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Beilage zum Protofole der 27. öffentlihen Sigung der 2. Rammer vom 3. Februar 1874.
Bericht der Budget-Kommiſſion
über
den Entwurf zum Budget der außerordentlichen Ausgaben der Jahre 1874 und 1875, den Neubau einer Centralſtrafanſtalt betr.
Erſtattet
von dem Abgeordneten Moder.
Das Bedürfniß der Erweiterung und Vergrößerung der Strafanſtalten im Großherzogthum Baden hat ſich ſchon früher, und zwar allen Ernſtes im Jahr 1870 kundgegeben.
In der Budgetperiode der Jahre 1870 und 71 wurde von Großherzoglicher Regierung für den Bau eines Kreisgefängniſſes die Summe von 355,000 fl. angefordert, und von den Ständen für die genannte Budgetperiode hieran 30,000 fl. bewilligt, wodurch die Unzulänglichkeit der Strafanſtalten im Lande von Seiten der Stände damals ſchon erkannt und die Anforderung Großh. Regierung, vorbehaltlich der nachträglich zu fertigenden und vorzulegenden Koſtenüberſchläge, als gerechtfertigt erklärt wurde. Die Bedürfnißfrage iſt ſomit ſchon in der Budgetperiode 1870/71 von Seiten der Stände bejaht, reſp. erledigt worden.
Seit jener Zeit aber haben ſich die ſozialen Verhältniſſe des Landes, wie dies aus der betr. Statiſtik er— hellt, leider eher verſchlimmert als gebeſſert, und wenn die Stände damals ſchon eine Erweiterung unſerer Straf— anſtalten als geboten erachteten, ſo erheiſcht, wie wir weiter darzuthun bemüht ſein werden, die Sachlage heute eine Vergrößerung um ſo dringender.
Das in Ausſicht ſtehende und mit dem 1. Januar 1872 ins Leben getretene Reichsſtrafgeſetz mußte aber dem bisherigen Plan der Erbauung eines Kreisgefängniſſes ein Ende machen, und zwar hauptſächlich deßhalb, weil das Reichsſtrafgeſetz die Freiheitsſtrafen in ganz anderer Weiſe normirt, als das früher beſtandene Straf—
geſetz und weil ſich dadurch die Zahl der zu Zuchthausſtrafe Verurtheilten, wie bereits erſichtlich, bedeutend mehren wird.
Nach den Beſtimmungen des früher geltenden Strafgeſetzes beſtanden folgende Arten von Freiheitsſtrafen:
a. Zuchthausſtrafe im Mindeſtbetrag von drei Jahren. b. Arbeitshausſtrafe in der Dauer von 6 Monaten bis 6 Jahren. c. Kreisgefängnißſtrafe in der Dauer von 4 Wochen bis zu 1 Jahr. d. Amtsgefängnißſtrafe im Höchſtbetrag von 8 Wochen. Dagegen ſtellt das neue Strafgeſetz folgende Strafarten feſt: a. Zuchthausſtrafe im Mindeſtbetrag von 1 Jahre. b. Gefängnißſtrafe im Höchſtbetrag von 5 Jahren. c. Haft im Höchſtbetrag von 6 Wochen.
Aus dem Umſtande, daß der Mindeſtbetrag der Zuchthausſtrafe von 8 Jahren auf 1 Jahr herabgeſetzt,
daß das neue Strafgeſetz die Kreisgefängnißſtrafen nicht mehr kennt und die Gefängnißſtrafen laut eben dieſem