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Ruhrkahle und Bergmann
Eia Beitrag zur Konferenz in Washington
Von Andrf Francois-Poncet
Die Engländer und Amerikaner haben sich in
«Hasen Tagen in Washington unterhalten, mit
■welchen Mitteln man «Ke Kohlemprodufcöon an
der Ruhr steigern könnte. Das ist in der Tat
eine Frage von allergrößter Bedeutung, und man
muß sich nur darüber wundem, daß es so lange
gedauert hat, his man sich. entschloß, sie ernst¬
lich in Angriff zu nehmen, im Ruhrgebiet wird
tatsächlich im Augenblick kaum «Ke HäSfte der
Vorktiegaproduktiom gefördert. Genau genommen
«and es 48 Prozent, während beispielsweise die
Saar schon 60 bis 65 Prozent erreicht hat.
Woher kommt diese Dauerkrise der Unter¬
produktion? Man sagt, von der mangelhaften
Ernährung der Bergarbeiter. Das ist richtig,
allerdings nur zum Teil. Und es war gestern
richtiger als heute. Man hat geglaubt, durch
Erhöhung der Rationen für die Bergarbeiter
Abhilfe schaffen zu können. Aber die Arbeiter
teilten diese Rationen mit ihren Famüäen und
waren selbst immer noch nicht ausreichend
ernährt.
Es ist richtig, daß in allen Kohleradistrrieten,
In England und Frankreich, ebenso wie in
Deutschland, die Kohlenförderung je Kopf des
Bergarbeiters gesunken ist. Man konnte dieselbe
Erscheinung nach dem ersten Weltkrieg fest-
steilen. Aber damals stiegen diese Ziffern lang¬
sam und gleichmäßig. Und das ist diesmal an
der Ruhr nicht der Faid. Es ist fermer wahr,
daß die Maschmeoausrüstung an der Ruhr wie
anderswo reparatur- und emeuerungsbediirftig ist.
Die erforderlichen Anstrengungen in dieser Rich¬
tung sind noch nicht gemacht worden. Schließlich
ist es auch wahr, daß die Erhöhung der Zahl
der Bergarbeiter, wie sie beispielsweise in
Frankreich vorgenommen wurde, in Deutschland
angesichts der Bombenschäden auf erhebliche
Schwierigkeiten, insbesondere in der Wohmungs-
besehatffumg, stößt, die zu beseitigen man bisher
noch nicht in der Lage war. Das Entscheidende
aber ist nach meiner Meinung die Tatsache, daß,
als gelegentlich der Moskauer Konferenz be¬
schlossen wurde, von einer gewissen Produktions¬
höhe an die Lieferungen an Frankreich zu stei¬
gern, dieses Produfctionsmveau nicht nur nicht
gehalten wurde, sondere, daß von da an die
Produktion, die gerade im Ansteigen war, wie¬
der aibfiel.
Da haben wir den klaren Beweis, daß die
Frage des mehr oder weniger guten Willens der
Bergarbeiter an der Ruhr von entscheidender
Bedeutung ist. Sie werden nicht eher mit vollen
Kräften arbeiten, als bis sie überzeugt sind, daß
sie nicht nur für das Ausland, sondern auch zu
ihrem eigenem Besten und zu demjenigen Deutsch,
larads arbeiten.
Man sieht also: das Problem der Ruhrkohlen¬
förderung hat eine technische und materielle,
zugleich aber auch eine psychologische und po¬
litische Seite. Die Meinungsverschiedenheiten im
Lager der Alliierten, das Fehlen einer klaren
Richtlinie und eines festen Willens zusammen
mit einem gewissen Schwanken der englischen
Fühlungsstellen steigern schließlich noch den
endemischen Zustand der Ruhr, der kaum von
einem halben Dauerstreik entfernt ist.
*
General Ctay erklärte auf einer Presse¬
konferenz vor seiner Abreise nach London, daß
die deutsche KoMenproduktion ein Defizi t-
gesdiäft sei. Der Verkaufspreis der deutschen
Kohle betrage jetzt 2 wei Drittel desjenigen der
amerikanischen Koble, eine Erhöhung stelle die
ganze Preispolitik in Frage.
Mit einer Tagesleistung von 241 000 Tonnen
haben die Ruhr-Bergairbeiter am 20. August einen
neuen Rekord aufgestellt. Unter Einbeziehung
einer Tagesförderung von 35 000 Tonnen im
Saargebiet fehlen nun nur noch 4000 Tonnen
arbeitstäglich an der im Moskauer Abkommen
vorgesehenen Durchschnittsleistung von 280 000
Tonnen.
Die Kohtezuteilungen für die Industrie «1er
Bizooe für August und September 1947 sind
nach dem bizonalen Kohlenzuteilungsplan gegen¬
über 1946 wesentlich gekürzt. Die Industrie wird
besonders von dieser Kürzung betroffen. Das
August-Kontingent beträgt 52 400 Tonnen, wäh¬
rend im Oktober 1946 der Kohleverbrauch 71 300
Tonnen betrug.
Die britische Kohlenförderung im Monat Juli
erreichte den tiefsten Stand des Jahres und
zwar beträgt dieser Rückgang im Wochemdurdi-
schnitt e twa 600 000 Tonnen gegenüber dem der
vorhergehenden Monate. In amtlichen Kreisen
begründete man diesen Rückgang mit dem Jah¬
resurlaub der Bergleute. Wirtschaftsfachleute
sind der Ansicht, daß weder die britische Re¬
gierung noch die Oeffentlichkeit die Bedeutung
der englischen Kohle für die europäische Wirt¬
schaft wirklich einzuschätzen wissen. Am 21. Au¬
gust begannen in London Beratungen zwischen
Mitgliedern des Kabinetts, Vertretern der Zen¬
tralstelle der verstaatlichten Kohlenbergwerke
und der Landesgewerkschaft der Bergarbeiter
über Verlängerung der Arbeitszeit in «Jen Koh¬
lengruben, eine Einigung konnte jedoch nicht
erzielt werden.
Japan und Australien
Japan wird inmerhaTb von sechs Monaten wirt¬
schaftlich unabhängig sein, wenn es bereit ist,
die Einedrränfcungsmaßnahmen zu unterstützen,
mit denen eine aktive Handefeböanz verwirk¬
licht werden kann, erklärte Mändsterpräsiclent
Kefayama larut AFP. Der internationale Privat¬
handel mit Japan wird laut BBC voraussichtlich
dieser Tage offiziell wieder auf genommen wer¬
den. Eine Anzahl amerikanischer Geschäftsleute
ist bereits in Tokio eingetroffen. Südena be¬
richtet, General Mac Arthur habe die japanische
Regierung ermächtigt, im Ausland eine Anleihe
von 500 Millionen Dollar anfzunehmen, die
durch die japanischen Goldreserven gedeckt
werden würde. Reuter meldet aus Canberra,
der australische Ministerpräsideot habe die
Lenkung dar wirtschaftlichen Entwicklung Japans
im Rafcmem eines allgemeinen Planes für die
-wirtschaftliche Ordnung Ost- und Südostasiens
gefordert. Es sei ungerecht, wenn Japan gegen¬
über den von ihm verwüsteten Ländern bevor¬
zugt würde. Bereits früher hatte der hfindster-
präsidient darauf hingewiesen, daß Australien
durch seine Kriegsleistungen berechtigt sei, als
Haupfpartner bei den japanischen Friedens-
Verhandlungen anerkannt zu werden
SDOKDIlEt
Schuld oder Schicksal - Weizen oder Spinat
Unter dem Namen „Deutschenspiegei" erscheint
bei der Deutschen Verlagsanstalt in Stuttgart
eine Brosdiürensammhmg, die bisher 24 Bände
(26 Nummern) umfaßt und sich mit den Pro¬
blemen der Wiedergeburt eines humanistischen
Deutschlands befaßt.
Betrieb«verembarun* *en in Baden
Die Forderungen der Gewerkschaften auf das
MitberstHnmumgsrecht der Betriebsräte in den Be¬
trieben stößt weitgehend — und zwar nicht nur
in privaten Betrieben — auf Widerstand. Als
eine der ersten Privatbetriebe in Südbaden hat
die Firma Bäuerle in St. Georgen eine Befriebs-
veredobareng mit dem Betriebsrat getroffen, in
der sie sich u. a verpflichtet, keine grund¬
legenden Aenderungen des Produktionsbetriebes.
Einschränkungen oder Stillegungen ohne Zu¬
stimmung des Betriebsrates vorzunehmen. Wei¬
terhin erklärt sie sich bereit, dem Betriebsrat
auf Verlangen jederzeit die Personalakten sowie
die Kalkülaftionsunteriagen vorzulegen. Einstel¬
lungen und Entlassungen sind grundsätzlich nach
jedem Vertrag ohne Zustimmung des Betriebs-
rates rechtsungültig Die Betriebsvereinbarung
hält sich wertgebend an die vom Geweiksdiafts-
feuad ausgearbeiteten und vom Wirtschaftsmin i-
t tonen g rtvIUgten Richteten. Gr
„Die europäische Wissenschaft und die
aus ihr entspringende materielle und gei¬
stige Kultur ist das Gegenstück zu der
umfassenden Ethik und dem Sozialismus
der Tat, der aus Philosophie, Religion und
Staateverfassung das tägliche Leben
Asiens kennzeichnet“ lesen wir in der Bro¬
schüre: „Bindung und Selbstverantwor¬
tung“ von Hans Scheurig, Band 17 des
„Deutschenspiegels“. Nun. auch Dksehingis
Khan war Asien und nicht nur Konfu¬
zius. Solche Art typisierende, katalogisie¬
rende Weltgeschichtsbetrachtung erinnert
uns peinlich an die wissenschaftliche Me¬
thode nicht nur Spenglers, sondern vor
allen Dingen des „Dritten Reiches“, die
sich in Gegenüberstellungen von Welt¬
anschauungen, Rassen und Räumen er¬
schöpfte und vermied, auf das Gemein¬
same und die Bipolarität alles organisch
Gewachsenen tiefer einzugehen. Wir
müssen von dieser Art Geschichtsbetrach¬
tung endgültig Abstand nehmen, wenn wir
zu neuen, konstruktiven Gedanken kom¬
men wollen. Wir finden leider nichts da¬
von bei Scheurich. .
Auch in Gert Tellenbach’s Schrift (Band
20 derselben Reihe) „Die deutsche Not als
Schuld und Schicksal“ finden wir keine
in die Tiefe gehende Untersuchung, war¬
um gerade wir seit vierhundert Jahren
immer wieder von einer Katastrophe in
die andere stürzen. Wären wir wirklich
Herrenmenschen, wie wir sie gerne sein
wollten, und nicht nur Untertanen, so
würden wir weniger vom Schicksal und
mehr von unserer Schuld zu sprechen ha¬
ben. Denn das Schicksal ist unabwend¬
bar, die Schuld jedoch läßt sich überwin¬
den. Aber um sie zu überwinden, darf
man nicht Untertan des Schicksals sein.
In dieser Richtung liegt auch die Behaup¬
tung, das „betäubende und anschwellende
Getriebe der Wirtschaft“ bedrohe „die
Möglichkeiten des Lebens als Individuum,
besonders das Geschehen des einzelnen
in echter menschlicher Gemeinschaft“. Wir
meinen, uns würde heute handgreiflich
das Gegenteil bewiesen: das unzuläng¬
liche Getriebe der Wirtschaft, der'Mangel
nämlich, bedroht die Möglichkeiten des
Lebens des Individuums. Und nur die
Technik und die Wirtschaft sind in der
Lage, diesem Mangel abzuhelfen.
Resignierendes Rückwärtsschauen auf
die „Gute alte Zeit“ — in der es auch nur
dem gut ging, der das Geld dazu besaß, —
hilft uns nichts. Sie spricht auch aus Georg
Görges Abhandlung „Vom kulturellen
Lebensstandard“ (Band 23 des Deutschen¬
spiegels), in welcher die Kultur verbunden
dargestellt wird mit einem Lebensstan¬
dard, den auch vor diesem Zerstörungs¬
werk des Krieges die breiten Massen der
Arbeiter- und Bauernschaft nicht erwer¬
ben konnten. Sind diese also grundsätz¬
lich von jeglicher Kultur ausgeschlossen?
Wenn dem so wäre, dann hätte die Welt
durch die Bomben nicht viel verloren.
Nein hier gilt es, überlieferte Begriffe
von der Kultur grundsätzlich neu zu for¬
men. Besitzen wir denn heute tatsächlich
in unseren Trümmern keine Kultur mehr?
Diese Problem vermag uns Görge nicht
erschöpfend aufzuklären. Er klebt zu sehr
an der Ueberlieferung, er findet nicht das
Fundament zu neuem Aufbau.
Huberta von Bronsart versucht dies,
wenn auch auf einem praktischen Weg,
dem der Landwirtschaft, und vielleicht
gerade deshalb wirklich erfolgreich, weil
sie in ihrer Schrift: „Weizen oder Spi¬
nat“ (Band 24 der Sammlung) Lebensfor¬
men und Wirtschaftsformen zur harmoni¬
schen Einheit bringt. Sie weist auf Grund
bodenchemischer Erkenntnisse nach, daß
Deutschland nun einmal kein Getreideland
ist und werden kann, allein Gemüse- und
Obstbau sowie Viehzucht sind seiner Bo¬
denbeschaffenheit gemäß. Ein Land je¬
doch, da« hinsichtlich seines Brotbedarfs
auf das Ausland angewiesen ist. kann und
darf keine Aggressionspolitik treiben, wie
wir es seit 1870 unter junkerlicher Füh¬
rung taten.
Konstruktives zu unserer heutigen Lage
finden wir auch in der vorzüglichen
Schrift von Prcrf. Lenz: „Friedrich List
und die deutsche Einheit" (Band 22), in
der ein umfassendes Bild der wirtschaft¬
lichen und politischen Lage Deutschlands
im 19. Jahrhundert entworfen wird. Es
zeigt uns, wie der Unitarismus eines Bis¬
marck der lachende Dritte wurde im dau¬
ernden Streit zwischen engstirnigem Par¬
tikularismus kleinstaatlicher Bürokratie
und dem wirtschaftlich notwendigen kos¬
mopolitischen Förderalismus des Kauf¬
manns und des Unternehmers. Man hat
1848, ein Jahr nach dem Tode List’s, des
großen süddeutschen Vertreters der Wirt¬
schaftseinheit auf förderativer Basis, in
Frankfurt versucht, diese Forderung ver¬
fassungsmäßig zu verankern. Da man sich
aber links der Elbe zu großzügiger ge¬
meinschaftlicher Wirtschaftspolitik nicht
entschließen konnte, verfiel Deutschland
schließlich dem rechtselbischen Unitaris¬
mus.
Audi Alois Guggenberger spricht in der
Broschüre: „Leibniz oder die Hierarchie
des Geistes“ (Band 26) vom Geist des Kos-
mopolitismus. Allerdings legt er den
Schwerpunkt seiner Betrachtung auf die
Monadenlehre, jenes stets sehr umstrit¬
tene System, in dem Leibnitz den von
ihm als Mathematiker gefundenen Be¬
griff der Differentiation und Integration
in die Ebene der Philosophie überträgt.
Das wahre Leben aber ist — wir sagten
es bereits — ein komplexer Vorgang, in
dem auch das Imaginäre Realität besitzt.
Mathematisch läßt es sich nicht erfassen.
In diesem Sinne lehnt der Biologe Max
Hartmann in: „Atomphysik, Biologie und
Religion“ (Band 21) den Versuch der mo¬
dernen Physiker ab, — insbesondere unter
Führung Jordans — aus den Erkenntnis¬
sen der Atamphysik Gott beweisen zu
wollen, nachdem sich einst, von Laplace
angeführt, die Physiker um das Gegenteil
bemühten. Hartmann erklärt, daß der
physikalische Gottesbeweis im Grunde auf
derselben Ebene liege, wie der Beweis
seiner Nichtexistenz. Es geht nicht an,
den Glauben — die imaginäre Kompo¬
nente — vom jeweiligen Stand der Phy¬
sik abhängig zu machen; denn wer weiß,
ob unser heutiges Erkennen nicht von der
Wahrheit noch ebenso weit entfernt Sein
mag, wie das von gestern? Glauben und
Naturwissenschaft stehen nicht im Wider¬
spruch zueinander, aber auch nicht im
Zusammenhang.
In diesem Sinne muß auch Leibniz ver¬
standen werden, wie Guggenberger in sei¬
ner obengenannten Schrift darlegt. Von
einer anderen, heute für uns nicht weni¬
ger bedeutsamen Seite von Leibniz sollte
aber ebenso ausführlich gesprochen wer¬
den, davon, daß er nicht nur .Philosoph,
Mathematiker, Theologe, Jurist, Histori¬
ker und Techniker war. sondern auch
Diplomat, eine Fähigkeit, die leider der
überwiegenden Mehrzahl unserer Wis¬
senschaftler abgeht — auch deshalb war
Hitler möglich. HCG.
Schon zuviel Uhren?
Von unserem Schweizer Wirtschaftskorrespondenten
Aus dem Uhrenzentrum der Westechweiz
wurde vor kurzem berichtet, daß vier
Fabriken sich gezwungen gesehen hätten,
ihre Betriebe wegen Mangel an Export¬
aufträgen vorläufig zu schließen. Zwar
stellte sich bald heraus, daß der Grund
nicht im Mangel an Aufträgen, sondern in
der vorzeitigen Erschöpfung der Export¬
kontingente lag. Seither ist die aus Wäh-
rungsgründen angeordnete Beschränkung
der Uhrenausfuhr nach Dollarländern auf¬
gehoben worden, und die Uhrenmascfainen
produzieren seitdem wieder alle in zwei
oder drei Tagesschichten für die uhren¬
hungrige Welt.
Trotzdem urteilt man in der schweizeri¬
schen Uhrenindustrie nach wie vor unge¬
wöhnlich besorgt über die zukünftige Ent¬
wicklung. Diese Stimmen mögen sicherlich
nicht zuletzt an die Adresse des auch in
der Schweiz einnahmefreudigen Steuerfiskus
gerichtet sein; aber es läßt sich doch nicht
übersehen, daß im Weltuhrengcschäft eine
Kräfteverlagerung im Gange ist, welche das
faktische Uhrenmonopol der Schweiz aus
den Kriegsjahren nicht unberührt lassen
dürfte. Noch bewegt sich die Schweizer
Produktion auf höchsten Touren und in
Rekordumsätzen. Nicht weniger als 21,3 Mill.
Uhren im Werte von 605 Mill. Franken hat
die Schweiz 1946 auf die Weltmärkte ge¬
liefert. Wenn man diese Ziffern mit denen
des Krisenjahres 1932, ja noch mit denen
der absatzgünstigen Kriegsjahre vergleicht,
wird deutlich, wie sehr die Uhrenindustrie
zunächst von der allgemeinen Hebung der
Kaufkraft voi dem Kriege und dann von der
steigenden Wichtigkeit der Uhren und der
ührenähnlichen Instrumente im Berufsleben
und leider auch in der Zerstörungstechnik
profitiert hat. Nachdem die Schweiz in den
Kriegsjahren als einziges Land in der Lage-
war, die zivilen Märkte mit Taschen- und
Armbanduhren zu beliefern, haben seither
die früheren Produktionsländer mit der
Wiederingangsetzung und der Erweiterung
ihrer Uhrenfabriken begonnen, insbesondere
in den Vereinigten Staaten und in Gro߬
britannien. Namentlich die Vereinigten Staa¬
ten haben keinen Zweifel darüber gelassen,
daß sie entschlossen sind, eich eine ange¬
messene Position auf dem Weltuhrenmarkt
zu schaffen, und in Großbritannien bemüht
man sich schon aus Devisengründen, wenig¬
stens den Uhrenbedarf des Empires von der
Insel aus zu decken. In beiden Ländern spielt
naturgemäß die Ueberlegung eine Rolle,
daß schon aus wehrpolitischein Gründen eine
leistungsfähige Uhrenindustrie aufgebaut
werden müsse.
Man bezweifelt in der Schweiz nicht, daß
vor allem die Vereinigten Staaten über
alle Voraussetzungen für die Einrichtung
einer solchen feinmechanischen Industrie
verfügen. Anderseits ist bekannt, daß die
Konstruktion der erforderlichen Werkzeug¬
maschinen und Automaten, wenn die Pro¬
duktion einwandfrei sein soll, Jahre der
Erprobung bedarf. Den Verkauf solcher
Werkzeugmaschinen an das wettbewerbs¬
gewillte Ausland hat die Schweiz aber aus
erklärlichen Gründen immer abgelehnt.
Immerhin hat sie sich zur Sicherung ihrer
Absatzmärkte im angelsächsischen Bereich
bereit erklärt, gewisse Fabrikationsautoma¬
ten leihweise abzugeben. Nach den dabei
gesammelten Erfahrungen ist von englischer
Seite, wo man überdies das Schwergewicht
auf die Herstellung von Weckeruhren legt,
nicht so bald mit einem gefährlichen Wett¬
bewerb in Kleinuhren zu befürchten, eher
von den Vereinigten Staaten, wo man für
1948 schon eine Rekordproduktion erhofft.
Anderseits fehlt die inzwischen mit der
französischen Industrie gekoppelte deutsche
Uhrenkonkurrenz noch völlig auf den Welt¬
märkten, und auch die französische hat bis
auf weiteres Mühe, den Inlandsbedarf zu
befriedigen. Solange aber das Mißverhältnis
zwischen dem ungestillten Welthunger nach
Uhren aller Art und der Produktionskraft
der außerschweizerischen Industrien nicht
entscheidend geändert ist (wofür wenigstens
auf dem europäischen Kontinent und in
England und in der Sowjetunion noch keine
Aussicht zu bestehen scheint) hält es schwer,
an die Echtheit der westschweizerischen
Unkenrufe zu glauben.
über die Grenzen
Genf. Der bekannte italienische Philosoph
und Politiker Benedetto Croce wurde von
der Universität Genf zum Ehrendoktor er¬
nannt.
Genf. Frau Roosevelt wird der zweiten Ta¬
gung der UNO-Kommission für Menschen¬
rechte, die Ende des Monats im alten Völ¬
kerbundspalast tagt, präsidieren.
Bern. Einer der der bekanntesten polni¬
schen Dichter, Julian Przybos, wurde zum
polnischen Gesandten für die Schweiz er¬
nannt
Bern. Die Angestellten der Handelsabtei¬
lung des Eidgenössischen Volkswirtschafts-
departements erhielten von Produzenten ei¬
nen Wagen mit 24 Zentnern Tomaten zum
Geschenk, die anderweitig nicht abgesetzt
werden konnten. Da aber dem Bundesperso¬
nal die Annahme von Geschenken verboten
ist, wurde die Gabe an ein Spital weiterqe-
leiteti
Bern. Seit Anfang August sind die Bezie¬
her von Mehl künftig in der Wahl ihrer Lie¬
ferfirma frei, nachdem die Bäcker schon vor
einiger Zeit die Aufhebung dieser Kriegs¬
maßnahme gefordert hatten.
Bern. Das Schweizerische Kaufmänni¬
sche Zentralblatt hat. um den Stellen¬
wechsel von einem zum anderen Orte zu
erleichtern, eine ständige Rubrik über
Wohnungstausch eingeführt.
Bern. Der Rindviehbestand ist heute
rund IV* Millionen, das heißt etwa 260 000
Stück kleiner als 1939. Er hat gegenüber
dem Vorjahr um 1,5 Prozent abgenom¬
men, der Schweinebestand um 8,5 Prozent
auf rund 700 000 zugenommen, ist aber
noch um rund 180 000 geringer als in der
Vorkriegszeit. Der Hühnerbestand ist na¬
hezu unverändert geblieben gegenüber
1946, jedoch mit rund 5 Millionen noch um
eine halbe Million geringer als in der Vor¬
kriegszeit. Die Schweiz bleibt demnach
weiterhin auf die Einfuhr von Futtermit¬
teln, Milchprodukten und Schlachtvieh
bzw. Fleisch angewiesen.
Bern. Die Rationierung der Speise-Ha¬
fer-, Gerste- und Maisprodukte ist auf¬
gehoben, weil in den verschiedenen Lan¬
desgegenden die bisherigen Coupons von
der Bevölkerung sehr ungleichmäßig einge¬
löst wurden. Verfütterung bleibt verboten.
Zürich. Viele Vdehbesitzer müssen jetzt
schon Heu verfüttern; die Abteilung für
Landwirtschaft gestattet deshalb in den
Mangelgebieten schon jetzt die Verfütterung
von Futterstroh, Dreschabfällen, Futterkar¬
toffeln, Obst und Kleie an Milchkühe. Die
Kraftfutter-Winterzuteilung wird schon am
1. Oktober einsetzen, in besonders benach¬
teiligten Gebieten gibt es schon in nächster
Zeit eine zusätzliche Menge von Kraftfutter.
Zürich. Bei Schuh-Importen aus England
und Amerika werden Preise verlangt, che 10
bis 15 Franken unter den einheimischen lie¬
gen.
Baden. Aus Paris besuchte der historische
Eisenbahnzug „Le Continent” mit 50 kostü¬
mierten Damen und Herren, mit einer
Crampton-Lokomotive aus dem Jahie 1852
und mit Wagen aus der Zeit von 1840 bis
1845 die Feierlichkeiten zum Jubiläum der
Schweizer Bundesbahn.
Schwyz. Der Inner schweizerische Bauern¬
bund beantragte die Erhöhung des Grund¬
preises für Milch auf 40 Rappen und eine
Erhöhung des Getreidepreises um 5—6 Fran¬
ken je Zentner. Der Preis für erstklassigen
Weizen soll 32,5, die untere Preisgrenze für
Speisekartoffeln soll 24 Franken betragen,
die Fleischratiomerung sollte aufgehoben
werden, — wünscht der Bauernbund.
Saigneiegier. Auf dem Pferdemarkt wur¬
den für edle Hengste bös 12 000 Franken, für
Stuten bis 3500 und für Fohlen 700 Franken
bezahlt.
Arosa. Vom Lichtklimatologischen Obser¬
vatorium wurde dieser Tage ein Nordlicht
beobachtet.
Wien. Der Alliierte Rat hat der öster¬
reichischen Regierung die Errichtung eines
Amtes für Zivilluftfahrt im Verkehrsmini¬
sterium gestattet
Wien. In den Abendstunden wurden wie¬
derholt helle Feuerkugeln am Himmel beob¬
achtet, die sich „in hyperboloiden Formen"
fortbewegen. Wiener Astronomen fordern
in einem Aufruf die Bevölkerung auf, wei¬
tere Beobachtungen mitzuteilen.
Wien. Normalverbraucher können in der
nächsten Zuteilungsperiode wegen der von
280 auf 700 Gramm erhöhten Zuckerration
statt 1550 nunmehr 1600 Kalorien erhalten.
Wien. Falls nicht die Betreuung von Klein¬
waldbesitz durch geschultes Forstpersonal
durchgeführt werden sollte, würde die Zahl
der Studenten der Forstücfaen Hochschule
den Bedarf um das fünf- und sechsfache
überschreiten. Der normale Jahresbedarf an
höher vorgebildeten Nachwuchs beträgt ge¬
genwärtig 25—30.
Wien. Durch Kriegseinwirkungen sind
in Wien rund 110 000 Wohnungen zerstört
oder beschädigt worden; 14 492 zerstörte
sind bisher wiederhergestellt. mehr als
33 000 gefährdete wieder bewohnbar ge¬
macht.
Innsbruck. In Tirol gibt es gegenwärtig
211 Sportvereine, darunter 80 Ski- und 36
Fußballvereine mit einer Gesamtzahl von
über 12 000 aktiven Mitgliedern.
Salzburg. Eine Schmugglerbande, die einen
großangelegten Menschenschmuggel zwi¬
schen Deutschland und Oesterreich betrieb,
wurde ausgehoben. Ein illegaler Grenzüber¬
tritt kostete 500 RM.
Mit und ohne Kommentar
Lake Success.- In der Debatte über de«
Fall Indonesien beschuldigte Gnomyko die U5A,
sie wollten der indonesischen Republik ihre
Vermittlung aufdTängen, um den Sicherheitsrat
zu umgehen.
Washington. Die amerikanische Regierung
hat iht Vermittlungsangebot im indonesischen
Konflikt zurückgezogen.
Lake Success. Im Sicherheitsrat legte
Gromyko während der Beratungen über die Si¬
tuation .auf dem Balkan, die nach einem austra¬
lischen Antrag eine Bedrohung des Weltfriedens
darstellen soll, sein 15. und 16. Veto ein. Der
jugbslawisdie Delegierte erklärte, die griechisch«
Regierung könne nur durch ausländische Ein¬
mischung am Ruder bleiben
London. Der Führer der griechischen Li¬
beralen, Sofulis, erklärte einem Reporter von
„News Chronicle”, der Sieg der „Rebellen
über die Regierungsstreitkräfte sei nur eine
Zeitfrage. Ein Ausweg sei nur möglich, wenn
Griechenland es aufgebe, ein Bollwerk gegen
die Slawen sein zu wollen.
LakeSuccess. Nachdem die General Ver¬
sammlung der UNO den Anspruch Südafrikas auf
Eingliederung Südwestafrika s abgelehnt und
empfohlen hatte, dieses Gebiet unter die Treu¬
händerschaft der UNO zu stellen, -wurde der UNO
jetzt offiziell mitgeteilt, daß die südafrikanische
Union der Empfehlung der Generalversammlung
der UNO n i ch t nachzukommen beabsichtige
Lake Success. Der holländische Botschaf¬
ter teilte dem Sicherheitsrat mit, Holland werde
niemals bereit sein, sich einem Schiedsspruch
der UNO in Sachen Indonesiens zu unterwerfen,
„da die UNO dort nichts zu tun habe”. Holland
besitze die Oberhoheit in Indonesien.
Seattle. Der amerikanische Handelsminister
und frühere Botschafter in Moskau, Harriman,
erklärte in einer Rede, die Tatsache, daß ameri¬
kanische Großflugzeuge in denkbar kürzester Zeit
den Atomkrieg in feindliches Land zu tragen
imstande seien, sei die wirksamste Abschreckung
und Garantie gegen den Einsatz militärischer
Kräfte durch andere Völker. Die USA müßten
„die Fahnenträger der Freiheit gegen den gie¬
rigen russischen Imperialismus" sein.
„Exchange” bezeichnet die Rede von Harriman
als die schärfste, die je ein USA-Regierungs-
mitglied gegen die UdSSR gehalten habe. Es ist
ein Zeichen für den Geist der neuen Zeit, daß
solche Aeußerumgen nicht einmal mehr diplo¬
matische Demarchen hetrvorrufen, sondern daß
führende Vertreter der führenden Länder ständig
beisammen sitzen, und weiter diskutieren . ..
„Und nun gehen wir zu dem Tischchen hinüber,
auf dem zwei Blätter aus der französischen Zone
aufgeschl-agen liegen. DeT in Konstanz heraus-
gegebene „Südkurier" streift am 18. Juli in
einem Washingtoner Bericht „Die wirtschaftliche
Stabilisierung Deutschlands", deT sich vornehm¬
lich mit den Beratungen über die Ruhrindustrie
befaßt, die Direktiven an General
C1 a y und registriert die „skeptische Haltung
Frankreichs”. Die Leitartikel über Deutschland
scheinen gerade um diesen Zeitpunkt beim „Siid-
kurier" ausgesetzt zu haben ...”
Die Neue Zeitung, 15. August
Hören wir weiter;
Lace Success (Reuter) Der Generalsekre
tär der UNO, Trygve Lie, erklärte in seinem
Jahresbericht, daß kein verantwortungsbewußter
Staatsmann in irgendeinem Land einen Krieg
beabsichtige. „Wenn die beteiligten Nationen
bei ihren Bemühungen zur Lösung allgemeiner
Weltprobleme die militärischen Vorbereitungen
fallen lassen würden, könnten Millionen von
Menschen, die unsere Anstrengungen über¬
wachen, ihr eigenes Verlangen nach Frieden
durch unsere Organisation verwirklicht sehen.
Die gegenwärtige politische und wirt¬
schaftliche Lage darf nicht IängeT als eine
Folge des Krieges angesehen werden. Die Ur¬
sachen liegen vielmehr in der allgemeinen poli¬
tischen Entwicklung . . ."
Vorarlberger Volksblatt, Bregenz
Lake Success (DENA-ReuteT) ... Keine
von Verantwortung getragene Erklärung
irgend einem Lande könne sich mit der Mög¬
lichkeit eine g bevorstehenden Krieges befassen,
erklärte usw .. " Wenn die betreffenden Na¬
tionen bei ihren Bemühungen, die grund¬
legenden Probleme der, Welt zu lösen, die mili¬
tärischen Voraussetzungen beiseite ließen, könn¬
ten Millionen von Menschen usw. . .." Die Fol¬
gen des Krieges könnten jetzt nicht mehr als
Hauptgrund für die wirtschaftlichen Probleme der
Welt angesehen werden. Diese Probleme seien
vielmehr in großem Umfang eine Folge der
politischen Lage . .” Giessener Freie Presse
Lace Success. (DPD.-Reuter). Die Nach¬
wehen des Krieges seien nicht mehr die Haupt¬
ursache der wirtschaftlichen Probleme, denen die
Welt gegenüberstehe. Wenn man bei dem Ver¬
such, die Weltprobleme zu lösen, die „hoffnungs¬
frohe, aber dennoch wahrhaft realistische
Ueberzeugung haben könne, daß kein verant¬
wortlicher Staatsmann irgendeines Landes die
Möglichkeit eines Krieges ins Auge fasse, wür¬
den sich Millionen Menschen im Schutz der
Vereinten Nationen geborgen fühlen . . .”
Tagesspiegel, Berlin
New York. (SNB). .Wenn die betrof¬
fenen Nationen bei ihren Bemühungen, die
Grundprobleme der Welt zu lösen, alle mili¬
tärischen Anstalten fallen lassen würden, dann
würden Millionen Menschen, welche unsere Be¬
mühungen beobachten, wirklich fühlen, daß ihr
eigener unbestreitbarer Wunsch nach Frieden
durch diese Organisation gefördert würde
Tägliche Rundschau, Berlin
„Die Gegenwart, die an das krankhaft nervöse
Tempo der Entwicklung auf manchen Gebieten
gewohnt ist, möchte auch von den Vereinten
Nationen rasche und große Wirkungen sehen
und übersieht dabei die ungeheuren Schwierig¬
keiten ersprießlicher internationaler Zusammen¬
arbeit. Auf diese Schwierigkeiten weist der
Bericht (Trygve Lies) einleitend hin, indem er
eindeutig erklärt, die Arbeit der Vereinten
Nationen werde durch die politischen Auseinan¬
dersetzungen der Großmächte stark behindert usw.
Die neue Welt ist nicht wie die alte in sechs
Schöpfungstagen hervorzuzaubem ... Da gibt es
nur eine Parole, die allgemein gültige Parole
einer zerstörten Welt: Geduld."
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Aus einem Kommentar der Neuen Zeitung,
München, vom 15. August (siehe oben). Der Platz
für Nachrichten sdieiirt gerade um diesen Zeit¬
punkt bei der ..Neuen Zeitung’* knapp gewesen
Es ist interessant, welche Zeitungen welche
Meldungen kommentieren, und wie. Ebenso in¬
teressant ist es aber auch, zu untersuchen, welche
Zeitungen weiche Meldungen veröffentlichen, in.
welches* Fcxnn, und warum. Denn: Nachrichten,
sind heilig, Kommentare sind frei .,.
SÜDKURIER
Verantwortlicher Redakticmseu sschuß: Hermann.
Dörfläoger (CDU) Rudi Goguel (KP), Herbert
Goldscheider (SP). Friedrich Mundüng (DP). Her¬
mann Fiebing. • Vertag: Südkurier-Vertag GmbH
• Druck: Druckerei Konstanz, Fisch markt 5
Für unverlangt eingesandte Manuskripte, über«
nimmt die Redaktion keinerlei Haftung
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