Erhalten den 15. May 1820.
68
Cassel 4 Mai 1820.
Verehrter Freund,
Das Geschenk, welches Sie mir mit dem prächtigen Exemplar Ihres Liedersaals gemacht haben, freut und beschämt mich. Es mahnt mich an die Antwort die ich Ihnen auf eine im vorigen Iahr erhaltene, freundliche Zuschrift längst schuldig geblieben bin. Und ich hätte an die mir mitgetheilten Nachrichten so manche für mich wichtige Frage zu knüpfen gehabt! So ergeht einem, wenn man zu viel leisten will, freilich, immer in der guten Meinung, wo nicht multum, doch multa, so daß andere einmahl aus den fleißigen multis etwas beßeres machen könnten. Ich hatte meine Grammatik mitten unter dem Lernen von dergleichen Dingen etwas feurig und unordentlich geschrieben und drucken laßen; unter der Bearbeitung des zweiten Theils merkte ich, was dem ersten noch überall fehlt, prüfte von neuem und erfuhr Sachen, die ich vorher kaum geahnt hatte. Zum Glück vergriff sich die Auflage schnell und ich arbeitete eine neue völlig um, deren Druck eben beginnt und nach deren Beendigung erst der zweite Theil er- scheinen wird. Sie begreifen, in welche Maße von Excerpieren, Umschreiben, Nachschlagen mich das alles stürzt, wenn ich Ihnen gestehe, daß ich Bogen vor Bogen ohne Concept ausfertige und in die Preße schicke. In Ihrem Liedersaal habe ich blos blättern können, doch daraus gesehen, daß der Codex im Verlauf beßer wird, als es zu Anfang scheint, wie Sie selbst sagen. Der Gedanke des