transkribiert von Dimtsch, Rona

Heidelberg, 28 XII 1929

Verehrter Herr Professor Soergel!
Ich erhielt Ihren "Kristall der Zeit"1, u.
fand schon nicht wenig Schönes, das noch
gar nicht genügend geschätzt ist. Wahrscheinlich
interessiert es Sie besonders zu hören, wie
mir mein von Ihnen geschaffenes Spiegelbild
gefällt. Die Auswahl ist in dem, was da
ist, gewiß künstlerisch einwandfrei. Aber
sie konnte kaum karger sein. Was Sie
gewählt haben, liegt Alles vor dem Jahr
1900 zurück. Und aus der "Schöpfung" (1897)
- ziemlich sicher die höchste lyrische Erhebung
jener Epoche - nicht ein Vers. Sollte ich
seit 1901 ("Der Denker") nichts mehr haben
drucken lassen, was dem Kristall-Sam̅ler


  1. Albert Soergel:
    Kristall der Zeit: Eine Auslese der deutschen Lyrik der letzten fünfzig Jahre
    Verlag Drethlein, Leipzig