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Beilage zum ProtofoN der 63. öffentlichen Sigung der zweiten Kammer vom 26. Nyril 1906.
Rericht
der
Schulkommiſſion der zweiten Kammer
über
die Petition deß Lundebverhandeß der hadiſchen Gewerhe— und gandwerterveveinigungen, die krrichtung gewerhlicher Fort— hildungsſchulen hetr. und die Petitien der handwerlzkammern in Freihurg, Karlzruhe, Kouſtanz und Mannheim , die Auzgeſtaltung deß gewerblichen Forthildunghunterrichtz hetr.
Erſtattet von dem Abgeordneten Dr. Heimburger.
Die Großh. Regierung hat dem vorigen Landtag einen Geſetzentwurf vorgelegt, der die Einrichtung und Ausgeſtaltung des kaufmänniſchen und gewerblichen Fort— bildungsunterrichts für das Großherzogtum einer einheit— lichen Regelung unterwarf. Dieſer Geſetzentwurf enthielt in§ 2 folgende Beſtimmung:
„Durch Beſchluß des Bezirksrats kann einer Ge- meinde die Verpflichtung auferlegt werden, eine gewerb— liche Fortbildungsſchule zu errichten und den Beſuch der— ſelben durch Ortsſtatut zu regeln.
In gleicher Weiſe kann eine Gemeinde, in der eine Gewerbeſchule, eine gewerbliche oder eine kaufmänniſche Fortbildungsſchule beſteht, auf Antrag einer benach⸗ barten Gemeinde, in der die Vorausſetzungen für die Errichtung einer ſolchen Schule nicht gegeben ſind, für verpflichtet erklärt werden, eine der Städteordnung unterſtehende Gemeinde indes nur nach vorheriger Zu— ſtimmung derſelben, die in der benachbarten Gemeinde beſchäftigten gewerblichen oder kaufmänniſchen Arbeiter zum Beſuche ihrer Schule zuzulaſſen.
Erwächſt einer zur Aufnahme von Schülern aus einer benachbarten Gemeinde verpflichteten Gemeinde hieraus ein erheblicher Mehraufwand, ſo kann auf An—
trag der letzteren Gemeinde die benachbarte Gemeinde verpflichtet werden, für die Unterhaltung der Schule einen angemeſſenen Beitrag zu leiſten. Bei der Be— meſſung dieſes Beitrags iſt die Zahl der Schüler, die die Schule aus den einzelnen Gemeinden beſuchen, und die Leiſtungsfähigkeit der beteiligten Gemeinden in Rückſicht zu ziehen. Gegen die Feſtſetzung des Bezirks— rats iſt Klage beim Verwaltungsgerichtshof zuläſſig.“ (Beilage zum Protokoll der 99. öffentlichen Sitzung der zweiten Kammer vom 14. Juni 1904, Druckſache R
Dieſer Paragraph wurde von der Schulkommiſſion geſtrichen und das Haus trat dieſem Beſchluß mit Mehrheit bei, während eine Minderheit für ſeine Wiederherſtellung eintrat. Zur Begründung des Striches führt der Kommiſ— ſionsbericht aus(Beilage zum Protokoll der 120. öffent— lichen Sitzung der zweiten Kammer vom 5. Juli 1904, Druğfağe Nr. 64a):
„Der erfte Mojak diefes Paragraphen will eine auperjt wichtige grundſätzliche Neuerung gegenüber dem bis— herigen geſetzlichen Zuſtand zur Durchführung bringen. Er will dem Bezirksrat das Recht verleihen, unter Um— ſtänden eine Gemeinde auch gegen ihren Willen zur Er— richtung einer gewerblichen Fortbildungsſchule zu zwin— gen, während bisher ein Zwang gegen eine Gemeinde zur Einführung eines über das Maß der einfachen Volksſchule und der allgemeinen Fortbildungsſchule hinausgehenden Unterrichts nicht zuläſſig war. Gegen die Einführung einer ſolchen, unter Umſtänden recht weittragenden Neuerung wurden denn auch in der Kom— miſſion lebhafte Bedenken erhoben und zugleich Zweifel geäußert, ob ein ſolcher Zwang überhaupt notwendig ſei, da die Erfahrung lehre, daß im Gegenteil die Ge— meinden meiſt recht gerne zur Einführung eines ſolchen Unterrichts ſchritten, wenn ſich ein wirkliches Bedürfnis danach zeige. Dieſe Zweifel ſuchten die Vertreter der Großh. Regierung dadurch zu entkräften, daß ſie an der Hand der Akten nachwieſen, daß wiederholt Gemeinden die Anregung zur Errichtung einer gewerblichen Fort— bildungsſchule zurückwieſen, zum Teil mit eigenartiger, von geringem ſozialem Verſtändnis zeugender Begrün— dung. Immerhin war die Zahl dieſer Fälle nicht ſo groß, daß die Kommiſſion daraus das Vorliegen erheb— licher Mißſtände glaubte entnehmen zu müſſen, zumal ſie auch nicht in der Lage war, nachzuprüfen, ob wirklich in allen angeführten Fällen— zehn an der Zahl— ein