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PARIS . Der UN -Generalsekretär Trygvelie gab bekannt, daß er sich am 10. Mai ziu einem Besuch nach. Moskau begeben wird. Er werde sich vermutlich einige Tage in Moskau aufhalten und mit führenden Persönlichkeiten der Sowjetunion sprechen, sagte lie. „Wenn Stalin in Moskau ist und es sich einrichten läßt, dann hoffe ich, auch mit ihm zusammenzutreffen“. Der sowjetische Stellvertreter des UN -Gene- ralsekretärs, Konstantin Zintschenko, wird lie nach Moskau begleiten,
~ Er erwarte keine großen oder sofortigen Resultate seiner Besuche, erklärte Lie. Er hoffe lediglich, daß der Meinungsaustausch . während der kommenden zwei oder drei Monate zu greifbaren Ergebnissen führen werde. Es gebe heute zwei Wege in der Welt. Der eine führe „früher oder später 2 iu einem dritten Weltkrieg “, der andere sei die Vereinten Nationen .
BREMERHAVEN . Die neugegründete Bremerhavener Reederei Wolff hat den 10 375 BRT großen Passagierdampfer „Esmeralda“ von der italienischen Reederei Sogemar in Genua für Pilgerfahrten nach Rom gechartert. Das Schiff wird im Juni in Dienst gestellt und soll jeweils 1088 Pilger befördern Die Fahrpreise liegen zwischen 375 und 850 Mark. Die Hin- und Rückfahrt mit einem fünftägigen Aufenthalt in Italien wird 22 Tage dauern. Das Schiff fährt mit einer Besatzung von 230 deutschen Seeleuten unter Kapitän Krake vom NorddeutschenLloyd .
Anschluß an Indien
TSGHANDERNAGORE. Indien übernahm die Verwaltung der 30 Kilometer nördlich Kalkuttas gelegenen französischen Besitzung Tschandemagore. Tschan- dernagore gehörte seit 250 Jahren zu Frankreich . Vor kurzem haben sich Indien und Frankreich ijber die Bedingungen geeinigt, unter denen das Gebiet übereignet wird. Diese Vereinbarung war am 19. Juni vergangenen Jahres «ine von der französischen Regierung durchgeführte Volksabstimmung vorausgegangen, in der sich die 55 000 Bewohner Tschan- dernagore fast geschlossen für einen Anschluß an Indien auesprachen.
Indodiina in Gefahr
PARIS . Der französische Außenminister Schuman soll entschlossen sein, auf der Londoner Konferenz der drei Westaußenminister auch eine Indochina -Frage ner- beizuführen. Nur wenn die VereinigtenStaaten sich zu einer umfangreichen und schnellen Hilfeleistung bei der Verteidigung Indochinas entschließen, könne Frankreich den Kampf fortsetzen. Ohne eine solche Hilfe wüide Frankreich gezwungen sein, 9eine Position in Indochina aufzugeben und das Land damit dem Kommunismus in die Arme fallen zu :as-
6. JAHRGANG
DONNERSTAG 4. MAI 1950
NUMMER 53
Eine Million Deutsche sollen auswandern
Kommission des amerikanischen Repräsentantenhauses prüfte deutsches Flüchtlingsproblem
BONN . (W.-Eigenbericht.) Eine Kommission des amerikanischen Repräsentantenhauses unter Leitung von Mr. Walter hat eine eingehende Prüfung des deutschen Flüchtliingeprciblems empfohlen. Es sollen Vorbereitungen für die Auswanderung von einer Million Deutscher , vorwiegend aus den landwirtschaftlichen Berufen, getroffen werden. Bundesflüchtlingsminister Dr. L/ukaschek, der am Mittwoch vor der Presse in Bonn den Bericht der Kommission erläuterte, begrüßte den Plan ohne Einschränkungen. Er erklärte, seiner Ansicht nach dürften nicht nur junge Leute auswandem, sondern ganze Familien und möglichst ganze Flüchtlingsdörfer mit ihrem Arzt, dem Lehrer und dem Pfarrer sollten die Gelegenheit erhalten, nach Uebersee auszuwandern.
In einer Resolution, die das amerikanische Repräsentantenhaus auf Antrag der Walterkommission fassen soll, wird der Präsident der Vereinigten Staaten ersucht, durch die Einberufung einer gesetzmäßigen internationalen Versammlung für das alleinige Ziel der Wiede ran sied lu ng der Ueberbevülkerung Deutschlands die Initiative zu ergreifen. Der Versammlung sollen Vertreter der Bundesregierung und der Regierung der Vereinigten Staaten sowie Vertreter der voraussichtlichen Auf- nahmeländer ■ unter den britischen Dominions, den unabhängigen Schutzgebieten
und den Kolonien angehören. Die neue Organisation sollte außerhalb der Vereinten Nationen bleiben. Das erforderliche Geld für die Auswanderung sollte im Rahmen des Marshallplans und des sogenannten ,.Punkt-Vier-Programms“ der amerikanischen Regierung für die Entwicklung unterbevölkerter Gebiete in der Welt bereitgestellt werden.
Der Antrag der Walterkommission geht von einer sehr eingehenden und überaus objektiven Darstellung des deutschen Flüchtlinigsproblems aus. Der Bericht betont, daß infolge der Einstellung der Polen und Tschechosdowaken, die bei der Potsdamer Konferenz auf der Ausweisung aller Deutschen aus ihren Gebieten bestanden hätten, keine Hoffnung bestehe, den deutschen Flüchtlingen die Rückkehr in ihre Heimat ermöglichen zu können.
Nach übereinstimmender Ansicht des Ministers und der amerikanischen Kommission werden innerhalb Deutschlands noch rund vier Millionen Heimatvertrie- bene und Evakuierte mit einem Kostenaufwand von rund einer Milliarde D-Mark umgesiedelt werden müssen, um den Flüchtlingen, die in Deutschland bleiben, Arbeit geben zu können. Von den rund acht Millionen Heimatvertriebenen, die sich im Bundesgebiet aufhalten, können nach Auffassung der Kommission sieben Millionen in Deutschland bleiben und vor
Fährt Adenauer zur Londoner Konferenz ?
Wichtige Entscheidungen in der Deutschland -Frage werden erwartet
PARIS . Eine Einladung Bundeskanzler Dr. Adenauers nach London im Verlauf der kommenden Dreierkonferenz werde in maßgebenden amerikanischen Kreisen für sehr wahrscheinlich angesehen, meldet der Washingtoner Korrespondent von „Paris Presse“. Die Konferenz der großen Drei werde wichtige Entscheidungen in der Deutschlandfrage treffen.
Man nimmt an, daß die geplanten Unterhaltungen in Paris und in London drei Wochen in Anspruch nehmen werden, und daß Außenminister Acheson nicht vor dem 20. Mai zurück sein wird. Das von Deutschland nach Asien gehende Konferenzprogramm ist so umfangreich, daß es als wenig wahrscheinlich gilt, daß die drei Außenminister etwas anderes vornehmen könnten, als eine allgemein gehaltene Untersuchung der ihnen vorliegenden Unterlagen.
Von einer von amerikanischer Seite geplanten Einladung Dr. Adenauers nach London erklärt das französische Außenministerium, nicht unterrichtet zu sein.
Auch Bonner Regierungsstellen haben keine Kenntnis von einer Einladung des
Kurz notiert
.Der Vizepräsident des Bundestages, Professor Carlo Schmid , ist zu einem mehrtägigen Besuch in Stockholm eingetroffen.
Am Dienstag trafen mehr als 1000 ehemalige Kriegsgefangene aus der Sowjetunion im Lager Friedland bei Göttingen ein.
Im April haben 3470 ehemalige deutscher Kriegsgefangene aus der Sowjetunion das Lager Friedland bei Göttingen passiert. 280 Heimkehrer kamen ans Polen .
ln Begleitung des Finanzministers Dr. Eckert besuchte Staatspräsident Wohieb die Stadt Waldkirch im Breisgau .
1027 illegale Grenzgänger ans der Sowjetzone fanden im April Asylrecht im Bundesgebiet.
Das Bonner Kabinett hat einen Gesetzentwurf über den Vertrieb nnd Erwerb von jugendgefährdenden Schriften gutgeheißen.
Die Stadt Aachen will alle Pachtverträge mit den Besitzern von Zeitungskiosken, die anf städtischem Grundbesitz Schnnd- nnd Schmutzliteratur verkauften, kurzfristig lösen.
Der 1. Mai* war der bisher wärmste Tag des Jahres. Die Höchsttemperaturen im Bundesgebiet sthwankten zwischen 23 und 26 Grad.
In einem feierlichen Pontifikal-Hochzeits- amt tränte in Anwesenheit von Bundeskanzler Adenauer der Abt der Benediktinerabtei Maria Laach die jüngste Tochter des Bundeskanzlers, Lisbeth Adenauer, mit Hermann-Josef Werhahn , dem Sohn eines Neußer Oelindustriellen.
Jagendvertreter aus England , Frankreich , Schweden , Dänemark , Holland , der Schweiz nnd der Bundesrepublik trafen zu einer Jugendwoche in Schloß Wolfsbarg (nahe der Volkswagenstadt) zusammen.
Die zweite Tagung französischer und deutscher Parlamentarier findet vom 25. bis 27. Mai in Rheinfelden/Schweiz statt.
Die Kölner Karnevalsgesellschaften haben der Kölner Wirtschaft über eine Million D-Mark zugeffihrt.
Am 1. April waren im Bundesgebiet insgesamt 1 742 479 Kraftfahrzeuge angemeldet.
Der 63jährige Berliner Pani Möller nnd ■eine 17jährige Tochter Aga sind mit ihrem 5-Meter-Segelboot von Santa Cruz auf Teneriffa nach Freetown (Westafrika ) gestartet.
In Florenz beginnt In Kürze ein Prozeß gegen den früheren Kommandeur der Her- mann-Göring-Division, Wilhelm Schmalz . Der ehemalige General ist angeklagt, die Erschießung von 429 Italienern befohlen zu haben.
Bei einem Gehöftbrand im Kreis Annaberg im Erzgebirge kamen drei Kinder ums Leben.
Der saarländische Landtag nahm einstimmig die Einladung zum Beitritt des Saarlandes als beigeordnetes Mitglied in den Europarat an.
Nur durch die eine Stimme des Sprechers entging die Labour- Regierung bei einer unerwarteten Abstimmung lm Unterhaus einer Niederlage.
Das dritte und letzte britische Nur-Flügel- Düsenflugzeug stürzte am 1. Mai über England ab. Der Pilot kam dabei ums Leben.
Bei 5 Flugzeugabstürzen kamen am 1. Mai in den USA 14 Personen ums Leben.
Die amerikanische Flotte hat ferngesteuerte Geschosse nunmehr soweit entwickelt, daß sie in der amerikanischen Kriegsmarine allgemein eingeführt werden können.
Als im britischen Unterhaus gefragt upirde, warum König Faruk von Aegypten zum General in der englischen Armee gemacht wurde, schritt der Sprecher des Hauses ein nnd erinnerte daran, daß im Parlament Entscheidungen des englischen Königs nicht kritisiert werden dürfen.
Die für das Staatsgebiet der USA verbindlich erklärte Sommerzeit hat eine sehr geteilte Aufnahme gefunden. Nur ein Drittel aller Amerikaner richten sich nach der Umstellung.
Japan zählte Ende 1949 über 83 Millionen Einwohner. Die Bevölkerung des Landes nahm in diesem Jahr täglich um mehr als 5000 Personen zn.
Durch einen Lokomotivführerstreik ist der gesamte Zugverkehr in Finnland seit gestern stillgelegt.
Bei einer Explosion in einem Munitionslager in Patiala (Indien ) kamen 42 Personen ums Leben.
Die Behörden von Dallas County (USA ) verhafteten einen 22jährigen Farmer, der voller Zorn über eine störrische Kuh auf seinen Traktor sprang, seinw Mutter überfuhr und seinen Vater mitsamt dessen Schaukelstuhl von der Veranda fegte, worauf er noch das Haus in Brand zu setzen versuchte.
deutschen Bundeskanzlers Dr. Adenauer nach London . Unterrichtete Stellen erklären jedoch, daß vor jeder Außenministerkonferenz darüber gesprochen worden sei, ob Deutsche eingeladen werden sollen oder nicht.
Aenderung des Besatzungsstatuts
BONN . (W.-EIgenbericht). Aus alliierten Kreisen in Bonn verlautet, daß im Zusammenhang mit der Londoner Konferenz der Außenminister Großbritanniens, Frankreichs und der USA die Einsetzung eines Ausschusses zu erwarten ist, der eine Revision des Besatzungsstatutes vorbereiten soll. In gut unterrichteten Kreisen wird aber nicht mehr mit einer Revision des Besatzungsstatutes vor dem Herbst gerechnet. Agenturberichte, nach denen schon im Mai in London wesentliche Aenderungen des Statutes vorgenommen werden sollen, sind nach Mitteilung von alliierter Seite nicht richtig. Wenn auch die wirtschaftlichen Beschränkungen, die Deutschland noch auferlegt sind, in einigen wichtigen funkten, vor allem beim Schiffsbau und der Stahlproduktion, gelockert werden dürften, so sei doch nicht an grundsätzliche Aenderungen des Verhältnisses zwischen der Bundesregierung und der Hohen Kommission gedacht.
allem m der Industrie und im Bauwesen Arbeit finden. Der restlichen Million Menschen sollten die überseeischen Aiuswan- demngsgebiete erschlossen werden.
Ungarndeutsche wandern zurück
FREILASSING . Im südostbayerischen Grenzgebiet ist seit'Emde April eine illegale Rückwanderung der Ungarndeutschen aus dem ganzen-Bundesgebiet in Richtung Salzburg und Wien zu beobachten. Sie wurde ausgelöst durch eine Bekanntmachung der ungarischen Behörden, die geflüchteten oder hedmatvertriebenen Volksdeutschen könnten zuriickkehren, und durch die schlechte wirtschaftliche Lage dieser Menschen an ihren jetzigen Wohnorten. Die Ungarndeutschen gehen familienweise oder in kleinen Gruppen heimlich über die Grenze, um sich bei der ungarischen Gesandtschaft in Wien zur Heimkehr zu, melden? Es sind meistens Bauern, die auf eine spätere Rückgabe ihres Landbesitzes in Ungarn hoffen. Im Bundesgebiet leben gegenwärtig etwa 230 000 Ungarndeutsche.
Tübingen billigt Volksbefragung
TÜBINGEN . Der Gesetzentwurf über eine Volksbefragung zur Neugliederung der südwestdeutschen Länder, der am 28. April von der Sechserkommission in Tübingen ausgearbeitet wurde, wurde in einer Kabinettssitzung am 2. Mai durch die Regierung von Württemfoerg-Hohen- izollern gebilligt. Der Gesetzentwurf wird dem Landtag von Württemibeng-Hohen- zollem zur weiteren Behandlung zugeleitet.
Aufmarsch der Technik
HANNOVER . Auf dem Messegelände in Hannover -Laatzen herrscht wieder Hochbetrieb. 1614 Aussteller zeigen auf rund 100 000 Quadratmetern Ausstellungsfläche ihre Erzeugnisse. Es erscheint dem Besucher fast unmöglich, die geradezu überwältigende Fülle dtr Eindrücke zu einem klaren Bild zu verarbeiten.
Reisespardienst der Bundesbahn
FRANKFURT . Die Bundesbahn hat in Verbindung mit der .Arbeitsgemeinschaft der Gesellschaftsreisen“ und den Gewerkschaften einen Reisespardienst eingerichtet. An allen Fahrkartenschaltern sind jetzt Reisespanmarken erhältlich, die auf einen Wert von je einer Mark lauten. Die geklebten Marken werden von den Fahrkartenschaltern zum vollen Nennwert in Zahlung genommen und auf Wunsch auch bar eingelöst.
HAMBURG . Mit einem viermotorigen Sonderflugzeug startete die Fußballmannschaft des Hamburger SV am Mittwochabend nach New York , um auf Einladung des deutsch -amerikanischen Fußballbundes sieben Spiele in größeren Städten der USA innerhalb von drei Wochen aiuszutragen. Das erste Spiel wird der norddeutsche Fußballmeister in New York austragen.
BERLIN . (A.G.-Eigenbericht). Berlin stand unmittelbar nach der gewaltigen Maikundgebung auf dem Platz der Republik im Zeichen amerikanischer Besuche: ERP-Sonderbotschafter W. Averell Harri- man und der bekannte USA -Professor James Burnham weilten kurze Zeit in der Stadt. In Pressekonferenzen vor in- und ausländischen Journalisten betonten sie übereinstimmend, daß ein Zusammenschluß Europas ein starkes aber friedliches Druckmittel auf die Sowjetunion sei. Der Besuch des bisherigen amerikanischen „Botschafters für Europa“ Wird in Berlin als ein Teil der totalen Diplomatie der USA gewertet. In einer Pressekonferenz im Gebäude der amerikanischen Oberkommission sprach sich der große schlanke Mann, aus dessen Gesicht Tatkraft und ernster Wille leuchten, dafür aus, daß Berlin ein Teil von Westdeutschland werden müsse, Westdeutschland wiederum müsse ein Teil von Westeuropa und Westeuropa ein Teil der westlichen Hemisphäre werden. Dann werde es gelingen, die wirtschaftlichen und sozialen Probleme w des -Kontinents erfolgreich zu meistern.
Harriman bezeichnete das Ziel des ERP, im Welthandel gesunde wirtschaftliche Verhältnisse und damit gute Beschäftigungsmöglichkeiten in allen Ländern zu schaffen. Der Warenaustausch zwischen West- und Osteuropa Mde unter der Unfähigkeit des Ostens für die Qualitätsprodukte des Westens entsprechende Waren anzubieten. Die größeren Erfolgsaussichten im kalten Krieg zwischen Ost und West seien schon deshalb auf westlicher Seite, „weil dort das größere Potential an geistigen und Facharbeitern vorhanden sei, die ihre Leistungen in voller Freiheit
entwickeln könnten. Die Produktion in den meisten der am Marshallplan beteiligten Länder hätte die Kapazität des Vorkriegsstandes um 20 Prozent übertroffen. Der deutsche Export sei zwar geringer als der anderer westeuropäischer Länder, aber“ so meinte Harriman , „bis zum April 1951 werde sich manches geändert haben“. Ueber eine mögliche Fortsetzung der ERP-Hilfe über das Jahr 1952 hinaus äußerte sich der amerikanische Botschafter sehr zurückhaltend.
Stille Opposition ermutigen 1
BERLIN . (A.G.-Eigenbericht). In einem zwanglosen Gespräch Westberliner Journalisten bezeichnete der bekannte amerikanische Soziologe und Professor der Philosophie an der Universität New York James Burnham , die intereuropäische Föderation aller nicht kommunistischen Völker als den wichtigsten Schritt zur wirksamen Bekämpfung des Kommunismus. Professor Burnham, vertrat die Ueberzeugung, daß die Sowjetunion in den nächsten drei Jahren wirtschaftlich und militärisch noch nicht zum Krieg bereit sei. Die europäischen Völker, insbesondere Deutschland dürften keinesfalls alle Aktivität der Initiative amerikanischer Politiker überlassen. Deutschland müsse vielmehr von sich aus eine eindeutige Entscheidung gegen den Kommunismus treffen. Die Mehrzahl der Deutschen in der Ostzone sei entschieden antikommunistisch. Ihre stille Opposition müsse ununterbrochen ermutigt werden. Burham bezeichnete eine konsequente Vorbereitung der politischen und moralischen Zersetzung und Eroberung des Ostens vorerst wichtiger und wirksamer als alle Spekulationen militärischer Natur.
Bezug monatlich durch die Post 2.30 Mark, einschl.
27 Pf. Postzustellgebühr, durch Träger 2.10 Mark, einschl. 25 Pf. Trägerlohn — Einzelpreis 20 Pt
Unfug!
Von
Otto Häcker
Liest man die Reden der Staatsmänner, so fragt man sich oft, wozu und für wen sie eigentlich gehalten werden. Manches dabei erscheint geradezu grotesk, wenn man weiß, wie die sogenannte Große Politik gemacht wird, z. B. auf einer Konferenz, bei der es um die Frage der europäischen Einigung geht. Da sitzen sie beisammen, die Beauftragten und Handlungsbevollmächtigten von 100 Ms 200 Millionen Menschen, deren Schicksal in ihren Händen liegt. Wen vertreten sie aber in Wirklichkeit? Ihre Regierungen. Und diese sind wiederum abhängig von den Parteien, genauer gesagt, von den Fraktionen und Parteiführungen. Auch hier handelt es sich also nur um einige Gruppen von Politikern, die den Volkswillen repräsentieren, und was der Volkswille ist, läßt sich oft kaum sagen. Denn zwischen diesen Führungsorganen der Parteien und der Masse, von der sie gewählt sind, besteht der weite Raum des Atmosphärischen, der wechselnden, schwer erfaßbaren Stimmungen in den verschiedenen Volksschichten. Hier spielen die sogenannten Imponderabilien ihre Rolle in der Politik. Erst wenn man. genauer zusieht, erkennt man die Nervenstränge, die sich durch den ganzen politischen Organismus ziehen. Dann sieht man, wie die politischen Strömungen von der Partei-Taktik und von den Befehlszentralen bestimmter wirtschaftlicher Interessen gelenkt werden, und man versteht schließlich, warum eine scheinbar so selbstverständliche Sache wie die Europäische Union nicht zustande kommt. Millioneti wallen, sie, hüben wie drüben. Sie wird ihnen auch zum Abschluß jeder Konferenz versprochen. „Abendländisches Gemeinschaftsgefühl — Versöhnung — Kampf gegen den Nationalismus“ hören sie im Radio, wenn sie abends aus der Fabrik kommen. Aber niemand sagt ihnen, daß es diese Fabrik ist, beziehungsweise die . Kon - kurrenzangst der Gegenseite, was im Wege steht
IDen privaten hinter dem nationalen Egoismus zu verstecken, ist auf dem blutgetränkten Boden Europas leider nicht schwierig. Die Seele jeder europäischen Nation ist seit Jahrhunderten mit Bildern des eigenen Leidens und fremder Schuld erfüllt. Man müßte alles daran setzen, sie diese Albträume vergessen zu lassen, um sie in die Wirklichkeit wachzurufen. Die heutige Wirklichkeit: das ist Europa als Halbinsel Asiens , das ist der Zwang zur Einigung, zur gemeinsamen wirtschaftlichen Planung und gesamteuropäischen Selbstbehauptung gegenüber dem Osten. Andererseits sind es die hemmenden Kräfte des nationalen Beharrungs- und Besitzwillens, sind es die Kohlengruben, die Stahlwerke und einige Industrien mit ihren Exporc- interessen. Aber davon redet man nicht.
„Nationalismus ist Feigheit vor der Wirklichkeit“, hörten wir den Bundespräsidenben Theodor Heuß am 1. Mai im Riundfunk sagen. Er wandte sich damit nicht nur gegen die paar Ueberfoleibsel des Nationalsozialismus, die sich in letzter Zeit bemerkbar machten. Dieses Wort ist allgemein gültig. Es kennzeichnet die geistige Verfassung, an der das westliche Europa krankt. Viele seiner führenden Männer wagen es nicht, die Bahnen des gewohnten Denkens in der Größenordnung der nationalen Politik und Wirtschaft zu verlassen. Sie sehen die europäische Gesamtlage, aber mit den Problemen und Pflichten, die sie mit sich bringt, setzen sie sich nicht auseinander. Ihre nationalstaatlichen Vorstellungen verkrampfen sich im Bewußtsein der geschichtlichen Glorie. Dabei sind es, wenn man die Größenverhältnisse der europäischen Länder am Welthorizont mißt, doch nur noch die Geltungsansprüche des Provinzialen, die sich um so mehr versteifen, je unsicherer sein Selbstgefühl wird.
Daher der Widerspruch zwischen den Propagandamethoden dieser Politik und den gesunden Volksinstinkten, die sich dadurch nicht mehr täuschen lassen. „Alles staats- männische Geschäft bleibt bloße Machttechnik“, sagte Heuß , „wenn ihm der freie und offene Sinn des Volkes nicht zur Seite tritt.“ Der einfache Mann in Europa , welcher Nation er auch angehört, sieht heute über die Grenzpfähle hinweg. Angesichtä der Gewitterwand am Horizont ka** man ihm nicht begreiflich machen, weshalb in Deutschland noch weitere Betriebe demontiert werden. Er versteht auch nicht den Streit um die Saargruben. Er wünscht, daß dort, ungestört von politischen Spannungen, mit maximalem Nutzeffekt produziert wird, weil dies die einzige Lebenssicherung für Europa bedeutet, und daß ihm sein Arbeitsanteil ungeschmälert erhalten bleibt. Im übrigen stellt er das Radio ab, wenn statt der Unterhaltungsmusik abgeleierte politische Phrasen kommen; es sei denn, daß endlich einmal das richtige Wort dazu gesagt wird, wie in der Rede des Bunde*- präsidentenl: „Unfug!"
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