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Dienstag, 29 Oktober 1946
Nr. 121 / Seite 5
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Chronik
Fallende Blätter
Des Morgen« liegt Nebel über dem stillen Land. Oder blauschwarze Wolken torkeln über den Wellen des Sees. Vereinzelt nur noch tröpfeln die Blätter aus kahlgewordenen Zweigen, die meisten rascheln bereit« auf der feuchtdunklen Erde. Der Obst- bätune zierlich Geäst kommt in der Schönheit der Zeichnung erst jetzt voll zur Gel- . tung. Pappeln, zum Bodensee gehörig wie die bläulichen Felchen, fegen den Himmel im Wind. Sie gleichen struppigen Ruten und waren doch vor kurzem noch Fackeln in lobendem Grün.
Gegen Mittag erst kommt die Sonne durch, eine milde, valetsagende Sonne, die blau- goldnen Frieden spendet. Oder eine falbe, «ine unwirkliche Sonne, die im Wechselspiel von Schatten und Licht gleißendes Silber auf die grünen Wasser schüttet. Früh s senkt «ich der Abend nieder. Der Ruch des ||JCartoffelfeuerg schwelt über die Felder und im aufkommenden Dunkel glostet es rot Die Erdäpfelernte i«t beendet. Feiste Kohlköpfe und wohlbeleibte Rüben werden in diesen Tagen auf behäbig knarrendem Kuhwagen heimwärts gefahren, wo sie im Keller oder der mit lustigem Strohwisch gezierten Miete der Mäuler harren, die da futtern wollen.
Da« traumhafte Violett kleinblütiger Astern überschwemmt den bäuerlichen Garten. Gelbe und rostrote Chrysanthemen nicken über den Zaun, die Sterne der Dahlien sind im Erlöschen. Salatpflanzen werden wie Lichtchen in Furchen gesetzt, dem Frühling entgegenzugrünen. Krähen krächzen in flatterndem Plug über verödete Aecker. Und von neuem erhebt sich der Wind, des müdegewordenen Sommers Reste zusammen zu kehren.
Vom «chweizer Ufer, das greifbar nah ge
genübergelegen, ist Kuhglockenklingklang zu hören, das schrille Pfeifen von Zügen und der geruhsame Stundenschlag von den alten Türmen. Nacht« zieht sich die Kette der Lichter am Gestade des glücklicheren Nachbarlandes dahin, Goldregentropfen in dunkler Flut
Des Morgens aber liegt Nebel über dem See und über dem stillen Lande: Nebel — hüben wie drüben ...
H. Heiner Ackermann
Bauern- und Jägersprache im Herbst
Die Natur ist ein feiner Präzisionsapparat, sie reagiert nicht nur auf den Wechsel der Jahreszeiten, sondern ahnt auch deren Charakter voraus, weit mehr, als die wissenschaftliche Erkenntnis der Menschen vermag. Mit der Natur verbundene Berufe, Bauern, Förster, kennen die Merkmale und haben sie in sinnvolle Reim« geformt, die von Generation zu Generation sich übertrugen. Nachstehend einige solcher Sprüche, die vom Herbst auf den Winter schließen: „Wenn rauh des Hasen« Fell, ist Kälte bald zur Stell." Oder: „Gräbt der Hamster tief den Bau, wirds in Bälde kalt und rauh.” Auch die Hühner sind Winterpropheten, denn „hocken sie in den Ecken, kommt bald des Winters Frost und Schrecken.” Ferner: „Wenn die Spinnen zahlreich kriechen, sie schon den Winter riechen." Dagegen: „Friert im Herbst zeitig das Wasser, wird der Januar um so nasser." Awo.
Der Zug nach der Schwel*
Konstanz . Ungeachtet der Bekanntgabe der zuständigen Stellen, daß die Einreise von Deutschen in die Schweiz zur Arbeitsaufnahme nicht in Frage kommt, wird von jungen Leuten immer wieder der -Versuch unternommen, auf illegale Weise in das Nachbarland zu gelangen. Dieser Tage standen vor dem französischen Militärgericht wieder über 80 Jugendliche im Alter zwischen 15 und 21 Jahren, die in völlig abgerissener Kleidung, ohne Lebensmittelkarten und Bargeld von der Besatzungs-Gendarmerie festgenommen worden waren. Die meisten von ihnen wurden schon im Bahnhof Konstanz oder im Uebernachtungsheim
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Lebhafter Drang zur Neugestaltung des Stadtbildes
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Auch in kleineren, darum keineswegs unwichtigen, heute eben schon erreichbaren Dingen wird wacker in die Zukunft gebaut Das gilt zwar weniger von dem Fernsprechwesen, da s bekanntlich hier seiner Wurzeln beraubt wurde und sein seitherige« Schattendasein jetzt nur an Hand der (bereits mitgeteilten) neuen einschneidenden Verknappungen weiterfristen kann. Aber man fährt jetzt auch im Westteil der Stadt, im Stühlinger «eit kurzem wieder mit der guten alten „5" von der arg angeschlagenen großen Brücke Aber da« Bahnhofsgelände bis nach Haslach , und eben wird bekannt, daß bis Oktober euch die tote Strecke von der Friedrichstraße »ach der Endstation besagter ,4" in Her- dem wiederhergestellt sein soll. Vielleicht trägt da« auch etwas zur Entlastung der trotz aller prohibitiven Maßnahmen unglaublichen überbeanspruchten Straßenbahn bei. Auch sonst im Westen was neues: die Eisenbahn nach Breisach fährt endlich wieder auf dem direkten Wege zum Kaiserstuhl hinüber, womit neben den Anwohnern, die beruflich hin- und herpendeln müssen, auch all den mühselig-beladenen Freiburgern, für die der Kaiserstühl eben das bedeutet, was den Konstanzern und Radolf- Zellern die Reichenau , eine zeitgemäß kleine Freude bereitet wurde.
Wo sonst noch die Wiederaufrichtung der sichtbaren Gehäuse, der konkreten Formungen auf sich warten lassen muß, um doch der einstigen Vollendung zu reifen, da wachsen und kräftigen 6ich, was letztlich
wichtiger ist, die geistigen Tendenzen. Wie es politisch wieder nach oben drängt, zur Neugestaltung der klaren Formen des öffentlichen Lebens, ausgehend von der Gemeinde, sich ausbreitend über den Kreis zum Land, und eine« Tages darüber hinaus zum Länderbund, so nicht minder kirchlich, wo heut« in bescheidener, hüttengleicher Notkirche jene Inbrunst wächst, die einst wieder Dome schaffen wird, wenn ihre Stunde gekommen ist Und wenn, dies abschließend zu streifen, manchem auf Anhieb es nicht recht einleuchten mag, warum in unser Notstandsgebiet so mannigfach jetzt die Studenten von den französischen Universitäten, die jungen Pfadfinder von den französischen Schulen einströmen: sie kommen nicht, uns irgendwie noch ärmer zu machen als wir noch sind, sie werden uns im Gegenteil in dem Maße reicher machen, wie sie aus dieser „Eindringlichkeit* Kenntnisse und Verstehen von unserer Lage und Art gewinnen, wie sie es zugleich uns ermöglichen, sie zu verstehen, um so aus dem Hinüber und Herüber allmählich die Brücken zu zimmern, ohne die ja nun an einen solide gegründeten Neubau sowieso nicht zu denken ist. Richtig gesehen, weben auch Ferienkurse an der Freiburger Universität genau so wie Pfadfinderfahrten über den See an jener Zukunft, an die wir trotzdem glauben, aus derem geläuterten Befunde die Schlacken getilgt sind, die uns heute noch manchmal wie Mühlsteine auf den geduldigen Schultern zu lasten scheinen . . . —r.
aufgegriffen. Eine Anzahl mußt« jedoch von der Schweizer Polizei an die Grenze geetellt werden. Ein großer Teil der „Auswanderer" war bereits vorbestraft. Da* Militärgericht verurteilte alle Angeklagten zu längeren Freiheitsstrafen und anschließendem Abtransport in die Herkunftszone.
Von der Bodenaeefischerei
Friedrichshafen . Entgegen anderslautenden Angaben in der Presse wird von einem Vertreter de« Instituts für Seefor- scfaung in Langenargen mitgeteilt, daß die Fangergebnisse der deutschen Bodenseefischer, besonders an Blaufelchen, dem Hauptfisch des Bodensees, in diesem Jahr bisher schlecht waren. Die Ursachen der geringen Fänge sind vor allem auf das Fehlen älterer Fische im See, auf die Verteilung der Nahrungstiere der Felchen, auf mehrere Wasserschichten und damit auf die Auflösung der Feldrenschwärme selbst zurückzuführen. Daneben sind die deutschen Fischer durch stark abgenützte Fanggeräte be- nachteiligt Auch die Schweizer Fischer haben seit Ende Juli ebenso wenig gefangen wie die deutschen Fischer. Die Abkühlung des Bodensees hat in diesem Jahr sehr früh eingesetzt. Da die winterlichen Erscheinungen sich immer stärker bemerkbar machen, ist mit einer Erhöhung der Fänge nicht mehr zu rechnen. Daher können die nunmehr zugebilligten 40 bzw. 35 Prozent der Fänge der Zivilbevölkerung erst im nächsten Jahr zugutekommen. Allerdings darf noch mit den meistens relativ guten Laichfängen gerechnet werden, die etwa 2 Wochen lang im Dezember anhalten.
Vcrfuch einer neuen Jugend** erztehung
Offenburg . Der Gouverneur der Militärregierung in Offenburg , dem die Frage der Jugend besonders am Herzen liegt, machte auf der Bürgermeisterversammlung in der letzten Woche interessante Ausführungen über einen Plan zur Jugenderziehung im neuen Geiste. Auf dem „Höllhof“ in Mittelbach bei Gengenbach soll dieser Versuch mit einer Lehrlingsheimschule gemacht werden, für den heute schon großes Interesse aus den anderen Zonen vorliegt, sodaß dieses Experiment für ganz Deutschland richtungweisend sein kann. Man will hier mit einem Stamm von 8—10 jungen Leuten beginnen, denen man außer einer guten handwerklichen Ausbildung die Einführung in die geistige Welt einer freien Demokratie vermitteln will Diesem Stamm will man später ehemalige junge Nationalsozialisten zuführen, um auch diese zu überzeugen, daß man aus ihnen führende Köpfe gewinnen kann, sobald sie erkannt haben, daß ihr Idealismus von einem ungeheuren System der Lüge schmählich mißbraucht wurde. Auch die Kulturtage der Ortenau am 26. und 27. Oktober haben eine wichtige Aufgabe als geistige Brücke zwischen den beiden Nationen. Die 43 kulturellen Vereine, die in den 46 Gemeinden des Kreises bestehen, beweisen, daß trotz der Niederlage in Deutschland die tiefe Sehnsucht nach geistigem Schaffen und künstlerischem Wirken lebt, eine Sehnsucht, durch die Deutschland der Welt schon so viel gegeben hat.
Koblenzer Staatsarchiv in Ehren breitstes Koblenz . Da die frühere Unterkunft des Koblenzer Staatsarchivs im Deutsch-Or- denshaus am Rhein -Moseleck während des Kriege* zerstört worden ist, 6oll da* Archiv mit seinen zahlreichen wertvollen Archivallen nunmehr endgültig auf der Rheinbastion der ehemaligen Festung Ehrenbreitstein untergebracht werden. Die Urkunden des Archivs, die zum Teil verlagert waren, sind zu einem großen Teil wieder in Koblenz eingetroffen.
Llnherhelnlfche Wleöeraufbaupläne
Als Hinterland des Westwalls hat die Pfalz schwere Kriegsschäden davongetragen. Noch beim Durchbruch durch den Festungsgürtel, also im März 1945, sind beispielsweise Zweibrücken und Bad Dürkheim in Schutt gesunken. Ludwigshafen am wichtigen Rheinübergang war ohnehin eine der am meisten bombardierten deutschen Städte; dort blieben keine 5 Prozent der Häuser heil. Die Industriestadt Frankenthal schätzt den Schaden auf 48 Millionen, und noch das kleine Bad Dürkheim errechnet 15—20 Millionen RM. Verhältnismäßig gut weggekommen ist nur Speyer , während die andere rheinab gelegene Domstadt Worms im Kern fast bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt ist. Auch Kaiserslautern hat erhebliche Schäden erlitten.
Trotz der vielen zeitbedingten Hemmnisse bestehen aber in den meisten Städten schon festumrissene Vorstellungen vom Wiederaufbau Freilich kamen die Arbeiten über Trümmerbeseitigung und Instandsetzungen kaum hinaus. Nur in Mainz , wohin jetzt aus dem ganzen Lande Hessen-Pfalz Bauarbeiter zu Sonderlöhnen verpflichtet werden, dürfte der Wiederaufbau der künftigen Hauptstadt bald sichtbare Umrisse zeigen.
Das mit am schwersten getroffene Zweibrücken ist besonders rührig und hat die Bevölkerung bereits durch ein Großmodell im Rahmen einer Ausstellung von den Wiederaufbauplänen unterrichtet, die auch die historischen Bauten der alten
Herzogstadt einbeziehen. Ludwigshafen wird zu dieser bestehenden Notbrücke und der eingleisigen Eisenbahnbrücke eine zweite feste Fußgängerbrücke erhalten. Beim Neuaufbau steht das Problem des Bahnhofs, der jetzt unmittelbar am Rhein liegt, im Mittelpunkt. Auch eine Neugestaltung der Rheinfront ist vorgesehen.
In der Kurstadt Bad Dürkheim, wo das Wahrzeichen der Stadt, der Gradierbau zur Ziegelgewinnung abgedeckt wurde, soll in der jetzt verwüsteten Stadtmitte ein Marktplatz entstehen, die landwirtschaftlichen Betriebe will man an den Stadtrand verlagern. Frankenthal , das erst im 18 Jahrhundert aus dem Schutt neu erstanden ist, verfügt über ein klares Straßennetz und wird sich deshalb die Altstadtsanierung durch eine zweigeschossige Bauweise angelegen sein lassen. Mit der Ansiedlung der Pfälzischen Gummiwerke hat man einen Teilersatz für die damiederliegende Großindustrie gesucht.
Neustadt a. d.'Haardt wurde nur im östlichen Teil getroffen, doch sind auch dort Schäden in Höhe von 20 Millionen Reichsmark entstaaäen. Die Stadtverwaltung will diesen Äadtteil beim Wiederaufbau vergrößern und neue Industrieanlagen dorthin ziehen. Pirmasens bemüht sich um eine neue Rohstoffindustrie für seine Schuhfabriken und in Kaiserslautem erwägt man die Gründung einer Ge- * nossenschaft aller Betroffenen mit Einschluß der Stadtverwaltung zur Enttrümmerung und Trümmerverwertung. W. H.
Konstanz . Der in Konstanz gebildete überparteiliche demokratische FraoenausschuB will demnächst eine Beratungsstelle einrichten, zu der alle Frauen mit ihren Sorgen und Nöten kommen können. — Bei der Ausstellung „Weih- nachtsmarkt 1946” wird ein kunstgewerblicher Preis-Wettbewerb veranstaltet, außerdem gibt es eine mit mehr als 5000 Gewinnen ausgestattete Tombola. Der UebersdjuB $oti für die weihnachtliche Bescherung Konstanter Kinder verwendet werden. — Die Strafkammer des Landgerichts Konstanz verurteilte die 54 Jahre alte Ehefrau Helene Fröhlich aus Konstant wegen gewerbsmäßiger Abtreibung in sieben Fällen zu 2% Jahren Zuchthaus.
Radolfzell . In dem zur Hörigemeinde Oehnin- gen gehörenden Aspenhof wurde die Scheune mit der gesamten Ernte durch Feuer zerstört. Die zufällig bei einer Uebung versammelte Feuerwehr der Schweizer Grenzstadt Stein war durch den am Nadrthimmel sid» abzeichnenden Brand aufmerksam gemacht, sofort über die Grenze geeilt, und beteiligte sieh an den Lösch- arbeiten, wobei es gelang, das Wohnhaus, dia Stallungen und den Viehbestand zu retten.
Meersburg . Die neunklassige Meersburger Höhere Schule kamt infolge verschiedener Umstände in dieser Form nicht mehr aufrechterhalten werden; Meersburg behält nur noch eine vierklassige Realschule. Das in Aussicht genommene Lehrerseminar ist noch nicht wieder geöffnet, lediglich die ersten Vorarbeiten hierzu wurden getroffen.
Tuttlingen . Eine größere Anzahl Landwirte aus der Umgebung von Tuttlingen , die erfolgreich den Zuckerrübenanbau pflegten, haben die Tuttlinger Rübenverwertung gegründet, um die Sirupherstellung gemeinsam und fachmännisch durChzuführeu. Falls der Betrieb genehmigt wird, wäre dies die erste derartige Anlage in der französischen Zone. Es stehen bereits größere Mengen von Zuckerrüben bereit; die Verwertung soll in einer bisher stilliegenden Brauerei in Weilheim bei Tuttlingen vorgenommen werden.
Waldshnt. Bai der Arbeit am Herd fingen die Kleider des KüehenmädChens im Bahnhofshotel plötzlich Feuer. Im Nu war die Bedauernswerte eine brennende Fackel. Auf ihre Hilferufe
kam ein Straßenpasant herbeigeeilt und riß ihr die brennenden Kleider vom Leibe. Trotzdem erlitt das Mädchen starke Verbrennungen und mußte ins Krankenhaus überführt werden. Lebensgefahr soll nicht bestehen.
Freiburg . i. Br. Dieser Tage wurde der Stadtteil Hardern wieder an das Freiburger Straßennetz abgeschlossen. Salt dem Luftangriff vom November 1944 war die Straßenbahnverbindung ln diesen Stadtteil unterbrochen. Nach Ueber- Windung großer Materialschwierigkelten konnte die Oberleitung wieder hergestellt und die Strecke dam Betrieb übergeben werden. Dadurch hat die Hauptlinie eine weitere Entlastung erfahren.
Ottenburg. Mit sofortiger Wirkung mußte der Schnellzugsverkehr, besonders anf der Strecke Offenburg —Hauaach—Konstanz—Lindau, insofern eingeschränkt werden, als der D-Zug 170 ab Offenburg nur noch benutzt werden darf, wenn der Reisende eine Fahrkarte bis wenigstens Radolfzell besitzt.
Baden-Baden . Die Kriminalpolizei hat eine vierköpfige Einbrecherbande verhaftet, die in Baden-Baden und der Umgebung 25 BinbruCh- und 12 andere Diebstähle ausgeführt hat. Ein sehr großer Teil der umfangreichen Beute konnte den rechtmäßigen Besitzern wieder zurückerstattet werden.
Bruchsal . Bis zum November soll die Eisenbahnstrecke Graben—Neudorf nach Reinsheim mit den Zwischenstationen Huttenheim und Phi- llppsburg wieder in Betrieb genommen werden.
Mannhehn. Die 1907 gegründete Handelshochschule Mannheim , die 1933 aufgelöst und in die Heidelberger Universität übergeleitet wurde, ist als staatliche Wirtschaftshochschule wieder eröffnet worden. Der Lehrplan umfaßt jetzt auch Staats- und Kommunalwirtschaft. Die Lehrkräfte werden von der Heidelberger Universität gestallt.
Tübingen . Die Friedrich Hölderlin-Gesellschaft ist in Tübingen neu gegründet worden. Die früher, und zwar 1943 geschaffene Hölderiingesell- scha<ft wurde seinerzeit aufgelöst. Zum Präsidenten der Gesellschaft wurde Professor Kludchohn, zum Vizepräsidenten Professor Guardini gewählt. Des gesamte Material der Gesellschaft Ist unversehrt vorhanden.
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Die Reife nach Konftanz
Von Marö Stahl
So tun die Herbstzeit herum spürte man in den goldenen Zeiten des Frieden* einen merkwürdigen Zugvogeldrang in sich; man war ein bißchen vom andauernden Herbstregen durchweicht, mit nichts als Gegend rundum empfand man plötzlich den brennenden Wunsch, seine heimischen Penaten zu verlassen und sich auf Abenteuer zu begeben.
Man bestieg zu diesem Zweck einen Dampfer und fuhr mutig auf den See hinaus. E« waren da nicht mehr die luxuriösen Riesenve- hikel in Betrieb mit Speisesälen in erdbeerfarbenem Samt und elfenbeinernem Schleiflack, mit drei Decks, auf denen getanzt Wurde, mit pompösen Oelbildern an den Wänden — es gab da nur ein paar kleine * tapfere Dampferdien, die unter unablässigem Tuten de» Nebelhorns in See stachen und bald in der milchigen Nebeldämmerung verschwunden waren.
Di« Seehasen waren dann ganz unter sich. Sie brauchten sich dann nicht mehr einge- •chüchtert zwischen snobistischen Touristen Umherzudrücken. Die waren dann lange verschwunden und donnerten auf ganzen Dreadnoughts von Autos dem Süden zu — sie •b«r durften nun behaglich die Beine in soliden Stiefelil weit von sich strecken, ihre guten schwarzen Cheviotkleider und -An- Züge gaben angenehm warm in der Herbstbühle und sie schwitzten auch gern darin ein wenig, wenn sie sich ganz dicht mit dem Rücken an die warme Wand des Kesselrau- mes lehnten und einen vergnügten Schwatz Mit den anderen Reisenden machten.
Ab und zu verschwand jemand polternd In einer geheimnisvollen Tiefe und kam nach geraumer Zeit mit verdächtig gerötetem Gesicht und blinkernden Aeuglein wieder »ach oben, und ohne daß er es sagte, wußte Man, daß er ein gutes Viertele hinter die binde gegossen hatte und jetzt in noch gehobenerer Stimmung Konstanz entgegenfuhr.
Ein Viertele ist nur sehr kurz und der Weg nach Konstanz ist lang. Man mußte also viele Viertele zusammensetzen, um das rechte Maß zu haben. Und wenn man endlich dort ankam, schien der Münstertum noch höher zu 6ein, als er in Wirklichkeit ist; er schien in den Wolken zu schweben und auch man selbst schwebte förmlich dahin durch eine bunte Stadt, deren Läden die herrlichsten Dinge bargen: Pelzmäntel und Räucheraal, Bücher von Thomas Mann und echten Schwarzwälder Kirsch, keramische Vasen und Tomaten — Catchop, Lyoner Seide und Lyoner Wurst — Bergstiefel, Whyski, Klaviere, Parmesankäse — kurz alles, was ein Mensch begehren kann.
Den Leuten, die aus den Pfahlbauten, den Heidenlöchem, den Schwadenhäusem und Schloßruinen sich auf die große Fahrt gemacht hatten, schwoll das Herz vor lauter Lebens- und Kauflust Sie kauften Schweizer Uhren und englischen Tabak, französischen Cognac, Pelzkappen aus russischen Fellen und sahen sich einen amerikanischen Film an — so international waren 6ie schon damals. Sie saßen ln Musikcafös und tanzten ein wenig; aßen in der Konditorei sehr viel Schlagsahne und tranken Bohnenkaffee, wozu sie türkische Zigaretten oder eine echt« Brasil rauchten. Sie gingen in die Patronen- tasdie, in den Stefanskeller und ins Benediktinerstübchen und ehe man es sich versah, war es die allerhöchste Zeit zum Schiff zu gehen, und wenn man Pech hatte, da Konstanz bekanntlich statt am Bodensee am Bahnhof liegen soll, wie Lästermäuler behaupten, so konnte es geschehen, daß drüben jenseits de® Bahnübergangs das wackere Schiffchen wieder in See stach und der Fahrgast entgeistert und ohnmächtig umsonst viele Hallos und Flüche über die Schranke sandte, während ein endloser Güterzug quietschend und ungerührt zwischen ihm und seiner Argo rangierte.
Aber das waren nur Ausnahmen. Im allgemeinen erreichte er noch mit dem letzten Glockensignal das schon aus allen Fugen dampfende Schiffchen und der Kapitän, der
seine Pappenheimer kannte, blickte gemütlich, die verschränkten Arme auf der Reling, ihnen schmunzelnd entgegen. Und mit dem Dichter sprach er: „Naht ihr euch wieder schwankende Gestalten-”, —nahm
den letzten Seehasen an Bord, ließ die Trossen loswerfen und ging in See.
Ab und zu läutete die Schiffsglocke. Ein Passagier nach dem andern erhob sich auf den Schall hin, als riefe eine unterirdische Macht, grüßt« noch einmal in der Runde und verschwand. Wie Charon selbst stand die dunkle Silhouette des Kapitän« gegen die Lampenhelle der Schiffsländen, Schatten huschten über das Brett und tauchten unter in einer allesverschlingenden Finsternis.
Leer und leerer wurde es, stiller und stiller. Den zuletzt Uebriggebliebenen wurde bänglich zumut — der lange Tag, der so voller Sensationen gewesen war, stimmte sie melancholisch. Sie mußten noch einmal ihre Zuflucht zum Meersburger Roten nehmen, um die leichte Schwermut loszuwerden, die au« den dunklen Wassern aufstieg. Dann gingen auch sie getröstet von Bord, erfüllt von dem Gedanken an ein« festgegründete Welt, in der Tag für Tag ebenmäßig dahinrollte, von sanftem Glanz erfüllt, wie Perlen an einer Schnur — es war einmal!
100 Jahre Geigenbau in Karlsruhe
Der Ruf der einstigen Residenzstadt Karlsruhe als musik- und kunstfreudiges Zentrum wurde in nicht geringem Maße auch durch die Gebilde der Musikinstrumentenmacher gefördert. Einer der ersten unter ihnen war der 1819 geborene Johann Padeweth der, von Basel kommend, seine dort 1844 eröffnete Werkstatt im darauffolgenden Jahre nach Karlsruhe verlegte. Dank seiner meisterlichen Arbeit wurde der Name Padeweth bald weit über Baden hinaus bekannt. Auf keiner Ausstellung ln Deutschland . Frankreich und England fehlten seine Meisterinstrumente. Dem Gründer der Firma folgten in den kommenden Jahrzehnten Sohn und Enkel,
die die Werkstatt weiter ausbauten. Trotz des durch Luftangriff erlitten«» schweren Verlustes seines Anwesens ist Padeweth nach Beendigung des Krieges daran gegangen, seine Werkstatt und sein Geschäft wieder aufzubauen.
Lehrerinnen-Semtnar in LahrLahr
. Unter Leitung von Rektor Hermann Müller wurde das neue staatliche Lehrerinnen-Seminar — zunächst mit einer Klasse der Mittelstufe — eröffnet Die Angliederung weiterer Klassen wird in Bälde erfolgen: Im Internat des Lahrer Seminar« wird für 180 bis 200 Schülerinnen der Unter- und Mittelstufe Unterkunftemögliehkeit geschaffen, während die Klassen der Oberstufe des staatlichen Lehrerinnenseminare für die französisch besetzte Zone Badens in Bad Rippoldsau geführt werden.
Eine Monatsschrift für Erstehung und Bildung
Ofienburg. Im Lehrmittel-Verlag Of- fenburg-Malnz ist soeben unter dem Titel „Schola, Monatsschrift für Erziehung und Bildung" die erste Nummer einer für die Lehrer aller Schulgattungen der französischen Zone bestimmten Zeitschrift erschienen. AU Herausgeber zeichnen Prof. Dr. Paui Fleig-Freiburg i. Br. und Gustav Woytt, Baden-Baden . AH Beiräte stehen den Herausgebern zur Seite: für Württemberg Oberstudiendirektor Dr. Wilhelm Gunzemnüller in Tübingen , für die Pfalz Dr. Bollnow in Mainz , für Rheinland und Hessen-Nassau Dr. Lötschert in Koblenz -Oberwerth.
Der Krozinger „Herrgott" unö öer ßaeter Dreihönlgerotrt
Neben dem Krozinger Schloß, der sog. Probstei, erbaut im Jahre 1579 von Abt Caspar von St Blasien, steht ln den Parkanlagen eine Barodckapelle mit hübschen Stukkaturen. Auf dem Boden dieser Kapelle findet sich eine Grabplatte, die daran erinnert, daß der St Blasianisthe Historiograph
Pater Marquart Herrgott , al« Statthalter der Herrschaft Staufen und Kirchhofen am 9. Oktober 1762 in Krozingen starb. Er war nicht nur ein Geschichtsforscher von Rang, er hatte 6idi auch um die Bienenzucht und die Maulbeerpflanzung im Breisgau Verdienste erworben. Geboren am 9. Oktober 1694 — über 250 Jahre sind seitdem verflossen — in Freiburg im Breisgau als Sohn des Chirurgen Johann Jakob Herrgott geboren, wurde er 1718 im Kloster St. Blasien zum Priester geweiht. Seine gediegene Bildung erwarb er sieh durch seine Studien bei den gelehrten Benediktinern zu Paris . In den Schwarzwald zurückgekehrt, wurde er Hofkaplan in St Blasien . 1728 wurde er an den Wiener Hof entsandt, wo er ein großes Ansehen genoß. Er zählte zu den einflußreichsten Wiener Hofleuten. Umstände verschiedener Art nötigten ihn. den Wiener Hof zu verlassen. So übertrug ihm sein Abt das Krozinger Amt eines St. Bla- sianisdien Statthalters in der Krozinger Probstei. Daß der gelehrte Statthalter auch einen guten Humor besaß, bezeugt eine lustige Geschichte, die in engem Zusammenhang mit seinem Namen steht. Eines Tages reiste Marquart Herrgott nech Basel , von einigen Bedienten begleitet In den „Drei Königen" stieg man ab. Man tafelte aufs beste. Nach einigen Tagen rüstete man zur Heimkehr. Der Dreikönigswirt überreichte dem Krozinger Gaste eine Rechnung mit einer Endsumme von 500 Gulden. Dieser Betrag erschien dem Statthalter doch reichlich hoch und er bat den Wirt um Aufklärung. Dieser erwiderte: „Herr Statthalter! Seitdem ich in Basel meine Gaststätte innehabe, kehrten schon gar manche Ordensleute bei mir ein, die das Zahlen vergaßen. Andere verwiesen mich an den Herrgott Sie versicherten mir, dieser werde eines Tages vergelten. Nun, da der Herrgott bei mir einkehrte, erlaube ich mir, die Rechnung zu präsentieren!" Der Statthalter, großzügig in Gelddingen, ließ durch seinen Hausmeister di« Rechnung auf Heller und Pfennig ansbezahlen. — r.