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Ew. Hochwohlgebohrn und Gnaden!
Schon seit langer Zeit hofte ich in dero nähere Bekanntschaft zu kommen und in einige wißenschaftliche Corres- pondenz tretten zu können, aber jedesmal noch, wurde mir die Gelegenheit vereitelt, so auch kurz vor meiner Abreise von St Gallen , meiner Vaterstadt, da Ew. Wohlgebohren einen oder zwej Tage sich dort auf- hielten und ich es zu späth erfuhr. Da ich mich schon seit langer Zeit mit der schweitzerischen Heraldik und Genealogie, besonders aber für alles geschichtliche was den Cant. St Gallen betrift, abgegeben habe, und, frejlich mehr als Liebhaber dann als Kenner mich für die Sittengeschichte der Mittelalters intereßiere, so hat sich der Verleger der schweitz. Alter- thümer Herr Haag in hier an mich gemacht, und mich mehr als mir selber lieb ist, und mehr als ich mich stark genug dafür finde, mit Aufträgen für dieses Werk belastet. Sehr gerne würde ich mich ganz dafür intereßieren, wenn er selber in der sache Kentniße besäße, oder sich der Hauptwahl der Gegen- stände mehr entzöge, so aber steht er mit Herrn Prof. Wijß nicht in gehöriger Einstimmung und weiß doch selber die Sache nicht zwekmäßig zu führen. Jndeßen freue ich mich, daß mir dieser Umstand den Anlaß giebt, endlich einmal an Ihro Gnaden schreiben zu dürfen, und ich benutze ihn, Ihnen bejkommend einige Carten aus meiner diplomatischen Sammlung von Wappen ältester und neuester Zeit – die Gegenden betreffend welche den izzigen Canton St Gallen ausmachen – zur Einsicht zuzusenden. Ich habe mir dabej zur Regel gemacht, jedes Wappen ganz so zu mahlen, wie es in dem alten document, Sigill, denkmal etc. vorkommt, um zugleich den jeweiligen Kunstgeschmack und die Darstellungsweise zu behalten. Mit den Wappen aus dem Codex der Minnesänger konnte zwar dieses nicht nach Wunsche statt finden, da ich das Original nie sah, und desnahen die Art der Ver-