Dienstag, 3. Juni 1947
HEIMAT
KURIER
B
Nr. 44 / Seite 3
ßaöifdie
Lanöeechronlh
‘ Unfcr Walö .
„Ich wünsche Ihnen noch einige Tage
friedlicher Beschaulichkeit zum Nachsinnen
in der Stille des deutschen Waldes..." So
Romain Rolland aus Parts an Malvida von
Meyesnbug am 21. Juli 1890. Wenn von den
Tugenden der Deutschen die Rede ist, rühmt
man im m er auch ihre Waldverbundenheit
und ihre Freude am Wald.
Ist diese Freude am Wald wirklich ein
Gemeingut im Reich der Gefühle unseres
Volkes? Ledder wird man gar nicht so selten
daran irre. Vor allem in den Jahren, in de¬
nen angekündigt wurde, „Deutschland werde
schöner" oder gar „sei schöner geworden",
erfuhr die Ehrfurcht vor unseren Wäldern
geradezu katastrophal* Einbuße. Wie viele
Rastbänke wurden mutwillig zerstört, wie
viele Wegweiser henmtergerissen, Markie¬
rungen entfernt! Man möchte oft meinen,
ganze Horden von Lausbuben seien planmä¬
ßig am Werk gewesen. Auch ein sonst ru¬
higes, beherrschtes Gemüt wird da von
Grimm erfaßt. Beim derzeitigen Material¬
mangel werden Jahre vergehen, bis die
Spuren dieser Zerstörungen einigermaßen
verschwunden sein werden. Immerhin,
Ueberreste zertrümmerter Raststätten lassen
sich wegräumen, damit trübselig stimmende
„Ruinen" den Wanderer nicht ärgern. Vor
allem aber ist es erforderlich, die heran-
wachsende Jugend in Elternhaus und Schule
so zu erziehen, daß sie künftig nicht auf
den Gedanken kommt an Bänken und Weg¬
weisern vandalische Gelüste zu stillen.
Heute meht denn je und für lange Zeit wird
der deutsche Wald die einzige Stätte für
Urlaub und Erholung sein. Wer „die Stille
des deutschen Waldes" verletzt, macht sich
mit schuldig, an den letzten kostbaren Re¬
efen innigen Zaubers heimischer Land¬
schaft zu freveln.
Juni
Aue dem Blütenmeer des Mai übernimmt
der Juni die jungen, zarten Fruchtansätze
und läßt sie unter den Strahlen der Sonne
sich runden und färben. Die Sonnenschein¬
dauer, seit dem 21. Dezember, den dunkel¬
sten Tag des Jahreskreislaufs, ständig zu¬
nehmend, erreicht am 22. Juni mit fast 17
Stunden ihren Höhepunkt. Beinahe senk¬
recht steht das Tagesgestim mittags
über uns. Früh morgens, spät abend6,
immer leuchtet der Himmel, selbst um
Mitternacht weicht das Licht nicht völlig
dem Dunkel. Zwar ist der Juni der hellste
und an Sonnenscheindauer reichste Monat
des Jahres, aber er bringt noch nicht die
höchste Wärme, sie bleibt dem Juli Vorbe¬
halten. Gegen Mitte des Monats öffnet
häufig der Himmel 6eine Schleusen für ei¬
nige Tage, Juniregen und Schafskälte treten
ein, von Bauern und Gärtnern dankbar be¬
grüßt, da der Boden für die kommende
Wärme- und Reifeperiode Feuchtigkeitsvor¬
räte nötig bat.
Cm die 320 Gramm Fett
a Die „Badische Zeitung” in Freiburg
schreibt u. a.: „Man erinnert sich, daß En¬
de April in offizieller Form die Erhöhung
der Fettration von 200 auf 320 Gramm
monatlich angekündigt wurde, mit dem
Hinzufügen, die erhöhte Ration werde be¬
reits im Laufe des Monats Mai verteilt.
Tatsächlich sind bis jetzt nur fünfzig
Gramm Fett im Monat Mai aufgerufen
worden, und da auch heute noch keine An¬
gabe über weitere Zuteilunged gemacht
werden konnte, ist zu befürchten, daß der
Monat ohne weitere Fettausgabe zu Ende
gehen werde. Wenn man das Geheimnis
beiseite läßt, wie die Verbraucher, die sich
auf die amtliche Ankündigung verlassen
haben, ihr Leben bestreiten sollen, darf
wohl gesagt werden, daß der ganze Sach¬
verhalt auch nach der politischen Seite
hin sehr zu bedauern ist. Denn Erfahrun¬
gen dieser Art können, wenn kein Wort
der Erklärung hinzugefügt wird, keine an¬
dere Folge haben, als das Vertrauen der
Bevölkerung in den Emst amtlicher An¬
kündigungen zu erschüttern.“
Vom Gutehof zur Staöt
Aus der Geschichte von Villingen
Im Jahr 999 erteilte der Kaiser Otto
III. dem Grafen Berthold von Zähringen
das Marktrecht auf seinem Gut Villingen.
Das war vermutlich sehr gut gemeint;
aber ebenso vermutlich hatte der neue
Marktherr mit seinem neuen Gutsunter¬
nehmen wenig Erfolg, denn er beschloß,
für seinen Markt lieber drüben über der
Brigach eine Stadt zu bauen, Das ging
sozusagen in einem, denn soeben hatte
der Graf Berthold die Stadt Freiburg zu
bauen angefangen — da nahm man ein¬
fach die Freiburger Baupläne und
fibertrug sie auf die Baar. Es ging dort
sogar noch besser, denn da war alles schön
eben, und so konnte man die zwei sich
kreuzenden breiten Straßenzüge anlegen,
die kleineren Gassen dazwischen säuber¬
lich verteilen, Markt und Münster wur¬
den, wie z ’Friburg in der Stadt, ebenfalls
etwas abseits der Kreuzung angelegt —
und auch in den Villinger Straßen flössen
die Wässerlein, nur daß sie von der Brig¬
ach und nicht von der Dreisam gespeist
wurden. Noch deutlicher ist die Ueberein-
stimmung zwischen den Geschwistern in
den Rechtsbestimmungen der beiden jun¬
gen Städte.
Aber eines war freilich für die Villin¬
ger schwierig. Sie waren eine Stadt und
hatten ihr Marktrecht — aber sie hatten
keinen Grund und Boden, keine Aecker
und Allmende. So kauften sie im Laufe
der Zeit allmählich alles Land, ja, ganze
Dörfer und Güter ringsherum auf. Es
vollzog sich einer der merkwürdigsten
Fälle der rückgängigen Wirtschaftsbewe¬
gung, die während jener Zeit den vorher
rasch besiedelten Schwarzwald ergriff.
Den Villingem ging es dabei vor allem
um Weideland für ihre vielen Schafe, und
Schafe hatten sie, weil sie Wolle brauch¬
ten, denn die Villinger Wollen¬
weberei war eine wichtige und ein¬
trägliche Sache geworden. So kam es, daß
im 13. Jahrhundert kaum eine andere
deutsche Stadt so viel Gebiet ihr eigen
nennen konnte wie die Stadt auf der Baar
— aber das merkwürdige war: Während
fast jeder Flecken sonst allerlei Gerecht¬
same auf seinem Grund und Boden besaß,
war das Villinger Stadtgebiet rein privat¬
rechtlicher Besitz. Die Hoheit hatten die
Herren.
Also ging der Kampf der Villinger nun
gegen die Rechte der Herrschaften, zumal
der Fürstenberger. Und diese alten Vil¬
linger Bürger erreichten im Laufe der
Zeit manche Rechte. Es hat im Mittelalter
da und dort auch schon Demokraten
gegeben: und die Villinger gehörten dazu.
Sie waren auch sonst moderne Leute in
ihrer Zeit. So war Villingen einer der er¬
sten Orte, in welchen Wassermühlen
errichtet wurden, und es gab dann sogar
noch ein besonderes Recht, das „Mühlen¬
recht” Die Müller waren nämlich Voll¬
bürger, auch wenn sie außerhalb des Et¬
ters wohnten. So kam es, daß Villingen die
erste der schwäbischen Städte war, die sich
Von ihren Herren löste und sich unter öster¬
reichischen Schutz begab. Das geschah im
Jahre 1328. Die Villinger konnten sich das
leisten, denn sie waren wirtschaft¬
lich mächtiger geworden als
ihre bisherigen Herren. Sie hat¬
ten aber auch einen besonderen Grund.
Als bedeutende Gewerbe- und Handels¬
zentrale waren sie interessiert an der Si¬
cherheit des Verkehrs. Damit aber sah es
schlimm aus. Das Fehdewesen der Ritter
War zur Räuberei geworden, und ausge-
taubt wurden natürlich in erster Linie die
Haufleute. Um aber den adligen Räubern
gegenüber bestehen zu können, brauchte
man die eigene Gerichtsbarkeit.
Drei Jahrhunderte dauerte der Kampf der
Villinger, aber dann hatten sie erreicht,
was sie wollten: eine große Gemarkung,
Bannrecht und die niedere Gerichtsbar¬
keit. Sogar auf die Jagd durften sie ge¬
hen ... R. G. H.
Das Mitbestimmung« recht
der Kreisversammlung
Konstanz. Anläßlich der letzten Sitzung
der Kreisversammlung Konstanz rief die
Bekanntgabe des Ministeriums des In¬
nern, wonach ein Mehrheitsbeschluß der
Kreisversammlung beanstandet worden
ist, lebhaften Widerspruch hervor. Bei dem
Beschluß handelte es sich um die Neu¬
besetzung des Postens eines Leiters des
Kreisjugendwerks. Die Kreisversammlung
hatte zu der hierfür vorgesehenen Summe
von 14 000.— RM ihre Zustimmung unter
dem Vorbehalt gegeben, daß ihr das Mit¬
bestimmungsrecht bei der Auswahl der
Person zugebilligt wird. Das Ministerium
erklärte diesen Vorbehalt als „rechts¬
unwirksam” mit dem Hinweis, daß die
Neueinstellung von Personal eine Aufgabe
der Staatsbehörde sei. Es wurde die Frage
aufgeworfen, ob einem Kreisparlament im
Sinne der Selbstverwaltung das Recht der
Milbestimmung zusteht oder nicht. Die
Vertreter der vier Parteien formulierten
einen Antrag an das Ministerium, in dem
sie auf die unbedingte Anerkennung des
elterlichen Willens und das Recht der
Kreisversammlung, Richtlinien für die
personellen Besetzungsfragen aufzustellen,
die in der neuen badischen Verfassung zu
Grunde gelegt worden sind, hinweisen. —
Ferner wurde bekanntgegeben, daß im
Jahre 1946 an Requisitionen im Land¬
kreis Konstanz 8 486 000 RM. bezahlt wor¬
den sind.
Ernte&ussichten
im badischen Südwesten
Lörrach. Einen mittleren bis sehr
guten Ertrag versprechen die Kirschen gm
Dinkelberg, im Markgräflerland und in
den Rhein-Niederungen. In verschiedenen
Lagen haben die Maikäfer empfindliche
Schäden angerichtet. In der Basler Bucht
(Weiä und Weil-Ost) sind die Frühkirschen
bereits hellrot, so daß man bis in zehn bis
vierzehn Tagen die ersten ausgereiften
Früchte erwarten kann. Auch die Birnen
versprechen für den Herbst einen an¬
sprechenden Ertrag, dagegen sind bei den
Aepfeln die Aussichten sehr gering.
Zwetschgen und Pflaumen versprechen
einen mittelmäßigen bis guten Herbst.
Der neue badische Landtag
Freiburg. Von den 60 Mitgliedern
des neuen badischen Landtages, der am
Donnerstag im Kaufhaus zusammentrat,
haben 39 bereits der Beratenden Landes¬
vensammlung angehört. Unter den 13 Ab¬
geordneten der Sozialdemokratischen Par¬
tei befinden «ich 5 neugewählte Landtags¬
mitglieder. Unter den 34 der Christllch-
Sozialen Partei 11; bfi den Demokraten
ziehen von 9 Abgeordneten 4 und bei den
Kommunisten von den 4 Abgeordneten
einer neu in den Landtag ein. Alterspräsi¬
dent ist wiederum der demokratische Ab¬
geordnete Vielhauer, der im 73. Lebensjahr
steht. Im ganzen hat sich die neue Volks¬
vertretung gegenüber der Landesversamm¬
lung etwas verjüngt. Es überwiegen je¬
doch immer noch die älteren Jahrgänge.
Acht Abgeordnete sind über 60, 23 über 50
Jahre alt. Die beiden jüngsten Abgeord¬
neten sind Friedrich Stephan (31 Jahre)
und Dr. Alfons Kist (34 Jahre). Weibliche
Abgeordnete zählt der Landtag vier. Was
die berufliche Tätigkeit der Landtagsmit¬
glieder angeht, so gibt es, abgesehen von
den 8 Regrerungsmitgliedem 3 Arbeiter,
8 Landwirte, von denen 3 gleichzeitig Bür¬
germeister sind; 2 Angestellte, 6 leitende
Angestellte, 5 selbständige Geschäftsleute,
1 Redakteur, 4 Rechtsanwälte, 1 Aerztin,
2 Oberbürgermeister, 7 hauptamtliche Bür¬
germeister und Beigeordnete, 1 Eisenbahn-
amtmann, 2 Ministerialdirektoren, je 2
Lehrer an Volks- und höheren Schulen und
2 Gewerkschaftsfunktionäre. Vier Abge¬
ordnete leben im Ruhestand.
Sch'wüoth-Fest der Israeliten
Freiburg. Am 25. und 26. Mai feierten
die Israeliten Freiburgs in ihrem ge¬
schmückten Betsaal ihr Sch’wüoth-Fest,
das Fest der Gesetzgebung, als Erinne¬
rung an den Tag, an dem Moses die Ver¬
fassung für das jüdische Volk auf dem
Berge Sinai in Empfang nahm. Leider ist
von der ehemalig großen Gemeinde Frei¬
burgs nur ein kleines Häuflein übrig ge¬
blieben, das diesem Feste beiwohnen
konnte.
Viertausend Wohnräume für Ausländer
Freiburg. In der letzten Stadtratsitzung
wurde mitgeteilt, daß zur Zeit in Freiburg
über 4000 Wohnräume von Ausländern
bewohnt werden, die nicht der Besat¬
zungsmacht angehören. Viele dieser Leute
gehen keiner Arbeit nach, sondern sind
hauptsächlich im Schwarzhandel tätig.
Man will mit allem Nachdruck versuchen,
Personen, die in keinem geregelten Ar¬
beitsverhältnis stehen, die Aufenthalts¬
genehmigung zu entziehen.
Schweres Unwetter bei Pforzheim
Pforzheim. Etwa 700 Acker- und Gar¬
tengrundstücke wurden bei Pforzheim
durch ein schweres Unwetter überflutet. In
Königsbach waren etwa ein Drittel sämt¬
licher Häuser unter Wasser gesetzt. Nach
ersten Schätzungen sollen mindestens 900
Familien durch die Hochwasserschäden
aufs schwerste betroffen sein. Neun Zehn¬
tel der Kartoffelernte wurden vernichtet.
Der Landrat hat die betroffenen Orte zu
Notstandsgebieten erklärt.
Die helfende Hand der Kirche
Arbeitstagung des Evangelischen Hilfswerks in Baden
Das Hilfswerk der Evangelischen Lan¬
deskirche in Baden hielt in Heidel¬
berg eine dreitägige Arbeitstagung sei¬
ner Bezirksgeschäftsführer und Mitarbei¬
ter ab. Pfarrer S ch m i d t, der Geschäfts¬
führer des Hauptbüros Baden, befaßte
sich zu Beginn der Tagung mit der eigent¬
lichen Existenz des Hilfswerks. Er legte
dar, daß die Not nicht nur materielle
Gründe hat. Um den Weg zur Erneuerung
zu beschreiten, genügen daher materielle
Mittel nicht. Von diesem geistigen Mittel¬
punkt des Hilfswerks ausgehend, entfal¬
tete sich die Arbeit der Tagung zu aus¬
führlichen Berichten und Aussprachen
über das Feld der täglichen Praxis. Illu-
sionslosigkeit bildete eine wesentliche No¬
te der Tagung. Oberkirchenrat K a t z,
Karlsruhe, berichtete über die kirchliche
Lage Deutschlands. In den vergangenen
anderthalb Jahrzehnten sei ein neues
Verständnis der Kirche unter großen
Schmerzen entstanden. Der Sprecher kün¬
digte an, daß im kommenden Monat in
Herrenalb eine Evangelische
Akademie eröffnet wird,- zu der An¬
gehörige aller Berufe eingeladen werden.
Pfarrer Berg, Generalsekretär im Zen¬
tralbüro des Hilfswerks der Evangelischen
Kirchen, wies in seinem Bericht über die
Arbeit des Hilfswerks (in ganz Deutsch¬
land zunächst) darauf hin, daß die Wir¬
kung der Gaben nicht allein aus ihrem
Quantum herzuleiten ist. Vielmehr ist
auch die kleinste Gabe ein Zeichen da¬
für, daß der notleidende Empfänger und
alle seine Angehörigen nun nicht mehr
Verlassene und Aufgegebene sind, son¬
dern daß die helfende Hand der deutschen
und ausländischen Christenheit zu ihm
hinreicht, ihn aufzurichten und zu stützen.
Die millionenfache Not der vertriebenen
Ostdeutschen habe alle Kräfte der Kirche
mobilisiert. Auf die Bedenken, die sich
gegen die wirtschaftliche Handlungsweise
des Hilfswerks im Zusammenhang mit der
Spendetätigkeit erhoben haben, ging
Pfarrer Berg ausführlich ein. Er nannte
ein Beispiel, wo dem Hilfswerk ein be¬
stimmter Geldbetrag in ausländischer
Währung gespendet wurde. Vor die Frage
gestellt, ob man für diesen Betrag 600
Garnituren Bettwäsche kaufen soll oder
Rohbaumwolle, deren Zubereitung dann
in Deutschland Arbeitern und Fabriken
Arbeit und Verdienst gibt, indem man
4000 statt 600 Garnituren daraus herstei¬
len kann, hat sich das Hilfswerk trotz der
Komplizierung des Verfahrens zweifel¬
los für die zweite Lösung zu entscheiden.
Die Gabe ist dann am Ende auch nicht
mehr ein Produkt der Anstrengung des
Auslandes allein, sondern eine Kombina¬
tion von Auslands- und Selbsthilfe. Die
Gaben des Auslandes, im Vergleich zur
Unterstützung nach dem ersten Weltkrieg
seien keineswegs selbstverständlich. Die
Hilfe für Deutschland wird oft nicht leicht
gemacht. Umso größer ist der Dank an
die unzähligen Spender. Dieser Dank an
die in- und ausländische Christenheit und
ein Bericht über die bitteren Nöte unserer
Kriegsgefangenen gaben der Tagung ei-.
nen eindrucksvollen Abschluß.
Die verlorenen Güterwagen
Frankfurt am Main. Die Lage des west¬
deutschen Eisenbahnverkehrs ist gekenn¬
zeichnet durch einen außerordentlich hohen
Verlust an Güterwagen, die von Transpor¬
ten in die sowjetische und französische
Zone sowie nach Oesterreich nicht mehr
zu ihren Heimatbahnhöfen zurückgekehrt
sind. Seit April vergangenen Jahres sind
auf diese Welse 95 000 Güterwagen aus
dem Bestand- der amerikanischen und bri¬
tischen Zone verloren gegangen und auch
in den letzten acht Wochen mußten wieder
7 000 Waggons abgeschrieben werden. Die¬
ser enorme Verlust im Wagenpark der
Reichsbahn drückt sich im Güteranteil
deutlich aus. Während 1938 noch 61 % aller
Transporte von der Reichsbahn, 35% per
Schiff und nur 3% mit Lastkraftwagen
bewältigt wurden, entfielen im April die¬
ses Jahres 1 Mill. t Transportgüter auf
Lastwagen und nur 350 000 t auf Eisen¬
bahnverkehr. Dabei ist z. B. die Zahl der
gegenwärtig in Hessen zugelassenen Last¬
wagen mit 21 000 fast genau so hoch wie
die des Jahres 1938, während der Zustand
der Lastkraftwagen infolge mangelnder
Reparaturmöglichkeiten stark reduziert ist.
Den stärksten Anteil an den Verkehrs-
gütem des vergangenen Winters hatten
Holz und Kohle. Für den Holztransport in
Hessen wurden allein 5 Mill. Liter Benzin
und 130 000 Waggons beansprucht, sodaß
eine Hausbrandvereorgung mit Holz (um
mit dem hessischen Wirtschaftsminister
Dr. Koch zu sprechen) ein wirtschaftlicher
Unsinn ist. Andererseits haben die Koh¬
lentransporte stark unter Diebstählen und
Plünderungen zu leiden gehabt. Die jetzt
abgeschlossenen Statistiken weisen nach,
daß allein 27% der Haldenbestände und
ein Drittel des Inhalts der Kohlenzüge ge¬
stohlen worden sind.
Eisenbahnräuber festgenommen
Ludwigshafen. Hier wurde eine sechzehn¬
köpfige Diebesbande festgenommen die
fortwährend Eisenbahnwagen aufgebro¬
chen und beraubt hatte, unter anderem
auch einen Eisenbahnwagen mit Paketen
an deutsche Kriegsgefangene in Frankreich
und England. Von den Hehlern, die da?
Diebesgut zu Ueberpreisen absetzten, wur
den neun Personen festgenommen.
Süöroeltöeutfche Umlchau
Konstanz. Di« letzte dmrdi’giefü'h'r'te Kartofifelak-
tk>n im Landkreis Konstanz brachte 1020 Zentner
Kartoffeln ans rund 65 Gemeinden. Es kann ge¬
sagt werden, daß die Gesaimtuardage an Kartof¬
feln bis zu 65 Prozent erfüllt worden ist. We¬
gen des mangelnden Saatgutes wurden dieses
Jahr nur 60—70 Prozent des tatsächlichen Be¬
standes angepfdanzt.
Konstanz. Am Sonntagabend brach aut dem
Motorschiff „Hegau" durch Selbstentzündung ei¬
ner Signalpatrone ein Brand aus. Der Löschzug
der Konstanzer Feuerwehr arbeitete von Land,
das im Hafen liegende Schiff „Bavaria" und das
Feuerlöschboot der französischen Wasserpolizei
von See aus gegen den Brandherd. Die Holztä¬
felung der Gerätekammer im Bug ist abgebrannt.
Das Schiff ist weiterhin manöverierfähig.
Radolfzell. Ereignisreich für Radolfzell war die
Nacht vom Freitag auf Samstag. Zuerst brach im
Strandhotel auf der Mettnau ein KeUeTbrand aus,
der im Entstehen gelöscht werden konnte. Die
Vermutung auf Brandstiftung liegt nahe. Wenige
Stunden später brannte eine Gerberei nieder. In
derselben Nacht erbrachen einige Männer einen
Postwagen eines fcn Bahnhof stehenden Zuges Es
bleibt zu klären, ob die beiden Brände und der
Gepäckraub im Bahnhof in Verbindung zuein¬
ander gebracht werden müssen.
Frankfurt am Main - öic unfreiwillige Hauptftaöt
Von unserem J.-M.-Berichterstatter
Vor einem Jahr geisterte die Parole
durch die deutsche politische Oeffentlich-
keit, Frankfurt a. M. wolle sich als neue
deutsche Bundeshauptstadt ausrufen lassen.
Es hat monatelang« 1 und immer wieder¬
holter Dementis bedurft, um diese Prokla¬
mation der Oeffentlichkeit als das be¬
greiflich zu machen, was sie wirklich war:
der hochfahrende Wunsch einer Clique um
den damaligen Oberbürgermeister Dr.
Blaum. Das stichhaltige Argument mit der
geographischen Bevorzugung Frankfurts,
die ihm schon vor Jahrzehnten das Attri¬
but .heimliche Hauptstadt” eingetragen
hatte, vermochte eine Zeitlang maßgebende
politische Kreise zu blenden und erst die
saure Reaktion vor allem Berliner und
ostdeutscher Politiker brachte die Pro-
Frankfurt-Propaganda zum Schweigen. Die
Option wandelte sich in eine auffällige
Abkehr, die bis zur öffentlichen Abbitte
gedieh.
Dieser Gesinnungsumschwung hatte
freilich einen weiteren, sehr nüchternen
Grund. Der aus Düsseldorf nach Frankfurt
gekommene neue Oberbürgermeister Wal¬
ter Kolb stand anfangs nicht an, das
Blaumeche Projekt zu übernehmen. Mit
der ihm eigenen Intensität strebte er seine.
Verwirklichung an. Aber schon die ersten
Schritte in der übernommenen Richtung
belehrten ihn, daß seine Stadt die ihr zu¬
gedachte Rolle nicht übernehmen konnte,
weil sie ihr einfach nicht gewachsen war.
Kolb wurde das schon in der ersten Kon¬
sequenz klar, als er nämlich daran ging,
vor allem einmal den Sitz der hessischen
Landesregierung von Wiesbaden nach
Frankfurt zu ziehen. Die Wiesbadener
Position erwies sich fester als geglaubt
und zwar einfach darum, weil es in dem
stark zerbombten Frankfurt keine Unter¬
kunftsmöglichkeiten für die Regierungs¬
ämter, Beamte*! und Angestellten gab.
Als dann in Verfolg der Zonenvereini-
gung die Frage einer Zentralverwaltung
nicht mehr zu umgehen war, mußte
Frankfurt sein Unvermögen eiklären, eine
eventuelle Wahl als Zentralsitz anneh¬
men zu können. Die Notlösung einer De¬
zentralisierung in Stuttgart (Ernährung
und Landwirtschaft), Minden (Wirtschaft),
Bielefeld (Verkehr) und schließlich Frank¬
furt (Post und Finanzen) hat sich dann
in wenigen Monaten abgewirtschaftet. Die
bizonale Verwaltung war zu einem Ge¬
werbe im Umherziehen geworden, Büro¬
kratismus überwucherte die letzten bisher
noch gangbaren Wege und im Gestrüpp
immer neuen Kompetenzen verfingen sich
schließlich Petenten und Behörden.
Der Ausweg aus diesem Dilemma führte
nach Frankfurt. Ungeachtet silier dortigen
baulichen Unzulänglichkeiten. Frankfurt
ist seiner geographischen Lage verhaftet;
es wird seiner Prädestination ein schwe¬
res Opfer bringen müssen. Sein Magi¬
strat hat bei erneuten Vorstellungen die
Militärregierung auf die Unmöglichkeit
hingewiesen, aus eigener Kraft den drei
großen bizonalen Aemtem Domizile zu
beschaffen. Die Militärbefehlhaber haben
auf ihrem Befehl beharren müssen, aber
sie haben wenigstens Bauhilfe in Aussicht
gestellt. Zweitausend Beamte und Ange¬
stellte mit weiteren Viertausend Angehö¬
rigen werden noch im Laufe dieses Jah¬
res nach Frankfurt übersiedeln.
Dieser unvermeidliche Zuwachs bedeu¬
tet für eine Stadt, deren Bürger noch zu
Zehntausenden in menschenunwürdigen
Ruinenlöchem hausen und di e außer¬
stande war, auch nur ein schmales Kon¬
tingent Neubürger aufzunehmen, eine
kaum noch erträgliche Belastung. Die
Bürgerschaft, die in der ärgsten, durch
den weiteren Verfall sich stetig steigern¬
den Wohnungsnot steckt, die seit Jahr
und Tag nicht das geringste Material zu
primitivster Schadensbehebung erlangen
kann und die am Sitz des amerikani¬
schen Hauptquartiers vor neuen Beschlag¬
nahmen bangt, diese Bürgerschaft fühlt
sich durch die Ernennung der Stadt
Frankfurt zur Zweizonen-Hauptstadt auf
das äußerste betrogen. Sie fühlt sich auf
weitere Jahre hinaus in ihr Höhlendasein
zurüdegestoßen. Und es ist viel von ihr
verlangt, wenn sie den Großmut aufbrin¬
gen soll, dem Gemeinwohl das eigene Los
zu opfern. Es ist für den Mann von der
Straße, oder vielmehr für den Mann aus
dem Kellerloch, gänzlich uninteressant, ob
die neuen Regierungsbauten mit fremdem
Material aufgeputzt werden sollen, er
weiß nur, daß er bisher von dem ihm zu¬
stehenden Baumaterial noch keinen Zie¬
gelstein und keine Dachlatte gesehen hat.
Die städtischen Behörden werden des
„Danaergeschenkes” nicht recht froh. Man
empfindet den Wirklichkeit gewordenen
heimlichen Traum irgendwie als peinlich.
So ergeht es dem Hausvater, der auf das
Eintreffen eines sonst recht lieben Be¬
suches nicht vorbereitet ist. Gewitzigt, be¬
fürchtet man jetzt von dem Titel „Haupt¬
stadt” wieder einen neuen Anstoß. So
möchte man sich den „Zweizonen-Treff-
ort” nennen, keinem zu Leid. Wohl aber
auch sich selber nicht zur reinen Freud!
Ueberlingen. Die fünfte (bisher größte) Stollen-
Sprengung in Ueberlingen hatte sehr starke
Schäden zur Folge. Die Durdiwixkung nach oben
riß mehrere umfangreiche Erdtrichter auf, ein
Haus stürzfe ganz in sich zusammen, zwei wei¬
tere trugen so starke Schäden davon, daß sie
abgebrochen werden müssen Maneurdsse und
Dachschäden auch an den Gebäuden der weiteren
Umgebung sowie viele Erdrisse kennzeichnen
das Sprenggebiet. Mit der Aufhebung der Spexr-
anordnungen im betroffenen Ueberlimger West¬
bezirk ist alsbald zu rechnen
Ueberlingen. Im Kreis Ueberlingen konnten
auf Grund einer nochmaligen freiwilligen Ab¬
gabe 21 Tonnen Kartoffeln und 21 Tonnen Ge¬
treide aufgebracht werden.
Heiligenberg. Bei einem Lastwagenunfall wur¬
de der Schloßgärtner Friedrich i® Heiligenberg
vom beladenen Anhänger gegen die Mauer des
Schloßparks gedrückt und so schweT verletzt, daß
er kurz darauf verstorben ist. Der Verunglückte
war vor etwa Jahresfrist aus russischer Kriegs¬
gefangenschaft heimgeketort.
Lindau. Vergangenen Donnerstag ertönte ge¬
gen zwei Uhr morgens die Sirene zum Großen
Feueralarm. In dem Landauer Sägewerk Holz¬
bau - Schneider, und zwar im der großen Ver¬
arbeitungswerkstätte, war Feuer ausgebnochen,
das mit großer Schnelligkeit um sich griff und
die mächtige Halte bis auf die Grundmauern ver¬
nichtete. Der Brand konnte von der Feuerwehr
nur auf seinen Herd beschränkt werden Der
Sachschaden ist beträchtlich.
Donauescbtngen. Da der Aufruf zu? freiwil¬
ligen Arbeit zwecks Herriditung der Kanalisation
und der Wasseraufuhr in Donaueschfngen bi« jetzt
ergebnislos verlaufen ist, bat der Stadtrat be¬
schlossen, daß alle männlichen Einwohner von
16 bis 45 Jahren in der Zeit vom 1. 6. bis 30.
9. 1947 drei Tage im Monat für diese Arbeiten
verpflichtet werden können.
Donauesdiingen. Die „Schwaizwaldbuben" spen¬
deten aus dem Erlös Ürner Konzerte 50 000 RM
für den Wiederaufbau ihrer Heimatstadt. — Die
Gesellschaft der Musikfreunde DonaueschdngeU
wird am 26 /27. JuM unter Leitung von Hugo
Hermann Tage neuer Musik veranstalten. — Im
70. Lebensjahr starb der Inhaber der Auto-Repa¬
ratur-Werkstätte C Homer, Franz Homer.
Sigmaringen. Die Donau forderte in diesem
Jahr ihr erstes Opfer Unterhalb der „Inzigkofer
Grotten" übernachteten vier Schüler am Ufer
der Donau in einem Zelt. Gegen Morgen ver¬
mißten sie einen ihrer Kameraden, der später
unterhalb der Schlafstelle tot aus dem Wasser
gezogen wurde
Hechingen. In seiner Scheune wurde der Land¬
wirt Ludwig Aigner tot aufgefunden. Die von.
der Kriminalpolizei eingeteitete Untersuchung
führte zur Aufklärung eines gemeinen Verbre¬
chens. DeT Melkmedster Beer und die Ehefrau
des Ermordeten hatten Aigner mif der Axt im
Schweioestaü erschlagen Von hier aus wurde
der Tote in die Scheune gebracht, um einen
Sturz vorzutäusehen. Beer und die Ehefrau des
Ermordeten haben die Tat gestanden. Sie hatten
ein Verhältnis und übten das Verbrechen im
gegenseitigen Einverständnis aus.
Biberach i. K. Ein in Nordrach beschäftigter
Ausländer wurde von einem Zug am Mantel er¬
faßt und unter die Räder geschleudert. Der Mann
war sofort tot.
Heidelberg. In einem Waid bei Schriesheim
wurden die Leichen eines Angestellten der ame¬
rikanischen Militärregierung in Heidelberg und
eines Mädchens gefunden. Die polizeilichen Er¬
mittlungen ergaben, daß die beiden oft zusammen
gesehen worden waren. Man nimmt an, daß das
Mädchen zuerst den Mann und dann sich seibst
erschossen bat.