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Wummer 49

Karlsruhe, Ireitag, den 22 . Juni 1917

32. Jahrgang

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Der Kampf um die Seele des russischen Volkes dauert fort. Noch gibt die Entente ihre Sache nicht verloren» und alles» was englisch ist, denkt und fühlt, kennt im Augenblick kein höheres Ziel als die Auspeitschung des etwas lahmgewordenen Bundesgenossen im Osten zu neuer Selbstaufopferung im Dienste na, sagen wir: der Menschheit. Den Vogel abgeschossen hat vorläufig der immer noch in Petersburg weilende britische Minister Henderson, der Vertrauensmann der Arbeiterschaft im Kabinett Lloyd George : kurz und bündig erklärte er dem Arbeiter- und Soldatenrat, daß jetzt die Wahl getroffen werden müsse zwischen Ehre und Schande. Ein stärkerer moralischer Druck ist gewiß nicht mehr denkbar. Warten wir in Ruhe ab, wie er wirken wird.

Aber ein Vergleich drängt sich auf. Als kürzlich unsere Braven im Westen die ersten portugiesischen Kriegsgefangenen einbrachten, schilderte ein Bericht­erstatter, der mit ihnen zu plaudern Gelegenheit hatte, die Art und Weise, wie diese armseligen Gesellen sich mit ihrem Schicksal abgefunden haben. Sie sind ohne jede Kriegs­begeisterung mit Widerstreben Soldaten und mit noch größerer Abneigung Krieger geworden und lebten vom ersten Tage an nur der Hoffnung, daß diese ganze Sache, die ihnen völlig gleichgültig sei und sie nichts angebe, bald zu Ende sein möge. Irgendwelche Vorstellungen über den Zusammenhang Portugals mit dem Kriege hatten sie nicht, sie erklärten nur mit einer gewissen Gutmütigkeit, daß ihr Präsident wohl auch nichts dafür könne: sie hätten eben so viel Schulden bei England, daß man im Lande tun müsse, was England wolle. In der Tat, auf diesem goldenen Grunde ruht die Ehre, die England in seinem Kampf um die Bundesgenoisenschaft fremder Völker für sich in Anspruch nimmt. Fragt sich nur, ob auch die Russen, nachdem sie ihre Haut drei Jahre lang für den britischen Kapitalismus und seine imperialistischen Welt­beglückungsabsichten zu Markte getragen haben, noch gut­mütig genug sein werden, dieses Geschäft fortzusetzen. Für sie steht dabei mehr auf dem Spiel als für die willenlosen Portugiesen, die sich ihrer Verschleppung nach den französischen Schlachtfeldern ja allerdings ver­gebens widersetzt haben. Dieses kleine Vasallen­volk kann nie und nimmer daran denken, das britische Joch abzuschütteln; es besitzt auch, trotz seiner stolzen Vergangenheit, gar nicht mehr den ernsten Willen, es mit einem neuen staatlichen Leben zu versuchen. Ruß­land dagegen hat soeben mit seiner bisherigen Geschichte gebrochen, es will sich von Grund auf neu organisieren Wch Mch innen wie nach außen hin sich frei machen von überlieferten Anschauungen und Bindungen, denen es fein Selbstbestimmungsrecht bis jetzt hatte opfern müssen. Da wird es sich doch sehr zu überlegen haben, ob, was die Vertreter der weltbeherrschenden Macht- mterefsen Ehre und Schande nennen, Begriffe find, die von den Vorkämpfern wahrer Völkerfreiheit

unbesehen übernommen werden können. Die Ehre, für ' Aufrechterhaltung kapitalistischer Begehrlichketten zu sterben, hat für Männer, die sich gerade um des Übergewichtes dieser Tendenzen im modernen Staatsleben willen gegen das Zarentum erhoben haben, gewiß nichts Verlockendes; und die Schande, die Erlösung des russischen Volkes allen anderen Rücksichten voranzustellen, werden sie schließlich zu ertragen wissen. Ein Blick auf die gegenwärtige Lage der russischen Staatsbank muß ihnen ohnedies zeigen, daß die finanziellen Verhältnisse des Landes bald bis zur völligen Hoff- »ungslosigkeit gediehen sein werden. Nach dem neuesten Ausweis der russischen Staatsbank hat jetzt der Notenumlauf die Zwölf-Milliardengrenze überschritten, während der Goldvorrat der Bank sich nicht heben will. An kurz­fristigen Schatzscheinen der Regierung besitzt sie dafür die horrende Summe von 9'/- Millarden Rubel. Bei diesem Stande der Dinge ist die Gefahr einer englisch -ameri­kanischen Schuldknechtschaft, wenn Rußland weiterhin auf Gedeih und Verderb mit der Entente verbunden bleiben soll, so unmittelbar gegeben, daß wirklich ein sehr hoher Grad von Gutmütigkett dazu gehören würde, die .Ehre' des Ministers Henderson den eigenen Volks- und Landes- tnteressen vorcmzustellen.

England hat es von jeher verstanden, jeden Wider­stand gegen seine selbstsüchtigen Macht- und Wirtschafts- interefsen in Grund und Boden zu verdammen. Sollte es auch jetzt wieder mit dies« Methode Erfolg haben, so 'könnten die Handelsherren in London und Newyork sich allerdings ins Fäustchen lachen. Vorläufig drücken ste den Rubelkurs an allen ihrem Einfluß zugäng­lichen Börsen kräftig herunter, in der Hoffnung, daß diese Sprache in Petersburg auch von den neuen Machthabern richtig verstanden werden wird. Darin werden sie sich wohl auch kaum täuschen; wir find nur ge­stimmt darauf ob die Kerenski und Terestschenko für sie »eine andere Antwort bereit haben werden als die Diener des Zaren sie in solchen Fällen zu geben wußten.

Gallische Politik.

Der französische Ministerpräsident ist durch den sran- sischen Kriegsminister dementiert worden. Herr Ribot rtte auf Petersburger Druck hin angekündigt, daß die xGeheimverträgedemnächst" veröffentlicht werden würden.

Herr Peinlevö hat jetzt erklärt, daß die Veröffentlichung aus militärischen Gründen unterbleiben würde. Wollte man ein starkes Wort gebrauchen, so würde man sagen, daß die Franzosen mit ihren russischen Freunden Schind­luder spielen. Erst sollten die Verträge verschwunden sein. Dann sollten sie nach London verbracht worden sein. Dann kam Ribots Erklärung. Dann die weitere Einschränkung aus London , daß es sich bei einer Ver­öffentlichung natürlich nur um die Verträge vor Kriegs­ausbruch handeln könnte. Und jetzt wird den Russen kaltblütig gesagt, daß man überhaupt nichts veröffent­lichen will. Warum diese Scheu? Da militärische Gründe angeführt werden, so muß man von der Ver­öffentlichung wohl eine üble Wirkung auf die Fronten fürchten. Sollten es die französischen Soldaten nicht hören mögen, daß sie für ein englisches Mesopotamien weiter bluten sollen? Irgendwie müssen sie doch den Engländern für all das Liebe, was sie ihnen bei der nächstens 3 Jahre dauernden Invasion französischen Bodens alles angetan haben, danken. Und irgendwie müssen die Engländer sich doch entschädigen, wenn sie aus Calais wieder hinausgehen sollen? Dafür haben sie von Herrn Poincarö feste vertragliche Zusagen, und sie Pflegen auf ihrem Schein zu bestehen. Alles das wird sich wohl auch der französische Soldat mit der Zeit klar machen. Es wird ihm aber auch dann klarwerden, wenn die Ge­heimverträge nicht bekanntgegeben werden. Es gibt ge­wisse Wahrheiten, die sich in Akten einfach nicht begraben lassen. Dazu gehört die, daß die französischen Soldaten für imperialistische Ziele nicht bloß Frankreichs , sondern auch Englands fechten müssen dank der Politik ihres Präsi­denten, der sich so eng mit den englischen Machthabern verkettet hat, daß es keinen Rücktritt für seine Person gibt. Von der französischen Seite gesehen, erscheint die Angst vor der Veröffentlichung der Geheimverträge sonach weniger aus militärischen Gründen zu stammen als aus der Sorge des Präsidenten für seine Machtstellung. Die Wirkung nach Rußland dagegen wird in der Tat wohl richtig nach der militärischen Seite gelegt. Für Englands und Frankreichs Machtstellung einen sich ins Unendliche verlängernden Krieg zu führen, während alles im Lande nach Frieden drängt, das wird dem russischen Soldaten schwer eingehen. Da ist es schon besser, man sucht die Veröffentlichung so lange wie möglich hinauszuziehen, um sie endlich ganz aus der Diskussion verschwinden zu las­sen. Es hängt von der Stärke des russischen Selbstbe­wußtseins ab, ob das Spiel gelingt. Wir würden es begreifen, wenn der russische Soldat sagen würde: Wo man für die kleinste Nation fordert, daß sie instand gesetzt werden soll, nach eigenem Willen ihre Geschicke zu bestimmen, da wird man wohl auch an sich selber denken dürfen. Das Selbstbestimmungsrecht beginnt zu Hause. Aber möge das die Entente unter sich ausmachen. Es handelt sich für uns um eine der Fragen, die wir mit Interesse verfolgen; die aber unserer Einwirkung nicht unterliegt. _

Mitteilungen

aus dem deutschen Hauptquartier.

Der cleutkicke (ZeneuLlftabsbenickt.

Tp.rrL Großes Hauptquartier, 19. Juni. Westlicher Kriegsschauplatz.

Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht. An derFlandern- und Arras -Front ist die Lage unverändert. In wechselnder Stärke dauert der Artilleriekampf an; gestern war er be­sonders zwischen Bocsinghe und FrEnghien lebhaft. Östlich von Monchy warfen unsere Sturmtrupps die Eng­länder aus einigen Gräben, die bei den Kämpfen am 14. 6. noch in Feindeshand geblieben waren.

Heeresgruppe Deutscher Kronprinz. Von neuem versuchten die Franzosen bei Einbruch der Dunkelheit die ihnen kürzlich entrissenen Gräben nordwestlich des Gehöftes Hurtebise zurückzugewinnen; ihr zweimaliger Anlauf wurde zurückgeschlagen. In der Champagne drang der Feind gestern morgen nach starkem Feuer in einen oorspringenden Teil unserer Stellung südwestlich des Hochberges. Ein abends unternommener Vorstoß zur Erweiterung seines Besitzes schlug verlustreich fehl.

Heeresgruppe Herzog Albrecht. Nichts Neues.

Vom östlichen Kriegsschauplatz und von der Make­donische» Front find größere Kampfhandlungen nicht ge­meldet.

Der Erste Generalquartiermeister Ludendorff.

Großes Hauptquartier, 20. Juni. Westlicher Kriegsschauplatz.

Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht. Zwischen Dser und Lys nahm besonders am Abend der Artilleriekampf in einzelnen Abschnitten große Heftigkett an.

Hierzu derIllustrierte Familienfreunv"

Auch vom La Basfte - Kanal bis zur Scarpe war zeitweilig die Feuertätigkeit lebhaft. Süd­westlich von Lens griffen die Engländer auf dem Nordufer des Souchez-Baches an. Auf den Flügeln wurden sie abgewiesen, in der Mitte gelang ihnen ein Einbruch in unsere vorderen Gräben. Durch kräftigen Gegenstoß wurde verhindert, daß schnell nachgezogene eng­lische Kräfte ihren Erfolg erweiterten. Im Vorfeld unserer Stellungen nördlich von St. Quentin kam es zu Zusammenstößen unserer Posten mit englischen Streif­abteilungen, die in unserem Feuer weichen mußten.

Heeresgruppe Deutscher Kronprinz. Längs der Aisne nur stellenweise auflebendes Geschützfeuer. In der westlichen Champagne wurde durch kräftigen Gegen­angriff eines märkischen Regiments der größte Teil des Geländes zurückgewonnen, das am 18. 6. südwestlich des Hochberges an die Franzosen oerlorengegangen war. An den übrigen Fronten hat sich bei der gewöhnlichen Grabenkampftätigkeit nichts Besonderes ereignet.

Der Erste Generalquartiermeister Ludendorff.

Unsere U-Koote rm Merk.

Amtlich. lX.T'.B. Berlin, 20. Juni.

1. Durch die Tätigkeit unserer Unterseeboote sind in den nördlichen Sperrgebieten neuerdings 26000 Br.-Rcg.-To. vernichtet worden.

2. Eines unserer im Mittelmeer operierenden Unter­seeboote, Kommandant Oberleutnant zur See Klatt, ver­senkte am 16. 6. nachts südlich der Straße von Messina einen unbekannten bewaffneten Dampfer von 4000 To. und griff am 14. 6. nachts in derselben Gegend zwei stark ge­sicherte feindliche Geleitzüge an. In einem Zeitraum von eineinhalb Stunden wurden aus denn einen Geleitzug, der aus drei Dampfern bestand, die beiden größten, von 6000 To. und 4000 To., und aus dem anderen von zwei Dampfern der größere von 5000 To. abgeschoffen. Alle versenkten Schiffe waren auffallend tief beladen.

Der Chef des Admiralstabes der Marine.

Kopenhagen , 20. Juni. Das Ministerium teilt mit: Nach einem Telegramm der dänischen Gesandtschaft in London ist der dänische Dampfer .Augantyr' auf der Fahrt von Schweden nach Frankreich in der Nordsee versenkt worden. Ein Mann der Besatzung ist umgekommen, der Rest in Newcastle gelandet. Der dänische Konsul in Bergen telegraphiert, dab der dänische Dampfer .Gunhild", mit Kohlen auf der Fahrt von England nach Kopenhagen , in der Nordsee versenkt worden sei. Sechs Mann der Besatzung sind umgekommen, der Rest ist in Bergen eingetroffen.

Rotterdam , 20. Juni. Nach dem .Maasbode' find die Schiffe .Sirius' (1004 To.) und .Hermes' (3697 To.) aus Helfingfors als verloren zu bettachten. Die englischen Fischer­fahrzeuge .Ocean', .Pride'. .Onward', .Torbay ' undLaß Canad' sind gesunken, ebenso die vier französischen Fischer­fahrzeugeEugenieMathilde'. .FrancoiseGeorgette', .R.1065' und ^Madeleine'. Ferner find folgende skandinavische Schiffe zum Sinken gebracht: .Sigrun Soendrup', .Sylvia'.Vi- naes' und.Candace',

Auch dieStandard-Schiffe' zwecklos.

Nachdem eben erst das amerikanische Holzschiffban- Programm ausgegeben worden ist, scheinen nunmehr auch die englischen Pläne zur Erbauung von Standard-Schiffen erschüttert zu sein. DerGlasgow Herald' schreibt:Der Mann der Praxis weiß ganz genau, daß der Bau von Standard-Schiffen' jetzt nur wenig oder gar nichts für die unmittelbare Erleichterung der Wirtschaftslage leisten kann. Die Standard-Schiffe kommen zu spät und zu langsam." Es wird darauf hingewiesen, daß man lieber zahlreiche kleine und schnelle Fahrzeuge bauen soll. Aber hierzu sind nach den Angaben desGlasgow Herold" um- fastende Veränderungen in der technischen Organisation der englischen Industrie notwendig.

Französischer Minensucher in die Lust geflogen.

Die Pariser Agence Havas teilt amtlich mit: Der DampferAnjou", der den Auftrag hatte, treibende Minen im Gascogner Golf zu zerstören, ist am 17. Juni auf eine dieser Minen gelaufen und gesunken. Sieben Mann wurden durch die Explosion in der Maschine getötet.

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Amtlich. Berlin . 19. Juni. !

Im Atlantischen Ozean: 24 VOO Brutto-Register- tonne». Unter den versenkten Schiffen befanden sich u. a. drei große bewaffnete englische Dampfer, von deinen zwei durch Zerstörer gesichert waren, und der italienische DampferAmor " (3473 Br.-Reg.-To.j mit 6000 Tonnen Getreide.

Der Chef des Admiralstabes der Marine.

Zwei feindliche A-Bootjäger versenkt.

Samt dem von ihnen begleiteten Truppendampfer.

Dem MadriderJmparcial" zufolge hat ein U-Boot in der Nähe vo« Kap Spartet (Nordspitze don Marokko) den englischen TransportdampferA. G. 240" (8000 To.) mtt Truppen «nd Kriegsmaterial für Saloniki versenkt. Der Dampfer wurde von vier U-Gootjägern begleitet» von denen zwei gleichfalls untcrgegangen sind, zwei mtt schweren Beschädigungen davonkamen.