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Geschwister Scholl /
deo Vereinigten Staaten lat ein Ro-
„«n mit dem Titel „Six of Them“ („Es wa-
sechs“) erschienen, der ergreifende Er-
jjanisse in Deutschland zum Thema hat
p]jr Autor dieses Buches, das von der ame-
j^anisdien Presse mit Begeisterung aufge-
jDfumen wurde, ist der.bekannte deutsche
jduiftsteller Neumann, der nach 1933
ptutschland verließ und in Amerika lebt
DM
Thema des Buches ist eine Münche-
ggr Studentenrevolte des Jahres 1943, in
£r«n Verlauf der Münchener Unlversitfits-
-rofessor Huber und mehrere Studenten,
Runter die Geschwister Scholl, von dem
jjtionalsozialistischen „Volksgerichtshof“
„an Tode verurteilt und hingerichtet wur-
öso-
0 ie amerikanische literarische Zeitschrift
fb« Saturday Review of Literature“
Jireibt in ihrer Kritik dieses Buches: „Die
jjjnnnen dieser Sechs blieben allein, tra-
jteh In ihrem vergeblichen Versuch, den
Rillen zur Bekämpfung des Uebels in ei-
Volke emporzureißen, dessen Herz
jfli Seele vom Geist der Furcht zu sehr
«^shrn t war. Bs muß diese Situation ge-
„asen sein, die Neumann als einen wahr¬
haften deutschen Patrioten besonders an¬
alogen hat — einen Patrioten, dessen Haß
«gen die Nationalsozialisten, dessen Trauer
{bar die Erniedrigung der großen Mehr¬
heit des deutschen Volkes immer noch ver¬
banden sind mit der Hoffnung auf einen
idiließlichen Triumph der besseren Kräfte
In diesem Volk.“
Die Geschichte von Professor Huber, den
Ovchwlstera Scholl und anderen Münche¬
ner Studenten, die öay Thema zu diesem
Roman bilden, geben wir ln folgendem
wtsder:
Flugblätter ln München
Am Morgen des 16. Februar 1943 waren
m den Münchener Hauswänden Plakate
von riesigen roten Buchstaben angeklebt:
iffleder mit Hitler! Es lebe die FreiheitI“
Die Buchstaben waren 40 cm hoch und
weithin sichtbar. Die Gestapo mobilisierte
lofort die' Münchener Feuerwehr und ließ
die gefährlichen Worte entfernen. Aber die
Nachricht von der Tat verbreitete sich in
Isr ganzen Stadt mit Windeseile.
Wer waren die Täter? Die Gestapo be¬
gann eine fieberhafte Suche. Die Gestapo
war sehr beunruhigt — denn es waren die
Tage von Stalingrad, und zum ersten Male
rerbreitete sich bei weiten Kreisen der Be-
rflkerung das Gefühl, daß der Krieg, den
As Nationalsozialisten vom Zaune gebro¬
chen hatten, nicht gut enden w'ttrde. [Die
Titer waren Münchener Studenten und
dentinnen, die eingesehen hatten, daß
ler Deutschland ln den Abgrund führte,
and die versuchten, etwas zu tun, um Ihr
Und und Volk zu retten. .
Während die Gestapo fahndete, bereiteten
die Studenten ein Flugblatt vor, das auf
«Iner heimlich angeschafften Handpresse
h 50 000 Exemplaren gedruckt wurde. 20 000
wurden an Freunde an den Universitäten
Jana und Wien gesandt, der Rest am 19.
Februar, drei Tage nach den Plakaten, an
der Universität München während der Vor¬
lesungen verteilt ln Briefkästen geworfen
end sogar auf den Straßen verbreitet
In diesen Flugblättern hieß es: „Erschüt¬
tert eteht unser Volk vor dem Untergang
der Männer von Stalingrad. 330 000 aeut-
iche Männer hat die geniale Strategie des
Weitkriegsgefreiten sinn- und verantwor-
Blo« ln Tod und Verderben gehetzt.
Wollen wir den niedrigen Machtinstinkten
einer Parteldique den Rest der deutschen
Jagend opfern? Nimmermehr! Es gibt für
me nur eine Parole: Kampf gegen die Par-
teü Der deutsche Name bleibt für immer
{•schändet, wenn nicht die deutsch« Ju-
jend endlich aufsteht, rächt und sühnt zu¬
gleich, seine Peiniger zerschmettert und
b neues, geistiges Europa-aufriehtet*
Ja, sofort I“
Der kleine Kreis von Studenten, der die-
Flugblatt verfaßt und gedruckt hatte,
hatte sich um den Professor der Philoso¬
phie und Psychologie Kurt Huber ge¬
schart. Dieser halbgelähmte Mann hatte
sich in der von Gauleiter Giesler und SS-
Rektor Wüst tyrannisierten Universität
München seine geistige Unabhängigkeit
gewahrt, und zu seinen Vorlesungen über
Leibniz, Kant und Tonpsychologie strömten
die "besten geistigen jungen Deutschen. Hu-
| ber hatte auch den Mut, von der Gestapo
l verfolgten Menschen Unterschlupf zu ge-
I währen. In seinem Haus versammelten sich
| fast allabendlich Diskussionsgruppen, in
j denen die Jugend ihrer Sorge um das
Schicksal Deutschlands Ausdruck gab. Das
Flugblatt wurde auch in seiner Vorlesung
am 19. Februar 1943 verteilt. Zwei Studen¬
ten wurden dabei von , dem Universitäts¬
pedell Schmied beobachtet, und dieser Spit¬
zel informierte die Gestapo. Kurz danach
wurden Hans und Sophie Scholl und
der Maler Alex Schmorrel verhaftet:
Alex Schmorrel waj es gewesen, der die
Druckbuchstaben für die Plakate geschrie¬
ben hatte. Schon drei Stunden nach ihrer
Verhaftung standen sie vor dem eigens
aus Berlin herbeigerufenen „Volksgerichts¬
hof“ und wurden zum Tode verurteilt. Auf
die Frage des Gerichtes, ob sie Hitler tö¬
ten würden, wenn sie Gelegenheit hätten,
antworteten Hans und Sophie Scholl wie
aus einem Munde: Ja, sofort!" Keiner der
Angeklagten f verriet die Namen anderer
Angehöriger des Kreises.
Als Sophie Scholl hingerichtet wurde,
hatte sie ein gebrochenes Bein — die Ge¬
stapo hatte es ihr im Verlaufe des Verhörs
gebrochen.
Sophies letzte Worte vor der Hinrich¬
tung in Stadelheim am 22. Februar um 4.30
Uhr nachmittags waren: „Gott, du bist
meine Zuflucht in Ewigkeit, Amen “
Tapferes Schwelgen
Am 10. März 1£43 wurden auch Anne¬
marie Scholl, die 20jährige Kusine von
Hans und Sophie Scholl, zusammen mit
Professor Huber und 140 anderen Münche¬
ner Studenten verhaftet.
Vom 10. März bis zum 20. April wurden
sie im Gestapohauptquartier in München
festgehalten, verhört und gemartert. Acht
bis zehn Stunden täglich wurde Annemarie
Scholl verhört — die Gestapo Sollte unter
allen Umständen von ihr erfahren, wer die
anderen Mitglieder der „Verschwörung“
waren. Annemarie schwieg. ^
Die Verhöre waren von Anfang an mit
Folterungen verbunden. Tagelang wurde die
Während der ersten Stunden des Verhörs
erhielt sie Je 15 Schläge mit einem Gummi¬
knüppel auf den Kopf, den Hals und die
Brust. Später wurden es 20 Schläge pro
Stunde. Als das nichts half, wurde der
Gummiknüppel durch eine schneidende Le-
derpeitscha ersetzt. Mehrere Male mußte
sie sich vor den Gestapoleuten entkleiden
und wurde nackt geschlagen.
Am 14. März wurde sie ln einen voll¬
kommen abgedunkelten Keller geführt, der
nur durch eine Falltüre zugänglich war.
Die Leiter, auf der sie hinabsteigen mußte,
wurde dann zurückgezogen — und plötzlich
fühlte sie, wie eiskaltes Wasser aus Oeff-
nungen ln der Wand drang und den Kel¬
lerraum langsam füllte und stieg. Vier
Stunden lang, von 11 Uhr nachts bis 3 Uhr
morgens, mußte sie bis über die Hüften in
dam eiskalten Wasser stehen. Dann endlich
wurde sie befreit — aber nur, um auf die
Straße gezerrt zu werden, ln einer März¬
nacht mit Temperatur unter Null. Ein*
halbe Stunde wurde sie auf der Straße ge¬
halten, so daß ihre Kleider Ihr am Körper
anfroren und Beine und Unterleib ln einer
Eiskruste steckten. Dann wurde sie wieder
verhört
Annemarie Scholl verriet niemanden.
Ende März legte die Gestapo ihr Daumen¬
schrauben an. Annemarie Scholl verriet
weiter niemanden. Die Gestapo wandte
neue Torturen an, die derartig waren, daß
Die Kunstausstellung in Uberlingen
Der kürzlich gegründete Kulturbund Ue-
Wlingen trat mit einer Ausstellung unter
faa Titel „Deutsch* Kunst unserer Zelt"
ersten Mal vor die Oeffentlichkelt Als
Auftakt zu der mit dieser im städtischen
Ntt s q um untergebrachten Ausstellung ver-
Iwöecnen Kulturwoche fand die Eröffnung
•S vergangenen Samstag in feierlichem
**bmeo statt
lendrat Dr. IUner begrüßt* che geladenen
••»Ocher und sprach den Dank an den en¬
twenden Gouverneur Lindenmann aus, durch
das nicht nur für die badische Besetzungs-
*<®e bedeutungsvolle kulturelle Unterneh¬
me in großzügiger Weis« gefördert wurde.
Aach der Gouverneur von Konstanz und
miter« Offiziere der französischen Mültär-
mtwaltung waren zugegen.
Der Dichter Bruno Goetz verlas' einen
»wapruch, mit dem di« Absichten der Aus-
•Wlung zum Ausdruck gebracht wurden.
2»ch der wiedergewonnenen künstlerischen
•Wiheit' würde hier das vor dar Offentlich-
•*it verhüllte wahre Gesicht der deutschen
'■ödenden Kunst unserer Zeit gezeigt, ein«
**0et, die sich dadurch auezeichne, daß Ihr
foaeits aller trennenden Nationalismen
völkerverbindende Kraft innewohnt.
Der für die ausgestellt* bildende Kunst
«•^grammatischen Erklärung folgte ein« ein-
JWcksvoH« musikalische Darbietung mit der
’ iltoate für Flöte und Klavier, die Paul Hin-
lith im Jahre 1936 für Gustav Scheck
aponierte, der sie selbst, begleitet von
.«de Findeisen, wiedergab. Der Pianist
' Seemann spielte che Sonatine von
«evaL
! «Dann sprach der Ausstellungsleiter, Dr.
mwbach. Er dankte eilen, die zum Gelin-
der Ausstellung beitrugen und hob die
; i*rdlenste des Ueberlinger Malers Werner
, “Mhein hervor, dem die praktische Durch-
'•baung der schwierigen Vorarbeiten anver-
war. Dib geladenen Gäste wurden an-
aos dem mit alten Fahnen ge¬
schmückten lichten Musiksaal zu den obe¬
ren, nicht minder hellen“ Räumen geführt.
Eine Plastik in Bronce „Der singende
Mann" des großen Bildhauers Ernst Bar-
1 a ch empfängt uns, bevor wir zu den Ge¬
mälden kommen. Hinteniübergelehnt sit¬
zend, gebunden in der Form, aber gelöst in
der Stimmung, gibt er einem Gefühl Aus¬
druck, das zwischen köpererfülltem Diesseits
und einer dichterischen Traumwelt beheima¬
tet ist. Vorher, auf halber Treppe, begeg¬
nete uns das Bildwerk „Orpheus Klage" von
Berthold Mülle r-O erlinghause n.
An dem gamicht so kleinen „Eselchen" von
Re n 6 e Slnteni* vorbei führt uns der
Weg zu einem schönen Frauentorso des nun
fast klassisch gewordenen Wilhelm
Lehmbruck. Der stehend* Knabe von
Gerhard Mareks zeugt von der Hand
eines Meisters, der bei moderner Sensibili¬
tät zum Archaischen neigt und vom Stati¬
schen ausgeht, während Hane Kinder¬
mann seine charakteristischen Bildrüsköpfe
von der Impression her anzupacken scheint
He in Minkenberg hat in geschlosse¬
ner plastischer Form einen St Korund aus
Holz geschnitzt Auf beachtlichem Niveau
stehen auch die Schöpfungen einiger Frauen,
wie di« Kinderporträte der Jungen Almut
R1 s 1 e r, Bildnisköpfe von Hilde Hop¬
pe, ein liegender Akt von Emmi R o e -
der sowie die Arbeiten von Hilde Broer
Das Wesentliche der Ausstellung aber ist
die Malerei. Sie stellt sich dar als eine
Sammlung, die in Ihrer Art nicht auf Voll¬
ständigkeit Anspruch machen will und kann,
die aber einen ganz einheitlichen Zug auf¬
weist Und das iet ihre Stärke, wenn man
sie nidit eis das auffaßt, wefür man sie auf¬
grund ihres Titels halten könnte, nähmlich
als eine Ausstellung speziell unserer Zeit
Sie erscheint uns vielmehr mit ihren her-
verragenden Kunst! eistunge im Wesentli¬
chen als die expressionistische Manifestation
der Epoche jener großen geistigen Umwäl-
Ein Heldenlied
deutscher Jugend
sie ln einer Zeitung nicht beschrieben wer¬
den können. Aber die Widerstandskraft
des Mädchens wuchs, je nervöser die Ge¬
stapo-Folterknechte wurden, die sie nicht
zur Verräterin machen konnten.
Am 20. April wurde sie in ein Gefäng¬
nis übergeführt, nachdem sie sich verpflich¬
ten mußte, nichts über all das zu sagen,
was ihr im Gestapo-Hauptquartier angetan
worden war. Am 4. Mai wurde sie vor
denselben Berliner Gerichtshof gestellt, der
schon Sophie und Hans Scholl zum Tode
verurteilt hatte, Annemarie wünschte sich,
gleichfalls zum Tode verurteilt zu werden.
Aber der Volksgerichtshof ließ ihr dies
von ihr als Gnade erbetene Urteil nicht zu¬
teil werden. Sie wurde zu sechs Jahren
Zuchthaus verurteilt, mit der Maßgabe, daß
sie nach diesen sechs Jahren in ein Kon¬
zentrationslager überführt werden sollte.
Das Urteil des nationalsozialistischen Ge¬
richtshofes konnte nur teilweise durchge¬
führt werden: Am 5. Mai wusde Annema¬
rie Scholl von alliierten Truppen befreit,
mit ihr eine Anzahl von anderen Stu¬
denten.
Professor Huber
. Die Verhandlung gegen Professor Huber
endete dagegen mit seiner Verurteilung zum
Tode. Professo) Kurt Huber ging in den
Tod, wie er gelebt hatte: Standhaft, heiter
und aufrecht. Bis zum letzten Tage seines
Lebens, selbst in der Todeszelle, arbeitete
er weiter an seinen wissenschaftlichen Wer¬
ken, versuchte er abzuschließen, was noch
nicht beendet war. Fremde, dl« firn besu¬
chen durften, berichten von seiner sokra-
tischen Haltung: Er, der sterben sollte, trö¬
stete die anderen.
Einige Tage nach seiner Hinrichtung ver¬
öffentlichte die nationalsozialistische Presse
eine Notiz unter dem Titel „Gerechte
Strafe." In dieser Notiz stand, daß ein ge¬
wisser Kurt Huber hingerichtet worden sei.
Mit dieser Bemerkung, so glaubten die Na¬
tionalsozialisten, sei diese Angelegenheit
erledigt.
Aber es ist ein Merkwürdiges mit der
Wahrheit. Durch das Schweigen der Ge¬
marterten, unheimlich und gespenstisch für
die Gestapoknechte, ein Strahl des Lichts
für alle auf Befreiung Wartenden, drang
noch während des Krieges das Heldenlied
der Geschwister Scholl ins Ausland. In
großen englischen Zeitungen und Zeitschrif¬
ten wurde von den Münchener Studenten
als den Trägern echten deutschen Geistes
gesprochen. Der Name des gelähmten Ge¬
lehrten, Professors Huber, lebt mH dem
Namen seiner Studenten im Werk des Dich¬
ters Neumann fort. Am tiefsten wird er
| aber wirkend bleiben in den Herzen all
i derer bei uns, die, r sei es durch eigenes
verwandtes Leiden, sei es durch Erkenntnis
der Vernunft, begriffen haben, daß das
Ende des Krieges, und damit unlösbar ver¬
bunden die unausweichliche Niederlage,
zusammenfällt mit dem Ende der Tyrannei,
mit dem Ende der Entmenschtheit. mH dem
Ende des Mittelalters im Geiste. Zusam¬
menfällt aber auch mH dem unaufhalt¬
samen Aufgang des Lichts einer neuen, der
Zukunft gehörenden Menschen-Freiheit, für
die das B^lut der jungen Märtyrer in Mün¬
chen und Ihres vorbildhaften Lehrers nicht
umsonst geflossen ist.
Aus der Nürnberger Anklageschrift
Beweise für die eigentli&en Kriegsverbrechen
Ueber die eigentlichen Kriegsverbrechen
enthält die Anklageschrift eine Unmenge
von Beweisen, die das ungeheure Blutbad
aufzeigen, das außerhalb der eigentlichen
Kriegshandlungen von den Nationalsoziali¬
sten in ganz Europa angerichtet worden ist.
Die Anklageschrift hebt hervor, daß alle An¬
geklagten über ihren Plan des Massenmor¬
des einig waren. „Mord und Mißhandlung",
heißt es in der Anklageschrift, „wurden auf
verschiedene Weise durchgeführt, durch Er¬
schießen, Hängen, Vergasen Aushungem,
durch Ueberfüllung von Baracken, Unterer¬
nährung, Stoßen, Schlagen und brutale Fol¬
terungen aller Art, darunter das Berühren
einzelner Körperteile mit einem glühenden
Eisen, Ausreißen der Fingernägel und Aus¬
führung von unmenschlichen Experimenten
durch Operationen an lebenden -Menschen.
In Frankreich wurden unter politischem oder
rassischem Vorwand Massenverhaftungen
vorgenommen, gefolgt von brutalen Folter¬
ungen wie Eintauchen in eiskaltes Wasser,
Würgen, Verletzung von Gliedmaßen und
Verwendung von Folterwerkzeugen wie
Eisenhelmen, elektrischem Strom usw. Solche
Werkzeuge wurden in allen Gefängnissen
benutzt, vor allem aber in Paris, Lyon, Mar¬
seille, Renrtqs, Metz, Toulouse, Nizza. Die
deutsche Geheime Staatspolizei hatte über¬
all Ihre besonderen Folterkammern."
Die Anklage erwähnt dann die hohe
Sterblichkeit in den Konzentrationslagern
und nennt, im Zusammenhang ml* den Aus¬
führungen über Frankreich, die Zahl der
französischen Toten für die verschiedenen
Konzentrationslager. Es kamen um in Bu¬
chenwald 22 761 und in Dachau 11 560 Fran¬
zosen. In Mauthausen starben 780 Priester
an Erschöpfung. Von den 228 000 politischen
und jüdischen Deportierten, die in die Kon¬
zentrationslager gebracht wurden, wurden
am Ende des Krieges nur noch 28 000 lebend
aufgefunden Auch in Frankreich wurde die
Politik der Ausrottung angewandt. In Ora-
dour-sur-Glane wurde die Bevölkerung des
ganzen Dorfes erschossen oder 1 lebend in der
Kirche verbrannt.
In Strömen wurde das Blut der Zivilbe¬
völkerung in den osteuropäischen Gebieten
vergossen — in Rußland, Polen, der Tsche¬
choslowakei, Jugoslawien und Griechenland.
Seit dem Beginn der Invasion Polens und
der Sowjetunion hielten sich die deutsche
Regierung und das deutsche Oberkommando
an eine systematische Politik des Mordens
und des Mißhandelns der Zivilbevölkerung
ln diesen Gebieten, die in der Folge von den
deutschen Streitkräften besetzt wurden. Die
Anklageschrift erwähnt im besondern die
Vernichtung von 1 500 500 Personen in Mai-
danek und 4 000 000 Menschen in Auschwitz.
Unter ihnen befanden sich Bürger Polens,
Rußland«, Großbritanniens, Frankreichs, der
Ver. Staaten, der Tschechoslowakei usw- Fer¬
ner wurden in Lemberg 700 000 Personen, zu¬
meist russische oder polnische Bürger, nie¬
dergemacht und außerdem Im Ghetto 133 000
Juden gemartert, erschossen oder verbrannt.
Im Lager Ganow wurden 200 000 Personen
ausgerottet, wobei die SS u.a. Erschießungen
mit Orchesterbegleitung vomahm.
In Estland wurden an einem einzigen Tag
im Lager Kloga 2000 Personen niederge¬
metzelt. In Litauen wurden 270 000 friedliche
Bürger niedergemacht. Die Todesliste Lett¬
lands zeigt 577 000 zumeist in Konzen¬
trationslagern Ermordete,
Im eigentlichen Rußland wurden allein im
Gebifet von Smolensk 130 000 Sowjetbürger
ermordent. Im Gebiet von Leningrad wurden
30 000, ln Stalingrad 50 000 Menschen er¬
schossen oder zu Tode gefoltert. Nachdem
man die Deutschen aus dem Gebiet von
Stalingrad vertrieben hatte, fand man mehr
als 1000 verstümmelte Leichen^ russischer
Bürger im Stadtgebiet, die Folterungen auf¬
wiesen. Neununddreißig Frauen hatten die
Arme verdreht mH Drähten auf den Rücken
gebunden, und einigen waren Brüste, Ohren,
Finger und Zehen abgeschnitten. Auf der
Krim wurden viele wehrlose Einwohner ln
Kähne zusammengepfercht, auf das Meer
hinausgefahren und dort ertränkt. Insgesamt
140 000 Personen wurden auf diese Welse
hingemordet. In der Ukraine wurden allein
in Kiew 100 000 Frauen und Kinder erschos¬
sen. Für das Gebiet von Rowno wird die
Zahl der Ermordeten und Gefolterten mH
mehr als einer Million angegeben. — In
Odessa beträgt die Zahl der Tolwe minde¬
stens 200 000 usw.
Ein besonders schweres Verbrechen wurde
in Lyda begangen, wo mehr als 5000 Per¬
sonen in Gruppen zu Je hundert in Umzäu¬
nungen getrieben und mit Maschinengeweh-
. ren niedergeschossen wurden. In der Tsdie-
j choslowakei starben unter dem nationalsozia¬
listischen Regime mehr als 20 000 Personen
durch Folteruhgen, Mißhandlungen und Er¬
schießungen. Viele Tausende von tschecho¬
slowakischen Bürgern wurden geschlagen
und Torturen unterworfen. Ferner verhafte
ten die Deutschen Tausende von Tschecho-
slowaken als Geiseln, darunter vor al]p’~i
Intellektuelle. Eine große Zahl dieser Gei¬
seln wurde später ebenfalls getötet.
Verbrechen gegen Deportierte uni
Kriegsgefangene.
Weiter hebt die Anklageschrift hervwe,
daß viele Angehörige der Streitkräfte jener
Nationen, die mit Deutschland im Kriege
standen, erschossen wurden, als sie sich ge¬
fangen gaben. So wurden z.B. französische
Offiziere, als man sie auf der Flucht aus
dem Gefangenenlager ergriff, der Gestapo
ausgeiiefert, die sie in Konzentrationslager
warf oder sonst verschwinden ließ. Es wurde
z.B. Befehl gegeben, daß eine Anzahl fran¬
zösischer Offiziere, die einen Fluchtversuch
unternommen hatten, ln Ketten in das Kon¬
zentrationslager Mauthausen einzuliefem
seien. Bei ihrem Eintreffen wurden sie er¬
schossen oder vergast, worauf man ihre Rei¬
chen vernichtete.
In den deutschen Gefangenenlagern wur¬
den vor allem die russischen Kriegsgefange¬
nen geschlagen und ausgehungert.
Die Anklageschrift unterstreicht, daß die
Angeklagten in großem Ausmaß die Praxis
der Ergreifung und Ermordung von Geiseln
aus der Zivilbevölkerung einführten. In
Frankreich wurden in allen größeren Städ¬
ten einzeln oder ln Gruppen Geiseln ermor¬
det, darunter ln Paris, Bordeaux, Nantes
und Chateaubriand. Hunderte von Geiseln
wurden auch in Holland erschossen, darun¬
ter in Rotterdam, Apeldoorn, Amsterdam,
Haarlem und anderen. Dasselbe geschah in
Belgien und vor allem in Jugoslawien.
Man schätzt, daß mindestens 190 000 Zi¬
vilisten aus Belgien nach Deutschland de¬
portiert und dort als Zwangsarbeiter ver¬
wendet wurden. Diese Deportierten wurden
einer schlechten Behandlung unterworfen
und gezwungen, in den deutschen Rüstungs¬
fabriken zu arbeiten. Aus Rußland wurden
vier Millionen und aus der Tschechoslowa¬
kei 750 000 Menschen zur Sklavenarbeit nach
Deutschland verschleppt. Holland verzeich-
nete fast eine halbe Million Deportierte.
Die Angeklagten sind ferner dafür ver¬
antwortlich, daß in den von Deutschland be¬
setzten Gebieten Lebensmittel, Rohstoffe,
Maschinen und anderes Material geraubt
und ganze Fabriken und Geschäftsfirmen
konfisziert wurden. Die Angeklagten geben
zu, Frankreich 63 Millionen Tonnen Kohle,
2 Millionen Tonnen Benzin und Treib¬
stoff, 75 Millionen Tonnen Eisen¬
erz usw. weggeschafft zu haben. Der Wert
des in Frankreich gestohlenen Industriema¬
terials beläuft sich auf fast zehn Milliarden
Francs. Außer den Kriegsschäden verlor
Frankreich Realwerte in Höhe von 1265 Mi-
liarden Francs. Es handelt sich zumeist um
gestohlene Güter einschließlich der zahlrei¬
chen Werke alter Meister, die aus Museen
geplündert wurden. Auch Belgien erlitt
durch diese Plünderungen schwere Verluste,
doch wird der durch die deutschen Raubzüge
angerichtete Schaden Im Osten noch höher
eingeschätzt. In der Sowjetunion wurden
von den Deutschen 1710 Städte und mehr
als 70 000 Dörfer zerstört oder schwer be¬
schädigt. Mehr als sechs Millionen Gebäude
wurden vernichtet, wodurch 25 Millionen
Menschen obdachlos wurden
Zeugen Im Nürnberger Prozefy
Nürnberg. (Exchange) Die deutschen
Feldmarsdiälle Manetein und v. Brauchitsch
sowie der General der Flieger Stumpf sind
in das Nürnberger Gefängnis eingeliefert
worden. Sie sollen im Rahmen des Prozes¬
se« gegen die Hauptkriegsverbrecher als
Zeugen einvemommen werden.
zung bi Deutschland, die unlösbar mit dem
Ereignis de« ersten Weltkrieges verknüpft
iet In diesem Sinne repräsentiert sie eine
Meisterleistung der Ausstellungskunst vor
allem im Hinblick auf die zeitbedingten
äußeren Schwierigkeiten. Es ist eine große
Ueberraschung, wieviele ausnahmslos hoch¬
wertige Kunstwerke hier zusammengetragen
und, mit feineinnigem Verständnis ausge¬
wählt und angeordnet, zu einer einheit¬
lichen Gesamtwirkung vereinigt wurden.
Von dem 1916 vor Verdun gefallenen
Franz Marc, der ander Spitze der um neue
schöpferische Formen ringenden Generation
der Jungen deutschen Expressionisten stand,
hat die Ausstellung nur ein einziges Aqua¬
rell, kaum größeT als eine Postkarte, aufzu¬
weisen. Es ist sein berühmtes Motiv farbi¬
ger Pferde, das Marc ebenso in monumen¬
taler Form — wir erinnern an den vielum¬
strittenen „Turm der blauen Pferde" —
meisterte. Da» kleine Aquarell aber drückt
»ovieLvon Marcs Eigenart und Stärke aus,
daß es zum Symbol für die geistige Haltung
und das künstlerische Streben wird, womit
im zweiten und dritten Jahrzehnt des
20. Jahrhunderts deutsche Künstler bemüht
waren, unter mehr oder minder weitgehen¬
dem Verzicht auf natumachahmende Gegen¬
ständlichkeit zu den „schöpferischen Urbil¬
dern“ des Seins verzudringen.
Neben Marcs Aquarell setzt sich, eben¬
falls in einer auf den Kosmos bezogenen
Gefühlsrichtung, nicht allein durch die be¬
sonders gute Plazierung in der Ausstellung,
August Macke mH dem Oelbild „Kind
mit blauen Vögeln" zu beherrschender Wir¬
kung durch. 'Von der märchenhaften Stim¬
mung des Waldes mit den verträumten
Figuren des Mädchens und der Tiere spin¬
nen sich Fäden zu der hundert Jahre zurück¬
liegenden deutschen Romantik,' die aber
nicht nachgeahmt wird, sondern durch die
inzwischen hochentwickelte Wissenschaft der
Farbe (über Cesanne) bei Macke den Stem¬
pel des Modernen im besten Sinne trägt.
Auch Otto Mueller gelangt zum „Ur¬
bild“ von Natur und Mensch mit seinen
„Badenden“ (Kasein), aber weniger auf dem
Weg über die Farbe als durch Umriß und !
Linie. So ist jeder dieser stark gefühls- !
betonten Künstler nur aus seinen eigenen .
formalen Prinzipien heraus zu verstehen j
So sind die Farbklänge und das Rhyth- :
mische ln den Aquarellen eines Christian '
R o h I f s, der wie Otto Mueller und noch
einige andere Bedeutende dieser Ausstel¬
lung zu den Verstorbenen gehört durchaus
dem Musikalischen verwandt.
Aus der urwüchsigen Kraft eines bäue¬
rischen Temperamentes- das religiös und
revolutionär zugleich hervorbricht, ist das
Werk des Norddeutschen Emil N o 1 d e
hervorgegangen. Was ein Barlach der neue¬
ren Plastik bedeutet, ist Nolde für die
Maleret Sein Aquarell, das bei der sonst
so vorzüglichen Anordnung der Bilder unter
mangelhafter Beleuchtung leiden muß, gibt
nur eine schwache Andeutung von der star¬
ken, visionären Ausdruckskraft Noldes.
Von dem, im Gegensatz zu der duftigen
Aquarellkunst eines Heinrich Nauen,
ln Farbe und Form kompakt gestaltenden ,
Schmidt-Rettluff (Weiße Treppe)
führt über Alexander Kanold (Nächt¬
liche Stadt) und Lyofiel Feininger,
der die Erscheinungen der Wirklichkeit auf
geometrische und kubische Grundformen zu¬
rückleitet (Kubismus), der Weg zu den
sogenannten Abstrakten.
Sie haben sich gänzlich von der Darstel¬
lung des Gegenständlichen abgewendet, und '
wir haben ihre Arbeit so zu verstehen, daß i
sie sich in künstlerisch-wissenschaftlicher I
Vertiefung der Lösung von Einzelproblemen
der Malerei zuwenden. Es kann deshalb
ihre Sprache nicht jedermann zugänglich
sein. Unabhängig von den durch diese
Künstler hierbei im einzelnen verfolgten
l Tendenzen ergibt sich auch für den Un- :
eingeweihten in dem einen oder anderen
Fall der Eindruck eines starken dekorativen
Reizes. So bei den Kompositionen in Oel ,
und Pastell von Max Ackermann, dem 1
Aquarell „Hafen“ von Paul Klee, den
„Drei roten Gefäßen“ von Julius B i s -
■ ler oder der dunklen Figur mit weißem
Blatt von Oskar Schlemmer, neben
Klee einem der führenden Meister dieser
Gruppe. (Beide sind bereits verstorben.)
Die bedeutenden Kunstwerke der Ausstel¬
lung beweisen, daß die stärksten Leistungen
der durch sie repräsentierten Epoche in der
Anfangszeit liegen. Es war dies eben jene
Zeit um 1918, als eine neue künstlerische
Generation antreten müssen !) E r i ch
Ideen auftrat. (So wird auch für unsere
Zelt mH ihren durch den neuen Krieg be¬
dingten Umwälzungen wieder eine neue
GenAstion auftreten müssen!) E r 1 ch
Hesel, damals noch ein junger Soldat
malte seine „flandrische Madonna", die spä¬
ter ins Berliner Kronprinzenpalais kam, auf
eine Zeltbahn. Sein heutiges Werk, ver¬
treten durch eine Anzahl schöner Land¬
schaftsaquarelle, ist beruhigter Ausklang
jener Epoche. Auch das reife Werk Karl
Hofers ln seiner geradezu programmati¬
schen Ruhe (wie abgeklärt das große Still¬
leben in Oel!) kann begriffen werden im
Zusammenklang mH dem, was an Gegen
sätzlichem vorher war. f
Unter' den Jüngeien in der Ueberiingei
Ausstellung fällt Ferdinand Micke-
tanz auf, der mit „Winterlandschaft“ in
Pastell und „Abend am Untersee“ (Aqua¬
rell) auch technisch eigenartige Lösungen
auf der Suche nach Gestaltung von Natur¬
erlebnissen fand. Werner Gothein
bannt im Rahmen einer klaren Bildsprache,
die im besten Sinn volkstümlich ist, die
Welt des Zirkus mH „Zwei Clowns“. Bek
diesem Thema werden wir an Max Beck-
m a n n erinnert, der durch sein kleines
„Strandbild“ in Oel kräftig in der Ausstel¬
lung hervorleuchtet. Und von ihm führen
uns die Gedanken''zu dem jüngeren Otto
Dix, der, obwohl seit Jahren in unserer Um¬
gebung ansässig und tätig, ln Ueberlingen
leider nicht gezeigt wurde. Wir nehmen an,
daß die Gelegenheit, von seinem früheren
und jüngsten Werk Charakteristisches zu
zeigen, für die geplante Wiederholung und
Erweiterung der bedeutungsvollen Ausstel¬
lung in Konstanz Vorbehalten wurde.
Dr. Emst B r a § ch.