K 3120, 4 https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:31-42652 / CC-BY-Lizenz (4.0)