252
BADISCHE WIRTSCHAFTS-ZEITUNG
Nr. 19
„Die deutsche Valuta von universeller Bedeutung“. — Ein finnischer Beitrag zum Großclearing über Berlin .
Die finnische Wochenschrift „Finanzbladet“ bringt einen interessanten Beitrag zum Großclearing über Berlin . Es heißt dort u. a., daß sich Berlin zum wirtschaftlichen Zentrum des Kontinents entwickele, über das der europäische Warenaustausch der Zukunft geführt werde. Dieser Warenaustausch sei nicht nur ein bilaterales System, sondern das Aufleben eines freien Handels innerhalb der europäischen Wirtschaft. Deutschland wünsche keine Autarkie für die Staaten des neuen Europa einzuführen, sondern begünstige einen freien Handelsaustausch. Das Ziel dabei solle eine Erhöhung
des Lebensstandards in Europa sein, und der wirtschaftliche Fortschritt werde durch die Konkurrenz gewährleistet. Berlin als Clearingzentrale für den multilateralen Warenaustausch Europas stelle eine Entwicklung dar, bei der Deutschland , soweit es die deutschen Interessen berühre, die höchste Aufsicht über den zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehr der europäischen Länder ausübe. Ein Beispiel dafür sei, daß Italien bereits beschlossen habe, seine Clearinggeschäfte mit Belgien , Holland , Luxemburg und Norwegen über Berlin zu führen. Ebenso liefen die Clearinggeschäfte zwischen Holland , Belgien , Jugoslawien und Schweden über die Clearingzentrale in Berlin . Hierdurch erhält, wie „Finanzbladet“ schreibt, die deutsche Valuta eine universelle Bedeutung.
Auf Einladung der Reichswirtschaftskammer fand am Montag, den 23. September, und Dienstag, den 24. September 1940, eine Besichtigungsfahrt der Wirtschaftsschriftleiter der führenden deutschen Blätter ins Elsaß statt. An der Fahrt nahmen auch je ein Vertreter des Wehrwirtschaftsstabes des Oberkommandos der Wehrmacht, der Reichswirtschaf tsk’ammer, des Reichspropagandaministeriums und. des Reichsarbeitsministeriums teil; außerdem der Pressereferent des Reichspropagandaamts Baden, Nebenstelle Elsaß , Herr B r e t z , sowie Vertreter der drei elsässischen Industrie- und Handelskammern Straßburg , Kolmar und Mülhausen und der Wirtschaftskammer Baden.
Nach ihrer Ankunft in Straßburg wurden die Gäste zunächst vom Chef der Zivilverwal- tung, Reichsstatthalter und Gauleiter Robert Wagner , empfangen, der in seiner Ansprache darauf hinwies, daß der Raum am Oberrhein eine wirtschaftliche Einheit darstelle und das agrarische Elsaß das hochindustrielle Baden in glücklicher Weise ergänze. Für das Handelsleben am Oberrhein ergebe die Zusammengehörigkeit der Länder links und rechts des Oberrheins die größten Entwicklungsmöglichkeiten. Am Oberrhein werde ein Wirtschaftsgebiet entstehen, das zu den ersten im Reich zählen werde.
Anschließend wurden die Schriftleiter von dem Leiter der Nebenstelle Elsaß der Wirtschaftskammer Baden, Herrn Präsidenten Wolff., in den Räumen der Handelskammer Straßburg begrüßt. Er zeichnete in kurzen Strichen ein Bild von der Einwirkung des Krieges auf Land, Volk und Wirtschaft im Elsaß und schilderte die Bemühungen der Verwaltung, durch Festlegung der Währung, Beschaffung von Kohlen und Rohstoffen, Rückführung von Maschinen, Entwicklung des Verkehrs und Austausch von Arbeitskräften die Wirtschaft wieder in Gang zu setzen.
Professor Dr. Bleicher, Kolmar , gab einen lehrreichen Überblick über die Entwicklungsgeschichte der elsässischen Wirtschaft seit dem Westfälischen Frieden bis in die jüngste Vergangenheit, wobei der Zusammenhang derselben mit dem oberrheinischen Wirtschaftsraum und die Schwierigkeiten, die sich aus ihrer Einbeziehung in das französische Wirtschaftsleben ergaben, aus den geschichtlichen Ergebnissen verdeutlicht wurden.
Einzelfragen . der Wirtschaft wurden ferner von Sachbearbeitern beim Chef der Zivilverwaltung, Finanz- und Wirtschaftsabteilung, besprochen, so von Herrn Oberregierungsrat Rheinboldt die Preisregelung, von Herrn Regierungsrat V owinkel die Lohnregeiung und von Herrn berregier.ungsrat Wolz das Problem des rbeitseinsatzes.
Nach dieser theoretischen Einführung in die Probleme, mit denen die elsässische Wirtschaft heute zu ringen hat, und Erörterung der Wege, die bei der Wiederaufbauarbeit eingeschlagen werden, folgte der praktische Teil der Studienreise, nämlich eine Fahrt durch das ganze Elsaß, die ein anschauliches Bild von dem Wirtschaftscharakter der einzelnen elsässischen Gebiete bot, wobei die Unterschiede zwischen dem Unterelsaß mit seinem vorwiegend agrarischen und dem Oberelsaß mit seinem mehr industriellen Charakter deutlich in Erscheinung traten. Die damit verbundene Besichtigung einzelner Unternehmungen gab einen lebendigen Ausblick auf die verschiedenen Zweige der industriellen Wirtschaft und ihrer Bedeutung für das gesamte Wirtschaftsleben im Elsaß .
Zunächst wurde eine kleine Rundfahrt durch Straßburg unternommen, bei der die Schönheiten des Straßburger Münsters und seiner näheren Umgebung lebhafte Bewunderung fanden. Daran schloß sich ein Besuch bei der Maschinenfabrik Grafenstaden, die in dem gleichnamigen Vorort von Straßburg gelegen ist. In den einzelnen Abteilungen, die in Betrieb waren, konnte der Lokomotiv- und Werkzeugmaschinenbau an verschiedenen Teilstücken gezeigt werden. Außerdem werden auch Eisenbahn- Signalanlagen, Winden, Pumpen, Waagen, Hebewerkzeuge, Kesselschmiedearbeiten u. dgl. hergestellt. Eine Reihe von Werkstätten wurde eben neu instandgesetzt, wobei eine nicht unerhebliche Aufräumungsarbeit zu leisten war. Herr Direktor Kuske gab die erforderlichen Erläuterungen und erzählte auch einiges aus der Geschichte des Werkes. Danach sieht die Grafenstadener Maschinenfabrik bereits auf eine längere Wirkungszeit zurück. Sie entstand im Jahre 1838 als Nachfolgerin der Firma Rolle u. Schwilgue in Straßburg , die sich als Herstellerin von Dezimalwaagen einen Namen gemacht hatte. Anfangs betrieb die Grafenstadener Fabrik hauptsächlich die Fabrikation von Waagen und Hebewerkzeugen. 1856'ging