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frettag, 16. Mal 1947
HEIMAT
KURIER
Nr. 39 / Seite 9
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Fischerhütte am Untersee
Die Schmelz feiert Johann Peter Hebel
Ueber 20 000 Basler besuchten da« Hebelfest
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Die neue Zeit
/ Idi gebe zu, daß 1dl mit der Zeit schon
Gauner auf Kriegsfuß stand, ich halte sie
für eine sehr flüchtige, um nicht Zusagen
leichtfertige Dame. Solange ich denken
kann, bin ich hinter ihr hergerannt. Das
ging in der Kleinkinderschule an und
wurde in der großen Lebensschule für Er¬
wachsene fortgesetzt. Ich gerate leicht mdt
dem Frühstück in die Mittagszeit und mit
dem Tee ins Nachtessen und es gibt ängst¬
liche Gemüter, die vermeiden, mich un¬
aufgefordert zu besuchen, weil sie nie er¬
raten können, wie ich mit der Zeit dran
bin.
Mit stillem Grauen erwarte ich darum
Jedes Jahr die Sommerzeit, die der so
rührend besorgte Vater Staat für seine
Kinderchen ausgetüftelt hat Wenn ich
richtig aufgezogen war, d. h., den Dreh
vom ersten Tage ohne Unfall weg hatte,
kam ich unter vielem Schnaufen jeden
Abend richtig an und um Mitternacht ins
Bett.
Aber nun kamen Leute auf die großar¬
tige Idee, die Zeit nicht nur um eine, son¬
dern um 2 Stunden vorzustellen. Wenn ich
jetzt aufstehe, strahlen die Sterne und
wenn ich zu Bett gehe, scheint die Sonne.
Ich dachte zuerst erschrocken, das läge
mal wieder an meiner verkehrten Zeit¬
einteilung, aber siehe da, es ging gottlob
auch anderen Leuten diesmal so. Mein
Nachbar klagt, daß er vor seinen Hühnern
schlafen geht, die das mit der Sommerzeit
nicht gelesen zu haben scheinen und guter
Dinge hoch herumspazieren, wenn er schon
in« Beil muß. Er weiß nicht recht, ob er das
Nachtessen am frühen Morgen, oder das
Frühstück am späten Abend gegessen hat
und sein Haushahn, der sonst alles tadel¬
los regierte, ist durch die ständigen Ruhe¬
störungen ganz mit den Nerven herunter
und muß entweder in eine Heilanstalt
oder in den Kochtopf.
Ich habe meinen Nachbarn edn wenig
ausgelacht. Ich fand, er übertrieb sehr;
aber dann sah ich einen andern Nachbarn,
der nachts um 12 Uhr Salat pflanzte und
seine Beete goß, während seine Frau Wä¬
sche hängte, die sie am Vormittag im
Mondschein gewaschen hatte.
Ich weiß nicht — ich weiß nicht — ir¬
gendwie gefällt mir das Ding nicht und ich
kann nur immer wieder sagen: Da hat
doch jemand dran gedreht — entschieden
zuviel dran gedreht! Mar6
Eine schreckliche Volksseuche
Hemmungslose Genußgier, Haltlosigkeit,
Leichtsinn, das schlechte Beispiel moder¬
ner Filme, schlechter Lektüre, die Nach¬
wirkungen von alkoholisierten Tanzlust¬
barkeiten in Stadt und Land und so viele
andere Gründe sind die Ursache von phy¬
sischen und psychischen Verfallserschei¬
nungen, von welchen weite Kreise unserer
Bevölkerung, leider auch der Jugend, be¬
fallen sind. Selbst Bildzeitschriften, deren
Bestreben es im allgemeinen ist, der Un¬
terhaltung zu dienen, sehen sich zu ern¬
sten Mahnungen genötigt. So stellt z. B.
die „Badische Jllustrierte ” fest, daß die
Geschlechtskrankheiten seit 1933—1946 so
bedenklich angestiegen seien, „daß man
bereits von einer Volksseuche sprechen
muß” und daß „die Syphilis, eine in
Deutschland selten gewordene Ge-
schlecäüskrankheit”, im Gefolge von Krieg
und Nachkriegszeit „eine schreckende Ver¬
breitung gefunden” habe und eine „drei¬
ßigfache Zunahme der Geschlechtskrank¬
heiten” zu verzeichnen wäre!
Trümmer im Grünen
Freiburg i. Br. In «atte« Grün ist die
Stadt gehüllt. Aber dieser duftige Schleier
kann trotz seiner malerischen Pracht die
wunden Stellen nicht verbergen. Die
Trümmer der Stadt können nur dann be¬
seitigt werden, wenn alle Hand anlegen,
die dazu fähig und guten Willens sind.
Ein vor kurzem in der Freiburger Uni¬
versität abgehaltener Diskussionsabend
hatte gerade den Fragenkomplex Aufbau
sum Gegenstand. Allzuviel scheint dabei
tro’-z aller Heftigkeit, die dabei zutage
trat, nicht herausgekommen zu sein. Al¬
lerseits wurde zwar ausdrücklich betont,
TfcS der „Aufbau — Problem Nr. 1” Ist
und bleibt Oberbürgermeister Dr. Hoff-
mann konnte erfreulicherweise auch noch
verschiedene Verbesserungen der Arbeits¬
bedingungen (Schuhe, Kleidung, Verpfle-
|ung) in Aussicht stellen, das allein wird
aber trotzdem nicht genügen. Das hat die
bisherige Erfahrung ausreichend bewie¬
sen. *
Wenn nun auf Grund der Badischen
Getneindeordnung vom 31. 3. 47 der Frei¬
burger Stadtrat eine Gemeindesatzung er¬
lassen hat, um dadurch alle männlichen
Personen zwischen 16 und 60 Jahren und
alle weiblichen Personen zwischen 16 und
45 Jahren zur Trümmerbeseitigung und
Kr den Wiederaufbau zu verpflichten,
wird das Problem in ein völlig neues Licht
(Brückt Die Frage der Freiwilligkeit
dürfte damit hoffentlich eine dem Ge¬
meinwohl entsprechende Klärung gefun¬
den haben. Danach kann nun jeder, wenn
•eine Dienstpflicht nicht erfüllt, mit einer
Geldstrafe belegt werden. Es ist bedauer¬
lich, daß nur durch eine gesetzliche Ver¬
ankerung das Pflichtgefühl wachgerüttelt
»erden konnte.
Aber es geht anscheinend doch noch an¬
ders. Das haben die katholischen Jung-
tnänner der Stadt bewiesen, als sie jüngst
einen Tag lang freiwillig bei der Trüm¬
merbeseitigung geschafft haben, und
ihnen haben sich nun auch der Freiburger
Stadtrat mit dem Oberbürgermeister an
der Spitze und Mitglieder der Ministerien
^geschlossen.
Wie schwer es heute ist, die gesteckten
Ziele zu erreichen, wird allein durch die
Tatsache erläutert, daß Freiburg nach der
neuesten Regelung nur noch 27 000 Back¬
heine im Monat zugeteilt bekommt. Da
muß man eben aus den Trümmern Back-
*tej ne herausschaffen, wie dies nunmehr
durch bereits verpflichtete Arbeiter von
auswärts geschieht. Die Hälfte der Back¬
haine wird diesen allerdings für den
Wiederaufbau ihrer Wohnungen und Oe-
konomiegebäude auf dem Lande zur Ver¬
fügung gestellt. Einer hilft so dem andern.
Wenn das so ist, oder wenn es so weit
kömmt, dann haben wir keine Bange, daß
**, wenn auch nur langsam, doch gelingen
»ird, in den kommenden Monaten ein
Iroßes Stück Arbeit zu leisten, denn un¬
aufhörlich dampft der „Schutt-Expreß”
mrd hoffentlich regen sich recht viele
fleißige Hände, um das alte, schöne Frei-
="Urg bald wieder erstehen zu lassen. Joso.
Die Wiederaufb auarbelt in Freiburg
Obdachlosen viel Gutes gewirkt. Ebenso
86. Geburtstag
der Fürstin Irma von Fürstenberg
4 Am 19. Mai feiert die Fürstin Irma
Fürstenberg auf Schloß Heiligenberg
Kren 80. Geburtstag. Sie entstammt dem
hiemaligen reichsunmittelbaren österrei-
Klschen Geschlecht der Grafen von Schön-
Jpm-Buchhei'm, aus dem bekannte Kir-
Kenfürsten und Baumeister hervorgegan-
sind, u. a. Graf Damian von Sehön-
, der Erbauer des Rokoko-Schlosses in
ichsal und der Residenz in Würzburg,
bat in den vergangenen Jahren im
en viel Not gelindert und immer ge-
fen, wo es galt zu helfen. Anläßlich des
Brandes in Donaueschingen im
■t 1906 hat das Fürstenpaar für die
hat sich das Fürstenpaar um das Schick¬
sal Donaueschingens immer besonders an¬
genommen und mit den damaligen Bür¬
germeistern Schön und Fischer viel für
die Entwicklung Donaueschingens als Kur-
und Fremdenstadt getan. Es lag dem Für¬
stenhaus am Herzen, in Donaueschingen
ein Kulturzentrum zu schaffen. Möge der
Fürstin ein gesegneter Lebensabend be-
schleden sein.
Die verlockende Grenze
ra. Vor dem Militärgericht in Singen
batten sich 44 Männer, 9 Frauen und 6 Ju¬
gendliche wegen Ueberschreitung der
Schweizer Grenze zu verantworten. Inden
meisten Fällen waren die Grenzgänger
von der Schweizer Fremdenpolizei erwischt
und wieder ins Badische zurückbefördert
worden. 36 der Angeklagten erhielten Ge¬
fängnisstrafen über drei Monate, die üb¬
rigen kamen mit geringeren Gefängnis¬
oder Geldstrafen davon, zwei wurden frei-
gesprochen. Wegen unerlaubter Ueber¬
schreitung der Zonengrenze verurteilte das
Militärgericht Singen 29 männliche und 8
weibliche Angeklagte und einen Jugend¬
lichen. Es gab mehrwöchige Gefängnisstra¬
fen und Geldstrafen bis zu 200 Mark.
Einweihung der Synchronisieranstalt
Teningen
F r e i b u r cj. Administrateur Genäral Laffon
in Begleitung des Delegue Superieur für
Baden, Pene, hat am Samstag in Teningen
bei Freiburg die Film-Studios eingeweiht.
Anläßlich dieses Besuches wurde die Syn¬
chronisation eines Filmes vorgeführt, um
zu zeigen, welch hohen Grad die Nach¬
synchronisierung heute erreicht hat. Ad-
mnistrateur General Laffon dankt all
denen, die ihren Teil zum Gelingen des
Werkes beigetragen haben, das dem Film
in Baden große wirtschaftliche Möglich¬
keiten bietet.
Staatslotterie iür Südbaden und Süd-
Württemberg
Baden-Baden. Eine neue Staatelot¬
terie für Südbaden und Südwürttemberg ist
in Vorbereitung. Die Loa« werden dem¬
nächst ausgegeben.
Chronik des Beacbtals
Ofoerkirch. Bei der Gründungsversamm¬
lung der Stadtkapelle wurde Josef Hilden¬
brand zum 1. Vorstand gewählt, zum 2.
Vorstand Wilhelm Boschert. zum Dirigen¬
ten Emilio Rosa. — Gut besucht war der
von Staatsschauspieler Mehner und seiner
Spielgruppe veranstaltete „Bunte Abend“
in Oppenau. — In Renchen fand die 2. öf¬
fentliche Gemeinderatssitzung statt. — Mit
der Reichsbahn wird ein Vertrag wegen
Instandsetzung des Bahnhofgeländes abge¬
schlossen.
Neuer Präsident der nordbadlsdien Finanz¬
verwaltung
Karlsruhe. Ob.-Reg.-Rat Dr. Otto
Nikolaue, bisher Finanzvorsteher in
Nürnberg, wurde vom Finanzminister Dis
Köhler zum Präsidenten des Landesfinanz¬
amtes Karlsruhe bestellt. Finanzpräsident
Dr. Nikolaus ist ein Sohn der Gemeinde
Weingarten. Er wurde am 19. November
1898 geboren.
Verhehrenachrlchten aue ßaöen
Reise beschränkungen
Die Schmeifcüge DFA 753 / DFA 754 Konstanz
— Saarbrücken und zurück dürfen nach einer
neuen Anordnung der tranzöischexi Aufsichtsbe¬
hörde von deutschen Reisenden nur zwischen
Konstanz und Rastatt benutzt werden. Hiernach
könnten für den Zug DFA 753 ZiviCredaende nur
b» Rastatt und für dien Zug DFA 754 nur von
Rastatt zugedeseen werden. Das Zulassungskon-
tingient des Bahnhofs Karlsruhe geht an den
Bahnhof Rastatt über. Zur Betastungsvermln-
derurag der Züge werden zudem Wagen verwen¬
det mit geringerer PSatzzaäit Die Platzkontin-
gente der einzelnen Bahnhöfe wenden dadurch
verringert.
Schnell- und Eilzfige ohne Beschränkung
FD 276 Hamburg — Karlsruhe — Basei. Für
diesen Zug sind außer den SchneCizugazuschilägen
die besonderen Zuschläge für FetmschneCCzüge zu
bezahlen. D 121 / D 130 Lindau — Offeniburg
und zurücks D 269 / D.270 Freiiburg — Karls¬
ruhe — Dortmund und Zurücks D 809 Baden-Ba¬
den — Frankfurt (M) nur Di, Do, Sai DFA 751
/ DFA 752 Baden-Baden — Frankfurt (M) — Ber¬
lin und zurück (nur So, Mo, Mi, Fr)i E 148 / E 149
Freiiburg — Mülhausen und zurück: E 211 / E 212
Offenbuig — Karlsruhe und zurüdki E 216 / E 217
Karlsruhe — Offanbuirg und Zurücks E 221 / E 230
Konstanz — Radolfzell und zuirüdc; E 261 / E 370
Konstanz — Radoifzeffi and zurücks E 306 / E 307
Karlsruhe — Basel und zurück. Im E 306 lauft
ein Wagen Karlsruhe Hbf — Undau Hbf, der ln
Offeniburg auf den D 170 übergeht. Dieser Wa¬
gen ist nur mit besonderer Zulassung zum D 170
und nur mit Fahrausweisen mindestens bis Vjl-
limgen benützbar.
Schnellzüge mit beschränkter Zulassung
FD 275 Basel — Karlsruhe — Hamburg. Für
diesen Zug sind neben den SchneCzugzuedilägem
die besonderen Zuschläge für FemschneHIzügie zu
bezahlen. Dieser Zug ist für Reisende nur bis
Karlsruhe unbeschränkt benutzbar. Die Zulassun¬
gen gelten nur für Reisen über Karlsruhe hin¬
aus. D 161 / D 170 Innsbruck — Undeu — Of-
fenbuiig - (Paris) und zuriidci DFA 753 / DFA 754
Konstanz. — Karlsruhe — (Saarbrücken) und zu¬
rück, nur bis bzw. von Rastatt. Zulassungen
werden in erster Linie an Reisende ausgegeben,
die dringend dienstlich oder geschäftlich reisen
müssen und dies durch Vorlage glaubhafter Un¬
terlagen belegen können. Der Zugang zu den
kontingentierten Zügen und die Fohrtausweisprü-
fung wird streng überwacht. Reisende, die unbe¬
rechtigt in diesen Zügen angetroffen werden, sind
als Reisende ohne gültigen Fahrtausweis zu be¬
handeln und wenden vom nächsten Halitebahnhof
an von der Weitetfatat ausgeschlossen.
L ö r r a ch. Hebedtag, Festtag für Stadt-
und Landkreis Lörrach. Fahnen, Blumen,
Menschen. Frühlingssonnentag. Das waren
die Zeichen dieses Festtages, der aus dem
Wiesental, aus dem Rebland am Rhein
und vor allem aus dem Baselbiet tausende
fröhlich gestimmter Menschen nach Lör¬
rach lockte. Die verflossene Woche war
überreiche Arbeit an den Vorbereitungen
zu diesem Fest des Geburtstages des Hei¬
matdichters. Sein Park, in dessen Mitte
sein Standbild prangt, erscheint in neuem
Schmuck. Schaufenster zeigen in vielen
Variationen sein Bild, seine Bücher, mit
viel Liebe und Geschmack geschmückt
Nach dem Gedenkgottesdienst, den Pfarrer
Dr. S. Dieterle von St. Johann in Basel
hielt, war das Hauptmoment der riesige
Festzug, der sich in den Nachmittagsstun¬
den durch die Stadt bewegte. Die Wagen
aus den verschiedenen Dörfern, die Sinn¬
bilder aus Hebels Schaffen zeigten, die
schönen Trachtengruppen, all die blumen¬
tragenden Kinder im Takte der Musik ver¬
schiedener Kapellen marschierend, fanden
reichen Beifall bei den zahlreichen Zu¬
schauern. Und anschließend fröhliches Ge¬
triebe ln der Festhalle bei Musik und
Tanz. Wohl selten hat Lörrach nicht nur
soviel fröhliche Menschen, sondern auch
glücklich bewegte Menschen gesehen als
an diesem Tage. Kamen doch die Schwei¬
zer zum größten Teil, um nach Jahren
sich hier mit Verwandten und Bekannten
ein Rendez-vous zu geben und ihre lieben
Gaben mitzubringen. Unschätzbar sind die
Zahlen der Liebesgaben, die an Hebels
Ehrentage über die Grenze flössen und in
diesem Sinne hat das Fest wohl seine
tiefste Bedeutung erhalten, daß es viele
Menschen wieder einander näher gebracht,
viele Wogen geglättet und manches Herz
in schweren, leidvollen Tagen Trost und
neue Hoffnung gebracht hat. Die Zahl der
schweizerischen Besucher wird auf 23 000
geschätzt.
Aber nicht nur ln Lörrach und ln Hausen i. W.
feierte man den Hebeltag, auch lm schweize¬
rischen Basel, denn der grumdgüttge Dichtenpfar-
rer gehörte eben den Baselern und den Badenern.
Und doch wer die Hauptfeier im Badischen, in
Lörrach wohin rund 20 000 Baseler gekommen
waren. Der gesunde und unverbildete Menschen¬
verstand hat den krankhaft übersteigerten Na¬
tionalismus in die staubige Ecke hinter den
Schreibtisch verwiesen Und obwohl ihnen die
ungekünstelte und verzeihende Heiterkeit, des
alemannischen Mundartdichters gerade heute zu
Herzen spricht, sind die Baseler nicht bloß um
Hebel zu federn nach Lörrach gekommen, sondern
um ailte Bekannte seit vielen Jahren wieder sehen
und sprechen zu können, und ihnen etwas zum
Essen zu bringen. So nimm* es kein Wunder,
wenn denn an den Vortagen des Hebel-Festes
die unübersehbare Zahl von Anfragen an die
Baseler Zolldtrektion sich darum drehte, ob man
auch Matratzen oder Kinderwagen miimehmen
kanm, während andere Fragesteller wissen woll¬
ten, ob man auch Schulsüdce, oder statt Lebens¬
mittel Schuhwichse und Nähzeug oder gar einen
halben Kuchikasten voll Hausrat und Eßgeschirre
über die Grenze schleppen dürfe Eine Hiebei-
Festbesucfaerdn wollte sogar wissen, ob die Mit¬
nahme ihres Hundes gestattet sei — ihre Ver¬
wandten in Lörrach hätten ihn noch nie gesehen!
All diese vielen sinnigen und unsinnigen An¬
fragen haben die Telefonistin bei der Baseler
Zollverwaltung zu dem Stoßseufzer veranlaßt:
„Wenn mumme dr Johann Peter Hebel nt»
gstorbe würl"
Nettheiten aus ßa0en*ßaöen
Baden-Baden Die zweite öffentliche
Stadtratssitzung brachte einiges zur Kennt¬
nis, das auch außerhalb der Zonenzentrale
interessieren dürfte. So droht die Entna*
Zitierung in die Stadtverwaltung mit
verheerenden Folgen einzugreifen. 60 Mit¬
arbeiter, erklärte Oberbürgermeister Dr.
Schlapper, sind durch Entlassung bedroht,
doch hoffe man in etwa zwei Dritteln der
Fälle eine günstige Revision erreichen zu
können. Zur Zeit sind nicht weniger als acht
Dienststellen ohne Leiter
Die seit Jahren fällige Erweiterung des
Krankenhauses wird nunmehr einer
Lösung zugeführt werden — angesichts der
heutigen Baden-Badener Raumnot ein er¬
freuliches Paradox! Durch das dankbar zu
begrüßende Entgegenkommen der Militär¬
regierung kann das Hotel Runkewitz in der
Lichtentaler-AUee übernommen und mit 100
Betten als Krankenhaus ausgebaut werden.
Das Objekt kostet insgesamt 360 000 M.,
wovon — Zeichen der Zeit! — 100 000 M.
wertbeständig sein müssen.
Von uns aus gefehen...
Lieber Pisette 1 Sind Sie sehr böse, daß
ich Sie mit Ihrem alten Spitznamen an-
rede? Oder lächeln Sie jetzt? Ich weiß
nicht einmal, ob ich ihn richtig geschrie¬
ben habe, diesen Namen, den Ihnen die
andern Jungen gaben. Ich weiß nur, daß
er mit einem Schlag die ganze Pensionats¬
zeit, die gute „Vorkriegszeit" hervor¬
zaubert und natürlich Sie selbst, den jun¬
gen, siebzehnjährigen Genfer mit den
veilchenblauen Augen, der bei uns Deutsch
lernen sollte und für den ich aus ganzem
Herzen schwärmte (denn ich war damals
ein kurzbezopfter, vierzehnjähriger Back¬
fisch). Wissen Sie es noch ? Wissen Sie
noch, wie Sie immer so köstlich auf der
Nase zu schwitzen begannen, wenn es Ra¬
dieschen mit Butter und Käse gab ? Und
wissen Sie noch, wie Gahafu (er hieß
eigentlich „Jose“ und war ein Spanier)
Sie immer auslachte, wenn Sie „Ich küsse
Ihre Hand, Madame..sangen ?
Ach, sicher wissen Sie noch 1 Wie könn¬
ten Sie uns jetzt nach so vielen Jahren
einen so reizvoll radebrechenden Brief
schreiben 1 Wir sind so klein und häßlich
geworden vor der Welt Wir haben nur
Schuld und Hunger und — Sie schreiben
uns einen Brief, der nur von Zuneigung
und Dankbarkeit spricht 1 Einen Brief in
Deutsch !
Ich werde den Augenblick nicht ver¬
gessen, da Vater Jhren Brief vor der ver¬
sammelten Familie vorlas. An einer Stelle
hieß es da : „... und ich hab’ lassen schik-
ken fort ein Paket mit guter Dinge.“ Mit
guter Dinge! Oh, Pisette, an dieser Stelle
machte Vater damals eine lange Pause.
Und wir fühlten uns alle wie Kinder am
Weihnachtstag, wenn das Glöckchen klin¬
gelt.
Am 6. Januar hatten Sie das Paket auf¬
gegeben und am 26. März ist es gekom¬
men. Erst am 28. März. Können Sie sich
vorstellen, was wir dazwischen durchge-
Brief an die Schweiz — Dank über die Grenzen
macht haben ? Einen Monat lang haben
wir uns täglich gefreut, einen Monat lang
haben wir täglich gezweifeit, einen Monat
lang haben wir täglich verzichtet: „Es ist
gestohlen worden, sicher ist es gestohlen,
oh, solche Dinge werden doch immer ge¬
klaut ...“ Und nach drei Monaten kommt
plötzlich jene wunderbare Karte: ,Jim
Paket aus der Schweiz ist da und da ab¬
zuholen ...“
Vater brachte das saubere Holzkistchen.
Sicher kam er sich wie der „Onkel aus
Amerika“ vor (in der Neuzeit wird es bald
einen „Onkel in der Schweiz“ geben 1),
als er es mit großartigem Schwung und
doch sehr behutsam auf den Tisch legte.
Viele Hände nestelten sofort an dem fei¬
nen Draht, der das Kistchen zusammen¬
hielt. Aber Vater holte die Flachzange
und drehte ihn mit feierlicher Ruhe auf
(denn sehen Sie Pisette, auch so einen
hübschen dünnen Draht kann man in
Deutschland braudien 1). Als er den Dek-
kel hob, rührte sich keines. Es war ganz
gewiß eine richtige Andacht. Auch die
kleine Beate spürte es. Sie sah aue wie
erschrocken.
Sie wissen doch, Pisette, daß Vater
immer nach einem „inneren Plan“ han¬
delt Und so wollte er jetzt auch den In¬
halt schön „der Reihe nach“, wie er auf
dem gedruckten Zettelchen stand, aus¬
räumen. Aber da kamen plötzlich wieder
alle Hände und jedes packte etwas und
schrie etwas und Vater war gar nicht
mehr wichtig mit seinem Zettel. Die
Kakao-Büchse haben wir gleich aufge¬
macht. Jedes durfte mit ganz spitzer
Zunge einen Millimeter tief versuchen und
Beate durfte zweimal. Mutter hat das
Päckchen Fett genommen und sagte nun
in regelmäßigen Abständen : „Palmin, das
ist richtiges Palmin“, und sie sagte es so
wie andere Menschen sagen, „da kommt
der Herr Pfarrer“.
Da sitze ich nun, trinke eine Tasse von
Ihrem wunderbaren Bohnenkaffee und
eine Ihrer festgedrehten, schlanken „Mar-
vels" macht mir „einen blauen Dunst vor",
während ich den Brief beende. Ich möchte
schreiben: ,3s lebe die Jugendzeit 1 Es
lebe die Großherzigkeit 1 Es lebe die
Schweiz!“ Aber das ist geschmacklos. Es
bleibt mir nur übrig, mich ganz armselig
zu fühlen und Ihnen zu sagen: „Wir
danken Ihnen, Pisette, wir danken Ihnen
sehr! Ihre ,hali“.
Hebel urtö feine Mutter
In einem Dankschreiben an einen seiner Schü¬
ler. der ihm eine Zeichnung gesandt hatte, die
das elterliche Hans in Hausen zeigt und dane¬
ben einen Teü des damaligen Schulhauses,
schrieb Hebei dem Spender zurück: „Beide Stät¬
ten sind mir heilig, wo zwei Menschen wohn¬
ten, meine Mutter und mein Sdvutoedstei
Andreas Grether, die so viel an mir taten, de¬
nen kh so vieles verdanke." Hebel hatte früh
seinen Vater verloren und auch das Schwester¬
chen folgte dem Vater bald im Tode nach, sodeß
der Buh allein mit seiner Mutter war. Die Mut¬
ter (der Vater war ein Franke) vererbte ihm
das alemannische Gemüt, das Beschauliche und
Sinnige. Allzufrüh mußte der kleine Johann
Peter von seiner geliebten Mutter Abschied neh¬
men. So wie Hebei in der „Vergänglichkeit" sei¬
ner Mutter ein ewiges Denkmal gesetzt hat, so
gedenkt er ihrer in manchen andere seiner ale¬
mannischen Gedichte. Wie köstlich ist doch die
kleine Szene zwischen Mutter und Kind im
„Mann im Mond":
„Lueg, Muetterli, was isch im Mo?"
„He siehisch's denn nit: e Ma!"
„Jo wegerfi, 1 sieh ne sdK>.
Br het e Tschöbti a!"
Alles atmet bei Hebel Heiroatluflt, auch Sonne,
Mond und Sterne, die ganze Natur Ist belebt.
Im „Abendstem", der zu seiner Mutter, der
Sonne, spricht, heißt es:
„O MuetteT lueg doch au,
do umte glänzt's im Morgetau
so schön wie in dym HimmietosaalJ"
„He, sait si. drum isch's Wiesetal!" -ü
Au« dem Bericht über die Ernährungs¬
lage wird Interessieren, daß man hofft, in
diesem Jahr die Gemüsevereorgung besser
zu gestalten, obwohl die Gärtner das dop¬
pelte Kontingent von 1946, nämlich 5000 Ztr.,
erfüllen müssen. Es soll nun der Kreis Bühl
zur Belieferung mit herangezogen werden.
An Kartoffeln wurden pro Kopf 70—80 kg
verteilt — eine etwas theoretische Zahl für
die etwa 1000 Personen, die nur einen Zent¬
ner erhielten
Die 100 Holzhäuser sollen in diesem
Sommer noch zur Aufstellung kommen,
wenn es gelingt, 4000 Mann auf je drei Tage
für den Ehrendienst und die entsprechenden
Fachkräfte zu organisieren. Schlimme Aus¬
sichten für den nächsten Winter eröffnet«
die Mitteilung des Oberbürgermeisters, wo¬
nach Baden-Baden aus seinen Waldungen
80000 fm Holz darunter 10 000 an Hol¬
land, liefern müsse was zu starken Ein¬
schränkungen in der Brennstoffversorgung
für die Bevölkerung führen wird.
Interessante Zahlen brachte auch der Be¬
richt des Wirtschaftsamtes. So wur¬
den 1946 ausgegeben: in Textilien 0,6, in
Lederschuhen 2,5 und an Benzin 2 v. H. des
normalen Bedarfs — aber nicht an Normal¬
verbraucher. Und das mit den Textilien
wäre auch nicht möglich gewesen, wenn
nicht ein Lager mit 1500 Stüde Textilware
unvermutet — für den Besitzer! — entdeckt
worden wäre ...
Um noch mit etwas Erfreulichem zu schlie¬
ßen, das vor allem die Leser interessieren
wird, die Baden-Baden aufsuchen müssen:
der Caritasverband hat mit Unterstützung
der Stadtverwaltung in Baden-Oos im
alten Rathaus ein Uebernachtungs-
heim mit zwanzig Betten eingerichtet. Die
Benutzung ist allen Durchreisenden kosten¬
los gestattet. Rr.
Oer Sööroeftfunh fenöet:
Samstag: 18.30 bis 18.45 Die Hörer und war?
20.15—21.15 „Anno 1900": 21.15—21.45 Sn regne*
Noteni 22.15—23.45 Der SWF bdttei zum Tanz.
Sonntag: 8.50—9.30 Kath. Morgenfeier; 9J0 bta
10.30 Das Unzerstörbare: 10.30—11.15 Evang.
Morgenfeter: 11.15—11.30 Religiöse Musiki 15.30
Ms 16.15 Freiburg: Stimme der Heimat: 16.15 Ws
17.00 Wir erfüllen Hörerwünsche i 17.00—17.50
Mucükatescbe Teestunde: 17.50—18.00 Brest Wie-
chert — Der Mensch und Dadüier zu seinem 60.
Geburtstag 1 18.00—19.00 Aus der Weit des- Ope¬
rette: 20.35—22.30 Konzen des Großen Orche¬
sters des SWF.
Montag: 20.15—21.10 Musikalisches Rendez¬
vous: 21.10—21.15 „Einkehr bei Goethe": 21.15
bis 21.45 Der SWF stellt vor: Wffly Fiel, Kavier.
Dienstag; 19.15—19.30 Uhr Prof. Heinwith von
Glarenapp: Kultuipoütische FroMeme des neuen
Indien: 20.30—21.30 „Funfcbrettt 1947": 21.30 bta
21.45 Lieder von Franz Schubert; 22.15—22 45
„Wir blenden auf!".
Mittwoch: 20.15—21.00 „Das Prisma", Werke
von Haydn, Gretry, Weber: 21.00—21.45 Musik
für Dich.
An Sonntagabend Symphonie-Konzerte
Die Symphonie-Konzerte des Grofien Orchesters
des „Südwestfunk", che bisher jeden Sountag-
Nachmattag vom Großen KuihaussooJ in Baden-
Baden übertragen wurden, sind auf Grund zahl¬
reicher Hörerwünsche nunmehr auf Sonntag-
Abend verlegt worden. Sie werden jeden Sonn¬
tag von 20.30 bis 22 J0 Uhr von affen Sendern des
„Südwestfunk" übernommen.