Der weibliche Sonderling.
Fraͤulein von Strahlenberg verlor im acht⸗ zehnten Jahr ſchnell ihre beyden Eltern. Als einzige Tochter war ſie jedoch von Kind⸗ heit an ſehr einfach erzogen, gewohnt nur wenige Bedürfniſſe zu haben, und in dem Wohle Anderer ihr eigenes zu finden. So waren die einzigen Freuden ihres Lebens, wenn ſie mit ihrem Fruͤhſtuͤck den Hunger eines armen Kindes ſtillen oder durch die Verzichtleiſtung auf ein neues Kleid die Bloͤ⸗ ſe deſſelben decken durfte, und nie laͤchelte ihre Mutter zufriedener, ja ich moͤchte ſa⸗ gen, ſegnender auf ſie herab, als wenn ſie durch Fleiß, Aufmerkſamkeit oder Selbſt⸗ verlaͤugnung irgend etwas geſchaffen oder entbehrt hatte, was der hulfloſen Armuth zum Troſt gereichte. So hatte ſie, auf ei⸗ nem Gute lebend, unweit einer Reſidenzſtadt in Deutſchland, das achtzehnte Jahr er⸗ reicht, als ſie erſt an dem Todbette ihres Vaters erfuhr, welch betraͤchtliche Summen ihr zu Theil wuͤrden. Ein halbes Jahr ſpaͤ⸗
ter ſtarb auch ein Oheim, der ihr ebenfalls
ein bedeutendes Vermoͤgen hinterließ. Als Eigenthümerin von mehr als einer Million mit der ganzen Fuͤlle jugendlicher Schoͤnheit ausgeſchmuͤckt, konnten Ihr die Freyer nicht fehlen. Das Verlangen, wo nicht ihr Herz doch wenigſtens ihr Geld zu beſitzen, ſtieg bey ihren Liebhabern zu einer Hoͤhe, vor der ihr ſchwindelte. Sle drohten ſogar mit Selbſtmord. Und ſie ſegnete den Einfall ih⸗ rer Vormuͤnder, die ſie noͤthigten, Geſchä⸗ ten halber die Stadt auf eine Zeitlang mit ihrer Gouvernantin zu bewohnen. Aber auch da wurde ſie bald von Heurathsluſtigen aller Art belagert. Doch an einem Morgen ward ihre Thür Jedermann verſchloſſen, und alle Kommenden auf uͤber acht Tag Abends um ſieben Uhe beſtellt, wo das Fraͤu⸗ lein bey einer wichtigen Handlung ihre Ge⸗ genwart wünſchte. Punkt ſteben Uhr trafen am beſtimmten Tage dle eheluſtigen Herren ein, jeder in der feſten Ueberzeugung, daß das Fraͤulein elne Wahl zu treffen geſonnen ſeye, und auf ihren Geſichtern las man, daß keiner ohne Herßklopfen zweifelte, daß er nicht der Gluͤckliche ſey, der Hand und Herz nebſt der Milllon davon tragen wuͤrde.
Sammlung von Erzählungen und Aneldoten.
Sie fanden ſie feſtlicher gekleidet als ſe,
und in einer Stimmung, die durch freudige Rührung und Wehmuth ihr ganzes Weſen zu verklaͤren ſchien. Außer ihrer Erzieherin umgaben ſie ihre beyden Vormünder nebſt mehreren Mitgliedern der fuͤrſtlichen Re⸗ gierung, durch welche ſie die Erlaubniß, die ihr noͤthig war, ausgewirkt hatte. Mit der liebenswürdigſten Beſcheidenheit erklaͤrte ſie, daß ſie den Vorzug, reich zu ſeyn, ſtets als eine Anweiſung von Gott be⸗ trachtet habe, ihn zum Beſten der leidenden Menſchheit anzuwenden. Nicht das Loos einer Menge Straßenbettler feſtzuſetzen, ſey ihr Wille; denn die genaueſte Beobach⸗ tung habe ſie belehrt, daß dieſe zudringliche Klaſſe von Armen ſelten mehr als ein Allmo⸗ ſen, das ſie nur vor augenblicklichem Hun⸗ ger ſchuüͤtze, verdienen. Aber zu einer Stif⸗ tung für hilfloſe Wittwen und Waiſen oder von ſchlechten Eitern verlaſſene oder ver⸗ ſaͤumte Kinder entſage ſie hiermit foͤrmlich auf ihr ganzes Vermoͤgen, und behalte ſich nur eine Rente von zweytauſend Thalern vor, um, da ſie nicht Willens ſey, ſich zu
vermaͤhlen, auf dem Lande ihre Tage zuzu⸗
bringen. Dieſe Rente koͤnnte Manchem zu groß dünken, aber ſie möchte dem Vergun⸗ gen, hie und da in der Stille Wohlthaken
ſpenden zu können, nicht entſagen. Als ſie
ſchwieg, brachen alle Anweſende in laute Lobeserhebungen uͤber ein ſo gemelnnützlges
Verfahren aus, und die von der Regierung
Beorderten vollzogen die gerichtlichen Foͤem⸗ lichkeiten. Unter den Freyern hoͤrte man freylich die Worte von ſonderbarer Einfei⸗ kigkeit u. ſ. w. fallen, doch der laute Jubel der Uebrigen überſtimmten ſie. Nach adgeſchloſ⸗ ſenem Geſchaͤft bewirthete ſie die Geſellſchaft mit ihrer anmuthsvollen Weiſe, und ſchon den andern Tag zog ſie ſich in ihre ſelbſtge⸗ waͤhlte Einſamkeit mit ihrer mütterlichen Freundin zuruͤck, in der feſten Ueberzeugung ihre Liebhaber auf immer entfernt zu haben. Aber wie erſtaunte ſie, als bald darauf Graf Herrmann, ein ſehr achtbarer, kennt⸗ nißreicher junger Mann, der lange auf Rei⸗ ſen zugebracht, ſich bey ihr melden ließ. Er verſicherte ſie, daß durch den Entſagungs⸗ Akk ſie ihn zum reichſten Mann gemacht, denn er haͤtte ſie ſchon lange im Stillen vrrehrt,
aber durch ibren großen Reichthum zurück⸗ geſchreckt, da er nur ein mäßiges Vermoͤgen
beſittze, wollte er nicht das Anſehen haben,
als verblende auch ihn die Million. Jetzt aber ihm glelch geworden, komme er, ſie um ihre Hand zu bitten, mit der Verſicherung, daß ſie auch noch die zweytauſend Thaler zu wohlthaͤtigem Zweck verwenden könne, denn ſeine Einnahme ſey mehr als hinreichend, ſo maͤßige Bedürfniſſe, wie die ihrigen, zu be⸗ friedigen. Gerüuhrt durch dieſes edle Betra⸗
gen weigerte ſie ſich nicht, und nach drey Mo⸗
naten war ſie die gluͤcklichſte Gattin. Wie ſehr man auch in der Stadt über dieſe neue Sonderbarkeit erſtaunte, als die Verlobung dleſes Paares bekannt wurde: Ueber eine Million zu beſitzen, und ſie freywillig ent⸗ ſagen, um Hüͤlfsbeduͤrftigen ein gluͤckliches Loos zu verſchaffen, war ein ſo unerhoͤrter Fall, daß er den Meiſten als ein Vocbote baldigſt ausbrechendem Wahnſinus vorkam. Aber als man mit der Zent einſah, daß es keine gluͤcklichere Ehe gab, fiengen Mauche ſogar au zu glauben, daß das Bewußtſeyn, eine ſo ſchoͤne That verübt zu haben, doch etwas mehr als leere Worte feyn müße.
8 Witzige Fragen. In einer gemiſchten Geſellſchaft fand einer der Anweſenden das ihm vorgeſetzte Bier etwas ſchwach, nad äußerte ſich daruͤber folgendermaßen: Man habe das Bler auch gar zu ſehrZ getauft. Ein anweſender Jude fragte lachelnd: wird man denn durch die Taufe ſchlechter? erhielt aber zur Antwort die Gegenfrage: werden denn die Oukaten durch Beſchneidung beſſer. Handgreiflicher Beweis.
inſt ſprach man bey dem Herzog von Or⸗ leans über die Kniffe der Spitzbüben, und es wurden verſchiedene Geſchichten als Be⸗ weiſe davon erzaͤhlt. Am Ende außerte der Herzog, wenn ſo viele Leute beſtohlen wuͤr⸗ den ſo ſey das lediglich ihre eigene Schuld; denn wenn man nur nicht ins Gedraͤnge
gebe, ſo habe es gar nichts zu bedeuten.
Der Pollzeydirektor Lenoir, der auch gegen⸗ waͤrtig war, verſicherte den Herzog, daß Niemand wenlger im Stande wäre dieſes zu beurtheilen als er ſelbſt, indem der Hr. Herzog nie anders als mit Orden behangen und von ſeinem Hofſtaate umgeben aus ehe. Auf diefe Art wird ſich freylich ein Unbe⸗
kannter nicht wagen ſich Ihnen zu naͤhelll Wolle ſelne Durchlaucht aber nur zwey od dreymal in Privatkleidern und nur vone
ſo werde man ihm, ehe er ſich deſſen de ſaͤhe, Uhr oder Tabaksdoſe aus der Taſch mauſen. Der Fuͤrſt blieb aber bey ſeln
wonnen. oder zwey Perſon en begleitet ſich auswageff
So ha
Behauptung, und ſchlug ſogar eine Weife Der
vor, welche der Polizeydirektor annahm, Schon am folgenden Tage holte letzte den Herzog, welcher in einem ſchlicht Obetrock ihn erwartete, ab. Beyde ginge mit einander über die neuen Boulevar einen der am wenigſten beſuchten Spazſe gänge in Paris, aus der Barrlere. E Unterhaltendes Geſprach und die einſam Gegend um ſie her, hatten die Veranlaſſun zu dieſem Spaziergange längſt aus ihte Gedanken gebracht, als ſie bey einer Hüt
im Feld ein gemeines Welb anſichtig wüfff
den, die ihren etwa zehenjährigen Knabe ganz erbärmlich pruͤgelte. Der Fuͤrſt, vo Natur mitleidig, trat ſogleich hinzu, macht der Frau uͤber ihr unmenſchliches Betragel Vorſtellungen, und ſuchte ſie zu beſaͤnftigen Was, ſchrie dieſe Megaͤre ihm entgegen ſie wollen dem Schlingel noch das Woll reden? wenn ſte wuͤßten was es fuͤr eit
ge verſtd
beſorgt,
boͤfnete
Taugenichts iſt, und was er mir ſchon fürff
Streiche geſpielt hat.
Hler warf ſich das Kind, welches ell ſehr einnehmendes Geſicht hatte, untel einem Strom von Thränen ſeinem Beſchü tzer in die Arme, um ſich den Mißhandlun⸗ gen der Furie zu entziehen, die ſich denn endlich auch erweichen ließ.
Nun, ſagte Lenoir, als er mit dem Herzog wieder allein war, werden Ew. Durchlaucht jetzt an die Verſchmitztheit der Diebe glauben 2
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Der Herzog that es, und vermißte ſelne goldene Doſe, die ihm der Bube, bloß zue Uebernahme dieſer Rolle von dem Poltzen⸗ direktor einſtweilen aus dem Gefaͤnguſſe entlaſſen, entwendet hatte. Der Fuͤrſt, üͤber deſſen fruͤhe Verderbtheit erſtaunt, wollte ihn in einer Erziehungsanſtalt dem Pfade des Laſters entreißen. Er mußte aber erſt ſeine Strafe aus ſtehen, denn er war ſchon vorher mehrmals in den Händen der Ge⸗
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