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Adresse: Konstanz, Marktstätte 4 r Telefon-Anschlüsse: Redaktion und Verlag Nr. 924, 925, 1130, 1510, 1511 uoa&QängiQr irimabrifnog oom BoDrnfre •• nummeru» DONNERSTAG 15. SEPTEMBER 1949 Bezug monatlich Air* die Post DM 1.30, emschl. 27 Dpf PosteusteKgebähr, durch Träger DM 2.10 einschließlich 25 Dpf Trägerloim — Einzelpreis 20 Dpt Fleisch wird freigegeben i Frankfurt. (J. F-Eigenbericht). Bei der Verwaltung für Ernährung und Land¬ wirtschaft werden gegenwärtig Pläne beraten, um die Vieh- und Fleisdibewirt- gchaftung neu zu ordnen. Die günstigen Ernten lassen eine ausreichende Versor¬ gung mit Futtermitteln erwarten. Nach der Freigabe des Fleisches soll nur noch eine staatliche Importkontrolle aufrecht- . erhalten werden. Auch die Fettversor- gung wird von der VELF als günstig an- t gesehen. Man hofft, daß auch im Novem- . ber wieder ein Sonderaufruf erfolgen L kann. Den Oehlmühlen und der Margari¬ neindustrie ist empfohlen worden, sich auf di«e erhöhten Lieferungen einzu- : stellen. ” i • Nach einer Mitteilung des badischen Ministeriums der Landwirtschaft und Er¬ nährung wird infolge des großen Ange¬ botes an Vieh vorläufig auf die Viebum- lage verzichtet. Auch die einzelnen Ge¬ meinden erhalten damit kein Abliefe¬ rungssoll an Vieh mehr. Der Wegfall der Viehumlage ist ein deutlicher Beweis für die weitere Aufwärtsentwicklung in der Sicherung unserer Fleischversorgung. Sdtutz vor Sdmiutz Bonn. Die Militärgouverneure der Bi- zone und der Hohe Kommissar Frangois- Poncet trafen sich auf dem Petersberg zu einer Besprechung. Es wurde beschlossen, daß ein neues alliiertes Presse- und Rund¬ funkgesetz in Kraft tritt, sobald das Be- satzungsstatut wirksam werde. Dieses neue Gesetz soll den Alliierten noch eine leichte Kontrolle über Presse und Rundfunk be¬ lassen. Britische und amerikanische Persönlich¬ keiten sprachen sich in Berlin gegen west¬ deutsche Zeitschriften und Magazine aus, die Sensationsberichte über das Leben ähemaliger Nazigrößen verbreiten. Der¬ artige Publikationen sollen in der briti¬ schen und amerikanischen Zone beschlag¬ nahmt werden. Nach dem mit dem Besat- j eungsstatut in Kraft tretenden neuen alliierten Pressegesetz sei es auch möglich, derartige Druckerzeugnisse zu verbieten. * S. K. Es ist durchaus zu begrüßen, daß sine Handhabe geschaffen wird, um dieser Sorte von Sensationsberichten, die auf die niedrigsten Instinkte spekuliert, ein Ende su machen. Sie dient ja nicht etwa der geschichtlichen Wahrheit, sondern hat nur üe Wirkung, daß jeder anständig Empfin¬ dende sich angewidert abwendet, wenn er ias Wort „Enthüllung” hört. Es wird also durch diese Schmu zwelle auch die ernst- lafte Bemühung um Aufklärung diskredi¬ tiert, auf die es heute im freien Aufbau unseres politischen Lebens mehr denn, je inkommt. Garry Davis will ins Gefängnis 1 Paris. Garry Davis, der Weltbürger Nr. 1, bat den französischen Staatspräsi¬ denten Auriol in einem Schreiben, in ein Gefängnis eingewiesen zu werden. Zur Begründung seines Wunsches erklärte er, da der Franzose Moreau wegen Militär¬ dienstverweigerung aus Gewissensgrün¬ den mit Gefängnis bestraft worden sei, habe er kein Recht, in Freiheit zu leben. Er würde es sich zur Ehre anrechnen, so lange im Gefängnis zu bleiben, bis Frankreich Militärdienstverweigerer, die aus Gewissensgründen den Dienst unter der Waffe ablehnen, nicht mehr straf¬ rechtlich verfolgt. Kurz notiert Nach neunjähriger Abwesenheit kehrte der Sohn eines Neuenahrer Hoteliers, Hans Die¬ ter Schlieack, der diese ganze Zeit in sowjeti¬ scher Kriegsgefangenschaft verbrachte, in seine Heimat zurück. Der Heimkehrer konnte während seiner ganzen Gefangenschaft, die er in einem Lager an der tibetanischen Grenze verbrachte, nicht an seine Angehöri¬ gen schreiben. Der ehemalige Landesvorsitzende der WAV fWirtsch? gliche Aufbauvereinigung), Hollerer, kat brt der LS-Militärregierung für Bayern die Lizenzierung der „Deutschen Partei für Freiheit und Recht” beantragt. Vor einigen Tagen ist der erste Direktor der Sowjet-AG.-Waggon-Bau in Dessau un¬ ter Mitnahme aller Unterlagen des Werkes Bach Westdeutschland geflüchtet. Der Stuttgarter Professor Willi Baumei¬ ster wurde von der Schule Altamira (Spa¬ nien) zum ersten internationalen Kunstkon- greß nach Santillana del Mar eingeladen. Wie das britische Militärgericht in Ham¬ burg bekannt gab, wird nach Abschluß der Anklage der Prozeß gegen den ehemaligen Generalfeldmarschall v. Manstein für zwei Wochen unterbrochen. V. Renihe-Finck, früher deutscher Gesand¬ ter in Dänemark und Bevollmächtigter bei der Vichy-Regierung, wurde in Detmold zum Nichtbelasteten in der Entnazifizierungs¬ gruppe V erklärt, denn er habe als Diplomat niemals den Nationalsozialismus unterstützt. Der Stadtrat von Marktredwitz (Franken) bat beschlossen, die Thomas-Mann-Straße in Goethestraße umzubenennen. Der Stadtrat ist der Ansicht, daß Thomas Mann „sich sei¬ he n Vaterland gegenüber pietätlos” verhalten habe. Adenauer ist zum Kanzler vorgeschlagen Termin der Kabinettsbildung nodi nidit abzusehen — Die Kommissare begrüßten Bundespräsidenten Heuss Bonn. (W.-Eigenbericht). Der Bundes¬ tag tritt am Donnerstagvormittag in Bonn zusammen, um über eirtfn ver¬ fassungsgemäß vorgelegten Vorschlag des Bundespräsidenten, den ersten CDU-Vor- sitzenden Dr. Konrad Adenauer zuiii Bundeskanzler zu wählen, eine Entschei¬ dung herbeizuführen. Nach Lage der Dinge besteht kein Zweifel, daß der Bun¬ destag den Vorschlag von Prof. Heuß mit Mehrheit annehmen wird und damit Dr. Adenauer den Auftrag erhält, das Zeichnung: STEN W 14 erste deutsche Nachkriegskabinett zu bilden. Nachdem der neugewählte Bundesprä¬ sident am Dienstagvormittag in der Go¬ desberger „Redoute“ die Glückwünsche der Hohen Kommissare McClcv, Robert¬ son und Frangois-Poncet. des Kölner Kar¬ dinals Josef Frings und anderer staat¬ licher und kirchlicher Würdenträger ent¬ gegengenommen hatte, führte er am Dienstagnachmittag und Mittwochfrüh Besprechungen mit Dr. Adenauer, dem Oppositionsführer Dr. Kurt Schumacher und anderen Fraktionsvorsitzenden. Gesellschaftliche Veranstaltungen Der ganze Tag stand im Zeichen gesell¬ schaftlicher Veranstaltungen, die jedoch den beteiligten Politikern mannigfach Gelegenheit zu persönlicher Aussprache boten. Bei einem Glas Rheinwein wurden am Nachmittag die Koalitionsgespräche in stark gelockertem Rahmen im Schloß Brühl fortgesetzt, das der Ministerpräsi¬ dent von Nordrhein-Westfalen Karl Ar¬ nold dem Bundespräsidenten für seine offiziellen Empfänge übergab. Mit feinem Humor wies Prof. Heuß, dessen vermit¬ telnde Rolle in den wenigen Tagen sei¬ ner Amtstätigkeit wohltuend hervortrat, darauf hin, daß Schloß Brühl zwar im Rheinland liege, aber von den Wittels¬ bachern erbaut sei, „was die Bayern sicher freuen wird“. Die An. und Abfahrt der zahllosen Gäste zu den Empfängen in Godesberg und auf Schloß Brühl wurde zu einem einzigen großen Volksfest. Tau¬ sende von Kill dem und Erwachsenen umsäumten die Straße und begrüßten je¬ den Wagen mit kleinen schwarz-rot-gol¬ denen. Fahnen. Prof. Heuß hat mit der Der dänische Staat erwarb bei einer Ver¬ steigerung ehemaliger deutscher Schulen im Bezirk Hadersleben (Nord-Schleswig) zwei frühere deutsche Schulgebäude und einen Kindergarten. Damit sind sämtliche ehemalige deutsche Schulhäuser im Bezirk Hadersleben Eigentum des dänischen Staates geworden. Eine große Brauerei am Seine-Lfer von Paris wurde durch Blitzschlag völlig einge- äschert. Der Schaden wird auf mehrere hun¬ dert Millionen Francs geschätzt. Zum ersten Male nach dem Kriege ist jetzt ein rassisches Zivilverkehrsflugzeug in Eng¬ land gelandet. Der Staatsgerichtshof in Lodz (Polen) ver¬ urteilte unter der Anklage, sie seien Gestapo- Agenten gewesen, zwei polnische Geistliche zum Tode. Wegen ihres „beleidigenden Tones” hat üie jugoslawische Botschaft in Warschau eine von Polen an Jugoslawien gerichtete Note anbe¬ antwortet znrückgegeben. Am 16. und 17. September findet in ganz Italien ein Proteststreik sämtlicher Transport¬ arbeiter statt. Im Küstengebiet von Algier wurde in den letzten Tagen mit 42,9 Grad Hitze die höchste Temperatur seit 55 Jahren gemessen. Der LS-Senatsanssdmß für die militärische Ausiandshilfe hat mit 26 gegen drei Stimmen beschlossen, die Höhe der zu gewährenden Kredite für unterstützungsbedürftige Staaten auf eine Milliarde 366 Millionen Dollars fest¬ zusetzen. Auf Marschall Tschiangkaischek soll kürzlich In Tschungking ein Bombenattentat verübt worden sein. Tschiangkaischek sei jedoch nicht verletzt worden. Die Leibwache des MarschaUs soll 18 verdächtige Personen er¬ schossen haben. von ihm ausstrahlenden menschlichen Wärme sogleich die Herzen der Bevölke¬ rung gewonnen, die bpi den Journalisten neugierig Näheres über den Bundesprä¬ sidenten zu erfahren suchte. Begrüßungsansprache Frangois-Poncets In der Godesberger „Redoute“ begrüßte den Bundespräsiidenten im Namen der alliierten Regierungen der französische Hohe Kommissar Frangois-Poncet, der in seiner Ansprache die geschichtliche Be¬ deutung der Wahl des Präsidenten her- vorhofo: „Zum erstenmal nach den fürch¬ terlichen Ereignissen, die die letzten Jahre kennzeichnen, nimmt Ihr Land, wenn ich so sagen darf, wieder Form an. Wir freuen uns, daß wir die Wege, die Deutschland zu diesem großen Staats¬ akt geleitet haben, ebnen konnten.“ Frangois-Poncet sicherte dem Bundesprä¬ sidenten sodann die Bereitschaft der Ho¬ hen Kommissare zu, in jeder Weise seine Aufgaben zu erleichtern. Prof. Heuß dankte für die Glückwünsche der Hohen Kommissare und gedachte bei dieser Ge¬ legenheit der Mitbürger in Berlin und der Ostzone, „die sich noch nicht in freier Wahl zum Mutterland zu bekennen Ge¬ legenheit hatten.“ Glückwünsche Am Dienstag ging eine Fülle von Glückwunschtelegrammen ein. Der Ge¬ werkschaftsrat der Doppelzone sicherte dem Bundespräsidenten seine volle Unter. Stützung zu. Im Namen der evangelischen Kirche beglückwünschte der Berliner Bischof D. Dibeldus »und der bayerische Ministerpräsident Dr. Ehard sprach den Wunsch aus, das deutsche Volk möge un¬ ter der Präsidentschaft von Heuß der politischen und wirtschaftlichen Einheit Jn christlicher Gesittung, demokrati¬ schem Geist und friedlicher Gesinnung“ entgegengehen. Der Bundespräsident hat einen verhält¬ nismäßig sehr jungen Beamten, den bis¬ herigen Vertreter des Landes Württem¬ berg-Baden in Frankfurt und Bonn, Dr. Klaiber, zum Chef seiner Präsidialkanz¬ lei ernannt. Am Dienstag wurde Dr. Schumacher von McCloy empfangen und schnitt dabei in Anwesenheit von Prof. Noelting die Demontagefrage an. Stadt bestimmten, flüsterte dieser Tage einem Fremden, der bei ihr einquartiert wurde, mit einem flüchtigen Erröten zu, er könne ruhig auch einmal einen Budenzauber in seinem Zimmer veranstalten. Und das im bürgerlichen Bonn!. Nun, die Bonner haben verstanden, was es bedeutet, in den Mittelpunkt des öffentlichen Inter¬ esses und des Lebens eines Volkes zu rücken. Da müssen manche Schranken und manche Vorurteile fallen, wie es scheint. Was dabei sympathisch berührt, ist die -Entschlossenheit, die von den Bonnern an den Tag gelegt wird. Die braven Bürger haben sich bei der ersten Ansprache des Bundespräsidenten auf dem Marktplatz manches „Hoch” von den Lippen gerun¬ gen, und die bunten (allzu bunten!) Lämp¬ chen der ringsum liegenden Häuser blin¬ zelten dazu auf die sich stauende Menge. Jedes zweite oder dritte Haus trägt in diesen Tagen im Innern der Stadt die schwarz-rot-goldene Fahne der neuen Bundesrepublik. Von welcher anderen Stadt könnte man das sagen? Aber die Bonner haben eben ihren Stolz. Sie sind nun einmal auserwählt, und nun wollen sie auch ihren Weg zu Ende gehen. Daß dabei, um die Kleinheit der Stadt zu be¬ schönigen, ab und zu zögernd der Ver¬ gleich mit der „kleinen” amerikanischen Hauptstadt Washington fällt, mag dem einen oder anderen noch ein Lächeln auf die Lippen zwingen. Aber der Vergleich mit Bern oder dem holländischen Den Haag liegt schon gar nicht so fern — wenn man nicht (und hier wird die Sache ernst) immer wieder daran erinnern müßte, wieviel Geld uns unsere nette kleine Hauptstadt kosten wird. durch Entgegenkommen auf dem Gebiet der Erdölversorgumg für England einige Er¬ leichterungen herauslholen zu können. Was die Frage der Ausfuhrförderung nach ande¬ ren Staaten angeht, so ist daran gedacht, Zollbestinunungen und Handelsabkommen zu revidieren, dem internationalen Zah¬ lungsverkehr, vor allem in Europa, in be¬ stimmten Fällen eine größere Freizügigkeit zu geben und überhaupt von Großbritan¬ nien mehr Waren zu kaufen, so wie es die Vereinigten Staaten und Kanada Vorhaben, wenn sie Maßnahmen zur Erhöhung ihrer Reserven an Zinn, Gummi usw. ergreifen. Man trennte sich in Washington mit dem Beschluß, noch nicht gelöste Einzelprobleme in weiteren Dreierverhandlungen zu klä¬ ren. Man richtet jetzt einen Appell an die Exporteure der Sterlingzone. ihren Export nach der Dollarzone zu erhöhen. Man ist sich aber gleichzeitig darüber klar, daß diese Exportsteigerung nur erreicht werden kann, wenn die Gestehungskosten im Ster¬ ling-Gebiet gesenkt werden. Den Haupt¬ anteil an den Kosten industrieller Produkte bilden aber die Löhne. Die Frage der Ster¬ lingkrise mündet also in das Problem der Arbeitsleistung des kleiden Mannes und dessen, was er für seine Arbeit erhält. Da¬ mit aber hat nun, nach der Beendigung die¬ ser weltwirtschaftlichen und finanzpoliti¬ schen Konferenz, wieder die englische Innenpolitik das Wort. Um die Abwertung des Pfundes, von der soviel die Rede war, ist man bisher herumgekommen. — Sir Stafford Cripps bleibt noch einige Tage in Washington, um an der Versammlung des Internationalen Währungsfonds teilzuneh¬ men, während Bevin sich jetzt zu der Hauptversammlung der Organisation der Vereinten Nationen begibt. Staat im Werden Von , Konrad Gunst Ein Staat ist souverän, wenn er von ihm gleichgeordneten oder übergeordne¬ ten Gewalten unabhängig ist. Ist demnach die nun ins Leben tretende Bundesrepu¬ blik Deutschland souverän? Ist sie über¬ haupt ein Staat in dem Sinne, daß er die Voraussetzung für jede Staatwerdung, „die ausschließliche Fähigkeit der Staats¬ gewalt, ihrem Willen einen allseitig recht¬ lich bindenden Inhalt zu geben, und die Unmöglichkeit, durch eine andere Macht gegen den eigenen Willen rechtlich be¬ schränkt zu werden”, wie es in einer be¬ kannten Begriffsbestimmung heißt, :n sich trägt? Zweifellos nicht. Das kommt schon in der Art der Entstehung des Bon¬ ner Grundgesetzes zum Ausdruck, dessen Geltung seinerzeit ausdrücklich mit der Anerkennung des Besatzungsstatuts ver¬ bunden war. Dieses Statut aber sah von vornherein die Schaffung übergeordneter alliierter Stellen vor. Die Außenminister der Westmächte hatten seinerzeit be¬ schlossen, „daß die deutschen Behörden im allgemeinen die Freiheiten haben sollen, Verwaltung»- und Gesetzgebungsma߬ nahmen vorzunehmen und daß solche Maßnahmen Geltung haben, sofern die alliierten Behörden keinen Einspruch er¬ heben”. Damit ist ganz klar zum Aus¬ druck gebracht, daß die Bundesrepublik Deutschland noch keine vollen Souveräni¬ tätsrechte besitzt. In Wirklichkeit ist es so, daß Besatzungstatut und Grundge¬ setz zusammen die rechtliche Grundlage für die Existenz des neuen Staatswesens bilden. Gegenüber dem bisherigen Zustand des reinen Besatzungsrechtes bedeutet die Schaffung eines deutschen Staates mit einer eigenverantwortlichen Regierung einen großen Fortschritt, wenn sich auch die durch das Besatzungsstatut festges legte Instanz der drei hohen Kommissare als verantwortliches Kontrollorgan ent¬ scheidende Rechte Vorbehalten hat. Diese Kontrolle wird allerdings nicht unmittel¬ bar sichtbar werden. Aber die oberste In¬ stanz hat nach dem Besatzungsstatut im¬ merhin das Recht, Gesetze zu erlassen, gegen die es keinen Einspruch gilbt. Die Bundesregierung kann dagegen prote¬ stieren, aber es ist nicht einmal ein pari¬ tätisch besetztes Schied sgericht. vorge¬ sehen, da» strittige Fragen auf dem Rechtsweg unter Anhörung beider Teile zu klären in der Lage wäre. Deutschland darf — und damit entfällt ein weiteres wesentliches Merkmal der vollen staat¬ lichen Souveränität — keine eigene Außenpolitik treiben. Seine außenpoliti¬ schen Interessen werden von den Ver¬ tretern der drei Völker wahrgenommen, die Westdeutschland besetzt halten. Sie werden nach wie vor versuchen, ihrer nationalbedingten Besatzungspolitik in den einzelnen Zonen ihre besondere Ziel¬ richtung zu geben. Eine Einheitlichkeit der deutschen Innenpolitik wird dadurch zum mindesten nicht erleichtert. Diese eigenartige staatsrechtliche und politische Situation der neuen Bundes¬ republik Deutschland verlangt von den führenden Männern und von den Parteien ein hohes Maß von Klugheit und politi¬ schem Verantwortungsgefühl. Sie ver¬ langt vor allem auch die maßvolle Wah¬ rung der nationalen Würde im Parla¬ ment und in der Repräsentation des jun¬ gen Staates nach innen und außen. Jeder Fehler, jeder Mißgriff kann die Autorität der Regierung und der Behörden unter¬ graben. Wir Deutschen neigen gerade in politischen Dingen zur Maßlosigkeit und zu Uebertreibungen. Das gilt sowohl für die Geltendmachung außenpolitischer Ansprüche wie auch für das Verhalten der Parteien in der Verfechtung partei¬ politischer Forderungen. Schon in Bonn hat es dieser Tage einige Pannen gegeben, die als sehr peinlich empfunden worden sind. Es wäre wirklich sdiade. wenn die ersten politischen Regungen des jungen Parlaments von der Sucht nach Populari¬ tät und nach billigen Propagandatricks überschattet würden. Wir waren uns zwar von vornherein klar darüber, daß uns diese ersten Schritte zu einer neuen Eigenstaatlichkeit und zu selbständigem politischen Handeln nicht leicht fallen würden. Aller Anfang ist schwer, zumal wir vor Problemen stehen, die teilweise weit über unsere Kräfte gehen. Wir sind uns auch klar darüber, daß es der Kritik leicht fallen wird, Anhaltspunkte zu fin¬ den, und daß unsere heutige politische und wirtschaftliche Situation destruktiven Elementen Anlaß sein und Gelegenheit geben wird, Zwietracht und Mißtrauen zu säen. Wenn je, dann sind wir jetzt auf das Verständnis und die positive Mitar¬ beit jener Kreise angewiesen, die wissen und erkennen, daß es der Anstrengung aller Kräfte bedarf, um Leben und Be¬ stand unseres Volkes zu sichern. Voraussetzung für die Arbeit von Regierung und Parlament Ist eine ver¬ nünftige Anwendung des Besatzungs¬ statuts. Es kommt auf den Geist an, in. dem es gehandhabt wird. Nichts wäre ver- „Unsere kleine Hauptstadt” Wie das behagliche Bonn in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses rückt Bonn (W-Eigenberich.). Während die Abgeordneten im Bonner „Bundeshaus” bei einer Flasche sitzen, fährt vor ihren Augen einer jener lustigen Vergnügungs¬ dampfer auf dem Rhein vorbei, die seit jeher zu der Vorstellung von der „gemüt¬ lichen” rheinischen Landschaft gehört haben. In leuchtenden Buchstaben steht am Bug des Schiffes „Kaiser Wilhelm". Das ist sein Name, den es ebenso wenig verloren hat wie der Kaiserplatz, die Kai- ser-Friedrich-Straße, die Schaumhurg- Lippe-Straße und viele andere in Bonn den ihren. In Frankfurt war. man rigoro¬ ser, dort durfte nicht einipal die harmlose Kaiserstraße, bei deren Namen sich nie¬ mand Arges dachte, ihren Namen behal¬ ten. Aber es gehört nun einmal zum We¬ sen unserer neuen, kleinen Bundeshaupt¬ stadt, daß man insgeheim noch ein bi߬ chen königstreu und kaisertreu ist, und vor allem recht konservativ. Es ist: die Stadt der Refttner und pensionierten Uni¬ versitätsprofessoren ur.d Generäle, die Stadt der Staatskui sehen und einer ruhi¬ gen, behaglichen Stille, die manchmal mit der Stille in der Nähe eines Friedhofs ver¬ glichen werden konnte. Man sollte sagen, daß eine Stadt mit solchen Eigenschaften verzweifeln sollte, Wenn sie plötzlich als Hauptstadt in das unruhige Getriebe der W$lt hereingeris¬ sen wird. Aber nichts stimmt weniger als dies. Zwar wandelt sich die Stadt in die¬ sen Wochen in einer fast unmerklichen und doch an allen Ecken und Enden spür¬ baren Anstrengung aber sie trauert der alten Herrlichkeit nicht nach. Sie ändert ihr GÄicht, aber sie tut es lachend. Eine jener alten konservativen Damen der Bon¬ ner Gesellschaft, die früher das Leben der Washington war keine Wunderkur Lady Sterling humpelt weiter, wird aber gestützt von König Dollar London. Auch Finanzexperten sind keine Zauberkünstler, die sich über die wirtschaftlichen Gegebenheiten hinwegset- zen können. Die Washingtoner Finapz- besprechungen zwischen den Vereinigtem Staaten, Großbritannien und Kanada haben noch keine dauerhafte Lösung der briti¬ schem Krise gebracht. Der Währungs-Wirr¬ warr der westlichen Welt bleibt vorderhand bestehen. Nach wie vor wird das Sterling- Gebiet, das heißt die Länder und Kolonien des englischen Weltreiches außer Kanada, schwer um die Erlangung der nun einmal für wichtige Einfuhren notwendigen Dollars ringen müssen. Lady Sterling humpelt wei¬ ter hinter dem König Dollar her, aber die¬ ser wird so liebenswürdig sein, ein gewis¬ ses Entgegenkommen zu zeigen.- Mau hat sich in Washington auf einige „Sofortmaßnahmen" geeinigt, die — wie sich der englische Schatzkanzler Sir Staf¬ ford Cripps äußerte — geeignet sein könn¬ ten, das Problem der Dollarknappheit in absehbarer Zeit zu erleichtern, ohne daß Großbritannien seine Einfuhren herabset¬ zen müßte. Wie ziehen wir mehr Dollars in unser Gebiet und wie erleichtern wir die Ausfuhr unserer eigenen Waren, damit wir dafür Dollar bekommen, das sind die bei¬ den Fragern, die es — von London aus ge¬ sehen — zu beantworten galt. Der Dol¬ laranreicherung sollen zunächst zunehmende Investierungen amerikanischen Privatkapi-i tals im Sterling-Gebiet und Erleichterungen in der Verwendung der Marshallplanmittel unmittelbar dienen. Weiter will man ver¬ suchen, England durch verstärkten Einsatz der britischen Handelsflotte höhere Dollar¬ ei mrahmen zu verschaffen. Schließlich glaubt man, durch Ueberprüfung der briti¬ schen Schulden bei anderen Staaten sowie |