Dienstag, 26. August 1947
HEIMAT
KURIER
B
Nr. 66/Seite 3
ßaöifche
LanÖcöchronih
Vogclroartc bei Oer Arbeit
Für den Naturfreund und Ornithologen
Ist zur Zeit an der Markeifinger Bucht
ein herrliches Schauspiel geboten.
Wir stehen vor einem dichten Schilf¬
gelände des Sees, nahe am Bahnhof
Markelfingen, und erwarten die Schwal¬
ben. Noch sind kaum einige zu sehen.
Enten quaken im See, Teichrohinsänger
hüpfen im Schilf von einem Stengel zum
andern, und Bläßhühner jagen sich am
Schilfrand. Die Sonne verschwindet rot
hinter dem schwarzblau schimmernden
Hohentwiel und Hohenstoffel und ver¬
ursacht eine wunderbare Beleuchtung von
Wolken, Himmel und See. Ueber Radolf¬
zell schlängeln eich Rauchwolken.
Die ersten Schwalbenzüge treffen ein.
Hoch kreisen sie! Immer neue Züge kom¬
men von Westen heran. Tausende und
Abertausende werden es jetzt. Ein Baum¬
falkenpaar beginnt seine abendliche Jagd.
Sturzflug auf Sturzflug erfolgt, doch ge¬
schickt weichen die Meister des Fluges
aus. Immer wieder steigen die Falken in
höchster Höhe über die Schwalben, wie¬
der stürzt das Falken-Männchen herunter,
cs hat Glück gehabt. Mit einer Schwalbe
im Fang streicht es ab, dem Bodanrück
zu. Das Weibchen hatte kein Heid und
mußte leer zum Schlafplatz ab fliegen.
Nun fallen die Schwalben wie Steine
stürzend ins Schilf, aber nicht alle auf ein¬
mal, sondern tropfenweise brausen sie an.
Bald ist das Schillstück voll von Schwal¬
ben, und aus ihm ertönt ein Rauschen
und Zwitschern. Langsam senkt sich che
Nacht, und stille wird es auch im Schilt
Am Rande des Schi Utes knien Männer
der Vogelwarte Radolfzell mit einem
Licht. Sie hatten in einem Netz einfallende
Schwalben gefangen, und nun werden sie
beringt, eingetragen und wieder freigelas¬
sen. Meist sind es Rauchschwalben, doch
einige Uferschwalben sind auch daunter.
Bald werden die Schwalben die große
Reise nach dem Süden antreten, und man¬
cher Ringfund wird die Strecke des Zuges
oder des Winteraufenthaltes deuten und
fördert dadurch die friedliche, wissen¬
schaftliche Forschung unter den Völkern.
Stadttheater Konstanz unter neuer Leitung
Konstanz. Die Leitung des Kons tan zer
Theaters, das seit seiner Wiedereröffnung
nach dem Kriege eine erfreuliche und be¬
achtliche Entwicklung erlebte und den Na¬
men Konstanz als interessante Theater¬
stadt weitbekannt werden ließ, ist nun
nach einer mehrwöchigen Krisis durch
«ine Wahl des Stadtrates für «he kommende
Spielzeit wieder besetzt worden. Nachdem
che vorhergegangene Wahl Heinz Hilperts
für das Konst an zer Stadttheater nicht auf¬
rechterhalten werden konnte, wurde Wolf¬
gang Engels, der in der vergangenen
Spielzeit zusammen mit Dr. Walter Koch
Nöte t)or hunöcrt Jahren
„Vor Pest, Krieg und Hungersnot be¬
wahre uns, o Herr!“ lautet nicht etwa nur
ein moderner Bittruf der gequälten
Menschheit, nein, seit Jahrhunderten er¬
füllt dieser Ruf aus angsterfüllten Men-
«henherzen die Welt. Eine Generation gibt
ihn an die folgende weiter. Auch vor hun¬
dert Jahren ging das Gespenst des Hun¬
gers durch unsere Heimat, wenn auch nicht
in dem Umfange und aus den Ursachen
wie heute. Die Not machte sich besonders
stark in der ersten Hälfte des Jahres 1847
fühlbar, als die letzten Vorräte an Ge¬
treide und Kartoffeln zur Neige gingen,
die Preise in die Höhe schnellten und un¬
ter den ärmeren Schichten der Bevölke¬
rung in den Städten und auf dem Lande
bitterer Mangel einkehrte. Vor allem im
Odenwalde, im Kraichgau, in manchen Ge¬
meinden der Seegegend, in der Landes¬
hauptstadt und in Mannheim mußten Not¬
maßnahmen getroffen werden, um das von
der Mißernte, betroffene Volk und die in
Not geratenen Bauern zu unterstützen.
Großherzog Leopold von Baden ließ im
Ausland 26 000 Malter Roggen und 10 000
Malter Weizen (1 Malter = 150 Liter) an-
kaufen und an unbemittelte Gemeinden
and Arme verteilen. Unterstützungskom-
missionen in den Gemeinden wurden er¬
richtet, durch Suppenanstalten Tausende
tespeist. In Karlsruhe sah man große
Scharen tagtäglich zum Schlosse ziehen.
„Mit der steigenden Not vermehrt sich Ihre
Zahl, und an den letzten drei Audienzta-
gen waren es jeweils über 1000 Personen,
von denen jede eine Gabe empfing“, wie
aus der Fülle der anschaulichen Berichte
der „Konstanter Zeitung“ jener Februar¬
tage 1847 zu entnehmen ist. In Konstanz
selbst wurde unter Führung von J. Mar¬
mor am 5. Februar 1847 der „Hilfsverein
Konstanz“ gegründet. In seinem Aufruf
beißt es, daß uns „nur rein menschliche
Rücksichten bei unseren Handlungen lei¬
ten werden... Wir kennen nur eine Par¬
tei, die Partei der Humanität, der werk¬
tätigen Menschenliebe; alle anderen Par¬
teien sind für uns im Begriffe der hilfsbe¬
dürftigen Menschen untergeganaen“.
Auf Veranlassung der Regierung wurde
weiter ein Fonds zur Unterstützung armer
Landwirte mit Sommersaatfrüchten ge¬
schaffen. Ferner wurden die Reiseinfuhr
vom Eingangszoll befreit und die Aus¬
gangszölle auf Getreide und Hülsenfrüch¬
te, auf Mehl und Mühlenfabrikate auf 25
Prozent des durchschnittlichen Preises er¬
höht, wurden Kulturarbeiten auf domä¬
nenärarischen Gütern für bedrängte Ge¬
meinden unternommen und im Mai eine
allgemeine Früchteaufnahme über die Vor¬
räte an Kernen, Weizen, Spelz, Korn, Ger¬
ste, Haber, Mehl, geröllter Gerste, Erbsen,
Bohnen, Linsen Kartoffeln, Welschkorn
und Mischfrucht angeordnet. Im Seekreis
war der Verbrauch an Getreide weitaus
am stärksten, auch die Preise niedriger.
Der starke Absatz In die Schweiz
wurde durch die erhöhten Ausfuhrzölle
merklich gedrosselt Durch solche Ma߬
nahmen gelang es der Regierung unter
energischer Mithilfe der Gemeinden und
Einzelpersonen, der Not und der Teuerung
Herr zu werden und den Anschluß an die
neue Ernte zu gewinnen. Um Mittsommer
1847 ging ein befreiendes Aufatmen
durch das Land, als reicher Frucht- und
Emtesegen die Mühen lohnte. Unter dem
6. August 1847, also just vor einem Jahr¬
hundert, brachte die „Konstanzer Zei¬
tung" einen Bericht über günstige Ernte¬
aussichten, daß „der Regen den Kartoffeln
gut getan“ habe und „ungewöhnlich er¬
giebige Obsterträgnisse“ zu erwarten
seien, wovon „ein großer Teil zu Most
ausgepreßt werde, welcher bei gehöriger
Behandlung bis in den Sommer des künf¬
tigen Jahres 6ich halte als ein sehr ge¬
sundes Getränk’’. „Auch der Seewein
wird geraten und wohlfeil werden”, heißt
es weiter,“ wenn auch nicht in dem Grade,
wie die Chronik einer Stadt am Boden¬
see uns erzählt, wonach im Herbste 1473,
welcher Ende August begann, das Fuder
Wein 1 fl. 45 Kr. kostete, die Maß für ein
Pfennig und der allerbeste für drei Hel¬
ler ausgeschenkt wurde, und ein Eimer
Wein mit einem Apfel gleichen Preis ge¬
golten haben soll”.. 1484 habe man einen
Eimer Wein für ein Hühnerei verkauft
und um ein leeres Faß ein anderes mit
Wein gefüllt. J, H.
dem Theater Vorstand, gewällt, unter der
Bedingung, daß Heinrich Troxböhm-
ker als OberspieUedter engagiert wird.
Diese neuerliche Lösung der Konstanzer
Theaterfrage muß noch von der Militär¬
regierung bestätigt werden.
Unterbrochene Spruchkammer-Verhandlung
Kar brühe. Zu einem sensationellen Er¬
gebnis führte die Spruchkammerverband-
lung in Bruchsal gegen einen Gerbermei¬
ster. Als der öffentliche Ankläger in dem
Betroffenen seinen ehemaligen Peiniger
wiedererkannte, legte er sein Amt als öf¬
fentlicher Kläger nieder und trat als Haupt¬
belastungszeuge gegen ihn aut Während
des Krieges war der Gerbermeißter mit der
Ueberwachung einer von der Organisation
Todt eingesetzten „Arbeitsgruppe” von
politischen Häftlingen und rassisch Ver¬
folgten beauftragt. Dieser Gruppe gehörte
auch der heutige öffentliche Kläger an und
soll dort von diesem Gerbermeister ge¬
schlagen und mißhandelt worden sein. Das
Verfahren wurde sofort unterbrochen, der
Betroffene verhaftet und seine Ueberfüh-
rung in das Internierungslager Ludwige¬
burg angeordnet.
Nur 12 Prozent voll einsatzfähig
Mannheim. Die vertrauensärztliche Un¬
tersuchung von 510 Männern und 42 Frau¬
en beim Arbeitsamt in Mannheim im Mo¬
nat Juli ergab, daß nur 12 Prozent voll
einsatzfähig und nur 4,1 Prozent für den
bisherigen Beruf geeignet waren.
Kontrolle schon ln Göttingen
Wiesbaden. Zur besseren Kontrolle der
Ausweispapier deutscher Reisender in dem
täglich verkehrenden internationalen
Schnellzug Dänemark—Schweiz, der bei
Hachenberg die Grenze zwischen der bri¬
tischen und amerikanischen Zone pas¬
siert, werden die hessischen Grenzpoli-
zieten zukünftig den Zug bereits in Güt¬
tingen besteigen und auf der Fahrt bis
zum Eintritt in die US-Zone kontrollieren.
Durch diese neue Methode der Zugkon¬
trolle sollen unnötige Verspätungen an der
Zonengrenze verhütet werden.
Traditioneller Mainzer Weinmarkt
Mainz. Auch in diesem Jahre hält Mainz,
trotz aller wirtschaftlichen Schwierigkei¬
ten, seinen traditionellen Weinmarkt ab.
Am 30. und 31. August, sowie am 6., 7. und
8. September wird auf dem Halleplatz eine
Zeltstadt aufgebaut. Man hofft, daß der
Mainzer Weinmarkt in nicht allzu ferner
Zeit wieder seinen eigentlichen Sinn, näm¬
lich den einer Werbung für den heimischen
Weinbau, erhalten wird. In diesem Jahr
wird der freigegebene Wein in der Haupt¬
sache der Großma Inzer Bevölkernug und
den evakuierten Fliegergeschädigten zu¬
gute kommen.
Audi der ehern. Bürgermeister von Mayen
verhaftet
Koblenz. Auf der letzten Ministerrats¬
sitzung des Landes Rheinland-Pfalz wurde
über den Fall des Mayener Großschiebera
debattiert Der Generalstaatsanwalt von
Koblenz teilte mit daß der Stadtamtsrat
von Mayen, der von Januar 1945 bis Ende
1946 Bürgermeister der Stadt Mayen war,
wesentlich für die bisherige Nichtverfbl-
gung des Falles verantwortlich ist. Der
ehemalige Bürgermeister hatte genaue
Kenntnis von den geheimen Warenlagern,
nahm jedoch von der Einleitung des
Strafverfahrens Abstand. Gelegentlich
einer Haussuchung bei dem Exbürgermei¬
ster wurden ein Zentner Weißmehl, 50
Büchsen Fleisch, etwa 800 Zigaretten und
45 Büchsen Tabak aufgefunden. Außerdem
unterhielt er in einem Keller der Geno¬
veva-Burg ein weiteres Lager mit Lebens¬
mitteln. Schließlich ergab sich der Verdacht
daß er sich in seiner Eigenschaft als Bür¬
germeister während der Nazizeit eines
Verbrechens gegen die Menschlichkeit
schuldig gemacht hat. Der Bürgermeister
ist inzwischen ebenfalls verhaftet worden.
Der Wieöeraufbau Der Freiburger Kliniken
Die 1926 bis 1931 gemeinsam mit der Me¬
dizinischen Klinik erbaute Freiburger Chi¬
rurgische Universitätsklinik wurde beim
Angriff auf Freiburg am wenigsten inner¬
halb des ganzen Klinikenkomplexes be¬
schädigt. Auf Befehl von General König
wurde dieser Teil deshalb auch zuerst
wieder instandgesetzt. Die Aufbauarbei¬
ten stehen nun vor dem Abschluß. Dieser
Tage erfolgte eine Besichtigung der In¬
standgesetzten Teile dieser — bis zum An¬
griff — modernsten und wirtschaftlichsten
deutschen Universitätsklinik durch Ver¬
treter der Müitärregierung, des Kultus¬
ministeriums und der Stadt.
Bei diesem Anlaß wurde bekanntgege¬
ben, daß nicht nur die beiden im Sanato¬
rium Glotterbad und in der Kaltwasser¬
heilanstalt St. Urban untergebrachten
Teile der Chirurgischen Klinik, sondern
auch die im Waisenhaus Günterstal unter¬
gebrachte Hals-, Nasen- und Ohrenklinik
in die neue Chirurgische Klinik ziehen
werden, und zwar noch vor Anbruch des
Winters. Im Anschluß daran soll auch der
Torbau der neuen Freiburger Kliniken zur
Aufnahme der Klinikapotheke und der
Klinikverwaltung ausgebaut werden, fer¬
ner der westlich an die Chirurgische Kli¬
nik anschließende, weniger beschädigte
Teil der Medizinischen Klinik vor allem
zur Aufnahme der heute noch unbefriedi¬
gend untergebrachten medizinischen Poli¬
klinik und eines Teiles der Medizinischen
Klnik instandgesetzt werden. Das Sana¬
torium Glotterbad soll mitsamt dem Kur¬
haus ein privates öffentliches Krankenhaus
werden, das an die Freiburger Universi¬
tätskliniken angeschlossen ist. Die Anstalt
St. Urban wird von der gynäkologischen
Abteilung der Frauenklinik in Anspruch
genommen werden. Nach diesen Umge¬
staltungen werden die Freiburger Kliniken
wieder 1740 Betten zur Verfügung haben
Postwertzeichen mit dem Freiburger
Münster
Seit einigen Tagen Ist in der franzöesich
besetzten Zone Badens eine neue Elne-
Mark-Briefmarke tim Umlauf. Das außer¬
gewöhnliche Hochformat (25 ; 43 mm) zeigt
in grau-braunem Druck * die Vorderansicht
des Freiburger Münsters. Im allgemeinen
dürfte dieses Wertzeichen mehr dem Lieb¬
haber und Sammler als der Allgemeinheit
dienen.
Sommerlicher Brief aue ßaöen*ßaöen
Einet waren diese Tage Auftakt zu der
„Großen Woche" von Baden-Baden. Die
sommerliche Badestadt war der Treff¬
punkt der Haute volee von Geburt und
Geldbeutel. Jene Tage der Rosen und des
„Blumepkorsos” sind längst vergangen —
geblieben aber ist: das Rennen in Iffez¬
heim. Es geht zwar nicht mehr um den
„Grand Prix” von früher, aber wieder sind
es meist französische Renner, die sich die
großen Preise holen. Und viel Volk aus
der Umgegend ist da, wenn auch nicht
mehr in Cut und grauem Zylinder. Es gab
aber diesmal auch etwas, was es früher
nicht gab — ein Reitturnier auf den Klo¬
sterwiesen am Ende der Lichtentaler Allee,
den berühmten Boulevard des flaneurs.
(Auch sie hat ihren traurigen Tribut an
die Zeit zahlen müssen.) Zwar kehrt man
nicht mehr die Wiesen, damit ja kein wel¬
kes Blatt das satte Grün störe. Aber,
staunen Sie, es werden neben den alten
Tennisplätzen neue angelegt; gegenüber
dem stets überfüllten Schwimmbad, dort,
wo einst im Winter der „Eisweiher” und
später der Kleingolfplatz war.
Weniger erfreulich war, daß an einem
der letzten Sonntage plötzlich die Sirenen
heulten! Auch diesmal war es Signal zu
einer bedrohlichen Sache; wenn auch nicht
ganz so ernst wie früher: der „Steinwald”
war in Brand geraten. Die Feuerwehr be¬
kämpfte den Waldbrand ganz modern mit
Schaumlöschgeräten! — Im Stadtrat hörte
man von mancherlei Plänen und den dazu
gehörenden Sorgen: vom reichlich theore¬
tischen Wohnungsbauprogramm — bis jetzt
sind fünf Holzhäuser mit vierzehn Woh¬
nungen fertig —, von den Schwierigkeiten
der Müllabfuhr, von der Ernährung, und
wieder von der Wohnungsnot, wobei der
Oberbürgermeister erklärte, die hiesige
Wohnungslage entspreche einer bis zu 70
Prozent ausgebombten Stadt. Trotzdem
wolle der starke Zuzug immer noch nicht
aufhören. Nun wird eine neue Ueberprü-
fung aller 1939 Zugezogenen vorge¬
nommen. Rr.
SüDroeftDeutfche Umfchau
Konstanz. Am vergangenen Freitag erlitt das
Kursschiff „Hohentwiel" (Konstanz—Friedndis-
hafen) am Ausgang der Konstanzer Bucht einen
Bruch des Schaufelrades und blieb manövrier¬
unfähig liegen. Die „Stadt Bregenz" nahm das
Schiff in Schlepptau und fuhr es in den Kon¬
stanzer Hafen. Ein zweiter Bruch stellte sich
am Samstagmorgeo bei der Fahrt von Meersburg
nach Konstanz ein. Jedoch konnte diesmal das
Schiff mit eigener Kraft den Konstanzer Hafen
erreichen. — Seit der Eröffnung des Konstanzer
Kur- und Hallenbades im FTÖhsommer d J. bis
zum 19. August haben nicht weniger als 82 000
Besucher das Bad aufgesucht. Dagegen zählte
man während der ganzen Saison 1946 insgesamt
42 000 Besucher.
Immenstaad. Eine vorbildliche Maßnahme wird
in der Gemeinde Immenstaad durchgeführt. Bin
Teil der Obsternte von gemeindeeigenen Bäumen
wird für die OstfWditlinge eingekeiiert, damit
diesen an Weihnachten eine Freude bereitet wer¬
den kann.
Lindau. Die Stadt Lindau plant vom 13 bis
18 September eine Herbstwoche. Im Gegensatz
zu 1946 trägt die Woche keinen industriellen
Ausstellungscharakter, sondern beschränkt sich
lediglich auf kulturelle Veranstaltungen, für die
namhafte Kräfte verpflichtet wurden. Man rech¬
net außerdem mit einem starken Besuch aus
der Schweiz.
Tuttlingen. Die Stadt Tuttlingen hat für jeden
kriegsgefangenen Sohn der Stadt, der sich in
jugoslawischer Kriegsgefangenschaft befindet, ein
großes Uebeepaket abgesandt, das neben ver¬
schiedenen nützlichen Gegenständen Eß- und
Rauchwaren enthält.
Hinterzarten. Die Landeserziiehungs-Heimschule
Birklehof wurde von einem Schadenfeuer heim-
gesucht Zwischen dem Schindeldach und der
darunter liegenden Bretterverkleidung lag der
Brandherd und konnte nur schwer bekämpft
werden. Das Feuer konnte auf den Mittelbau
beschränkt werden Die Biamdursache ist völlig
ungeklärt, da das Gebäude . seit acht Tagen
nicht mehr betreten wurde. Der Schaden. wird
auf 30 000 bis 40 000 RM. geschätzt. Der Unter¬
richtsbetrieb leidet keine Unterbrechung.
Rbetnfelden. Am 6. und 7. September findet
hier der 1. Friedenstag der deutschen Jugend
statt. Die Feier, an welcher Jugendliche aus den
Kreisen Sädcingen, Lörrach und WaMshiut teil-
nabmen, wird von sämtlichen demokratischen
Jugendorganisationen getragen. Es wird mit einer
Teilnahme von ca. 300 auswärtigen Jugendlichen,
gerechnet.
OHenburg. Auf Anordnung der Militärregierung
wurden drei Landwirte in Stadelhofen, Ulm und
Tiergarten wegen dauernder schlechter Milch-
ablieferung verhaftet. In diesem Zusammenhang
wurde erklärt, daß die Milch- und Fe «Versor¬
gung nur dann gewährleistet sei, wenn die
Bauern ihrer Milchablie ferungspflicht in vollem
Umfange genügten. ,
Baden-Baden. Die im vergangenen Jahr wegen
Anstiftung zum Mord an ihrem Ehemann zum
Tode verurteilte Maria Schlltt aus Niederbühl
bei Rastatt wurde in der Revlsionsveihandlung
von der Strafkammer Baden-Baden neuerdings
zum Tode verurteilt. Das Gericht kam zu der
Ueberzeugung, daß Frau Schlltt die treibende
Kraft bei der Ermordung ihres Ehemanns war.
Farbige Welt im Hegau
Zur Ausstellung ln Singen
Es lohnt sich, wieder einmal in die
Schule zu gehen, und zwar in die Ober¬
realschule in Singen. Hier können wir
mit Genuß etwas lernen. Der Kulturbund
äer Stadt am Hohentwiel unterrichtet uns
äber die „Malerei im Hegau und am Un¬
tersee”. Und es ist ein lebendiger, froh
hachendr Auschauungsunterricht, der uns
äie Werke von 37 Künstlern vorführt, die
lus dieser Gegend stammen oder hier ihre
Wahlheimat gefunden haben.
Um mit einem von der höchsten Klasse
hi beginnen, nenne ich den problemati¬
schen Otto Dix, der uns durch die Ver-
•chiedenartigkeit seiner Gesichte in Span¬
nung hält und immer als ein mit sich sei¬
ner Ringender erscheint. Sein in altmei-
iterlicher Technik minutiös ausgeführter
»Eisgang” (Oel) übersetzt den Eindruck
äer Unterseelandschaft bei kindlicher Er-
tehlerfreude in eine Märchenbuchsprache.
Uie „Silberdistel mit Mohn” dagegen ist,
*Us der Bindung des graphischen harten
Umrisses befreit und auch frei von aller
Mystik der Lichteffekte, eine wirklich ma¬
terische Impression in frischen Akkorden.
Die „fünf Masken” (Oel), ganz aus dem
tenlichen Eindruck stark aufgetragener
Farben gestaltet, erregen und treffen uns
licht weniger im Gemüt als die etwas ge¬
eicht aktuelle Variante des gleichen Mo-
3vs mit dem sichtbaren Ruinenhinter-
Dund. —Erich He ekel, der uns einst als
Bahnbrecher des jungen deutschen Expres¬
sionismus begeisterte, läßt uns kühl mit
•einen illustrativ wirkenden, groß in Oel
Bemalten Landschaften, und überrascht
ins dafür durch Aquarelle von stimmungs-
’oller Zartheit. — Von vitaler Ueberzeu-
tungskraft sind Arbeiten des aus der Düs¬
seldorfer Akademie hervorgegangenen Fer¬
dinand Macketanz. Er weiß die Mög¬
lichkeiten des Aquarells vielseitig auszu-
teitzen, indem er zum Beispiel im .»Win¬
ter am Untersee'’, das Verschwimmen der
dünnen Farben auf dem leuchtenden Pa¬
pier virtuos zu atmosphärischen Effekten
verwendet oder, wi a bei den „Farbigen
Gegenständen", einem Stüleben, mit star¬
ker, fester Kontur und den klaren Gegen¬
sätzen kompakter Farbflächen arbeitet
Seine „Birnenblüten”, in schmalem, hohen
Format, mit Tempera gemalt erinnern, bei
durchaus eigener geistiger Haltung und
Technik, an die Manier japanischer Holz-
achnitte. — Klarheit, Ruhe und Besinn¬
lichkeit sprechen aus dem besonders schö¬
nen „Stilleben” des Konstanzers F. Müh¬
lenweg, dessen Kunst in den letzten
Jahren viel an Reife gewonnen hat Auch
seine gleichsam traumhaft gesehene „Mo¬
zartstraße in Freiburg” zeugt von geistiger
Tiefe, die sich produktiv auswirkt —
— Durch sprühende Lebendigkeit fällt das
kleine „Zirkusbild” (Tempera) von dem in
Hemmenhofen lebenden Walter Herz-
g e r aut Man denkt an den französischen
Meister solcher Motive, den großen Tou¬
louse-Lautrec. Dabei sitzt Herzger, der
das Bunte und Witzige dezent in den Far¬
ben vorträgt, fest in eigenem SatteL —
Daß die Luft der weltabgelegenen Höri,
die Geister der dort Schaffenden nicht
einschläfert, hat sich längst erwiesen. Dort
fand Max Ackermann nach seiner
Verfemung durch das Hitlerregime Zu¬
flucht. Seine aus aller Konvention heraus¬
gelösten „Kompositionen” in Pastell wen¬
den sich an Vorurteilslose, die selber
Suchende sind. — Curt Georg Becker,
in Singen geboren, geht streckenweise
ähnliche Wege, die ihn von der Welt rea¬
listischen Sehens entfernen (Komposition
I und IR. — Eine der miniaturhaften
Bildtafeln von Alexander Rath (Katten¬
horn), „Die Nächtlichen”, begriffen als die
phantastisch-schönen Erscheinungen eines
Traumes, kann dazu dienen, manchem Be¬
reitwilligen das Verständnis für die vom
realen Gegenstand abgewandte Kunst zu
erleichtern.
Auf der Bahn der Ueberlieferung ist
Otto Marquardt (Konstanz) geblieben.
Sein Negerporträt in Oel ist kennzeichnend
für das handwerkliche Rüstzeug, das er
von Hans Thoma mitbekam. Oswald
Poetzelberger (Reichenau) pflegt
eine durch allegorische Gedanken beschat¬
tete Art der Darstellung und bleibt auch
im Landschaftlichen in grüblerischem
Dunkel. Erdnah sind die porträtmäßigen
Oelbilder von Bernhard Schneider-
Blumberg, wie der „Volksfreund”.
Besten künstlerischen Nachwuchs aus
dem Hegau repräsentiert' Hans Loch -
mann (Hilzingen). Sein „Birnbaum” ist
voller Feinheit und Frische. Von dem in
Tengen geborenen Erich R ü ck e r t erfreut
und das Pastell „Ballett”. Voll erstaun¬
licher malerischer Qualität sind die klei¬
nen Oelbilder „Höri” und „Am See”, die
der in Gefangenschaft verstorbene Emil
Z i m m a n n aus Gottma dingen 1935 ge¬
malt hat.
Ein feinmodellierter Knabenkopf des
Bildhauers Hans Kindermann (Hem¬
menhofen) ergänzt den Eindruck vom
schöpferischen Reichtum der im Hegau
und am Untersee lebenden Künstler.
Dr. Ernst Brasch
Die Hamsterfahrt
Kartoffeln alle. Kein Brot mehr. In Keller
und Küche völlige Flaute. — Was macht da
ein treusorgender und liebender Gatte und
Vater? — tüchtig: er schickt 6eine Frau aufs
Land und stattet sie mit guten Ratschlägen
aus. Mehr kann und will er nicht mitgeben •,
denn erstens kommt sowieso auf den Kopf
seiner Familie nur noch je ein Teller, ein
Löffel und ein Bettuchi und die paar Stum¬
pen, dies bei der letzten Zuteilung gab,
mein Gott, die möcht er doch selber rau¬
chen.
Was macht nun aber obengenannter Vater
und Gatte, wenn (Me Mutti nicht mehr kann?
Einfach nicht mehr kann, weü sie viel zu
sehr ab ist und das Betteln und das Davon-
gejagtwerden nicht mehr erträgt? — Er geht
selbst mal... und demonstriert, wie man'g
macht.
> Unter uns gesagt: dieser Vaü bin ich. Mit
eiserner Entschlossenheit schwang ich mich
nuf’6 Rad und fuhr mit der Miene eines
Mannes, der zum äußersten entschlossen ist,
in die vorsommerliche Landschaft Es war
schön. Die Skabiosen blühten, und von den
Linden wehte berückender Duft Die Aepfei
hatten schon angesetzt, und selbst die jüng¬
sten Birnbäume mühten sich, erste Früchte
zu tragen. Wie herrlich ist doch unsere Hei¬
mat Es erfaßt mich immer eine seltsame,
unnennbare Sehnsucht, wenn mir der Rhyth¬
mus unserer Drumlin-Hügel und das ent¬
zückende Widerspiel von Wolken und Was¬
ser bewußt wird.
Eingebettet in eine sanfte Mulde lag ein
bäuerliches Gehöft. Wie malerisch wirkte
das Rot der neuen Ziegel vor dem dunklen
Grün der Wiese. Aus dem Hausgarten
schimmerte ein dunkleres Rot, das Rot von
Feuerbohnen. Ach, es war mir, als würde das
jubelnde Fortissimo des Daches von cello¬
dunklen Pizzikato des Gartens wiederholt.
Herrlich war es.
Ich entbot der freundlichen Landfrau mei¬
nen Gruß; aber die Arme schien taub. Und
wehen Herzens sah ich sie zum Kuhstall
gehen, über dessen Eingang ein versilbertes
Hufeisen blinkte.
Weiter ging's. Weiter, immer weiter. Und
bald erschrak ich bis in den tiefsten Grund
meiner Seele. Die Taubheit schien in unserer
Landschaft epidemisch geworden zu «eia.
Wohin kh ging, wohin ich kam: kann nit
verstan.
Besorgt setzte ich mich an den Graben¬
rand. Griff spielerisch nach einem Tauben¬
kröpfchen. Hoppla, nicht daß Sie mich falsch
verstehen, ich ließ eine Blume, die Tauben¬
kröpfchen heißt, durch meine Finger gleiten.
Und sann. Sinnen ist eine Spezialität von
mir. Und wie ich so grübelte, huschte ein
braunes Etwas vor mir weg, blieb wie an¬
genagelt stehen und bäumte auf. Blüten¬
weiß leuchtete mir sein Latz 'entgegen,
seine Aeuglein phosphoriszierten wie dun¬
kelste Ruhrköhle, und sein zierliches Spitz¬
maul war frech wie... ja wie das eines Wie¬
sels. Man kann da nichts anderes sagen.
Und nun entspann sich ein sinniger Dialog.
Ich: „Grüeze, du herrliches Wuschele."
Wiesel: „Depp".
Ich: „Wieso, bitte?"
Wiesel: „Generaldepp!"
Und weg war das Biest. Unwiderruflich
weg. Ich dachte nach, ich sann, ich sinnierte,
ich wandte die differenziertesten und raffi¬
niertesten Methoden des Grübelns an. Ich
muß bekennen: alle meine Spezialitäten ver¬
sagten, Traurig schaute ich in die Abend¬
röte, und mir schien, als traure das Geiß-
biatt, das ein kleines Wiesenwässerchen
säumte, mit mir. Und Krähen fielen plötzlich
in die Wiesen ein, und ihr Krächzen fiel mir
auf B rußt" und Atem.
Es dämmerte. Goldene Schleier standen
vor Wald und See. Wo kamen all die
Schwalben her?
Ich mußte heimwärts. Ich sprach Verse
vor mich hin. Schöne Verse, keine eigenen.
Weiß der Kuckuck, immer wieder kam mir
das Wiesel in den Sinn. Das schlanke, ranke,
wendige Wiesel.
Gibt es eine visionäre Vorwegnahme gro¬
ßer Ereignisse? — Ich bin felsenfest davon
überzeugt. Denn als ich mit dem leeren Korb
nach Hause kam, sagte meine Frau nur:
„Depp." — Aus — Dch.
Volkslied-Tagung in der Ortenau
Der Ortenauer Kulturbund Offenburg
veranstaltet in Ortenburg in der Zeit
vom 5. bis 7. September eine Volkslied-
Arbeitstagung. Da® Volkslied und beson¬
ders die alten Ortenauer Heimatlieder, die
viel unvergängliches Brauchtum und eine
tiefe Liebe zur engeren Heimat aufs eigen,
sollen der Jugend neu erschlossen werden.