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SÜDKURIER
3. JAHRGANG • ÜBERPARTEILICHE INFORMATIONSZEITUNG FÜR DAS LAND BADEN • NUMMER 49
KONSTANZ FREITAG 27. JUNI 1947
Erscheint Dienstag und Freitag. Adresse: Konstanz , RosgartenstraBe 12 Telefon-Anschlüsse: Redaktion und Verlag Nr. 924, 925. 1130, 1510, 1511
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Kurz notiert
Der letzte deutsche Kriegsgefangene ans amerikanischem Gewahrsam wird Ende Juni vom Dachauer Kriegsgefangenenlager entlassen sein
Deutsche Kriegsgefangene hl Großbritannien, die nicht als Nazis klassifiziert wurden, werden die Erlaubnis erhalten, englisches Geld zu besitzen. Sie dürfen einen größeren Prozentsatz Ihres Verdienstes in Großbritannien ausgeben und Läden, Kinos und Restaurants besuchen.
Au! Anweisung der französischen MUitärregie- '. Tung in Baden-Baden wurde dementiert, daß die ~ Saargrenze ah 30. Juni für Deutsche gesperrt sein soll.
Industriegewerkschaften und Gewerkschaften der öffentlichen Betriebe und Verwaltungen aus der USA -, der britischen und der Sowjetzone hielten ln Jena fine erste interzonale Konferenz ah.
In den Emäbrungsämtern für den Stadt, und Landkreis Ingolstadt wurden 10 505 Lebensmittelkarten gestohlen. Einer der Diebe hat seinen Personalausweis am Tatort liegen lassen.
Bei dem Fähreunglüdc auf dem Neckar bei Mannheim , wobei ein Motorfährboot von einem Diesel Schlepper gerammt wurde, sind nur zwei Frauen ertrunken und eine Person noch vermißt.
Unter den Dispiaced-Persons, die sich gegenwärtig In Bayern aufhalten, befindet sich auch der langjährige ungarische Reichsverweser Nikolaus von Horthy.
8000 Ukrainer sind von Italien nach Großbritannien gebracht worden. Es handelt sich dabei um frühere Angehörige der 1. ukrainischen Division der deutschen Wehrmacht .
Eine „Deutsche Rechtspartei " mit dem Ziele der „Errichtung einer Monarchie auf demokratischer Grundlage" mit evtl. Einsetzen der Hohenzollem ln einem geeinten Deutschland hat die Zulassung im Bezirk Kassel beantragt.
Wie die Harvard-Universität mitteilt, ist Dr. Heinrich Brüning , der frühere deutsche Reichskanzler, dort nach wie vor als Lehrer tätig und beabsichtigt nicht, nach Deutschland zurttck- zukehren.
Die jüngste deutsche Bürgermeisterin ist die 22jährige Hildegard Etting aus dem Saale kreis. Ihr jüngster männliche Kollege dürfte der 21jäh- rige Rudolf Kaiser in Brotenfeld (Sachsen ) sein.
Die bayerische Regierung sei z. Z. zahlenmäßig stärker als die des britischen Weltreichs, erklärte der Landtagsabgeordnete und Leiter der jungen CSU . Hausleiter.
Das erste aus Deutschland angemeidete Pressegespräch nach den USA dauerte bei guter Verständigung vier Minuten und war seit sechs Tagen angemeldet.
Die italienische verfassunggebende Versammlung hat tu geheimer Abstimmung Enrico de Nicola als Präsident der Italienischen Republik wiedergewählt.
Der Bewtlligungsausschufi des Senats der USA hat 176,5 Mül. Dollar zur Schaffung „einer mächtigen und ausgeglichenen amerikanischen Hotte“ genehmigt.
Die Zahl der Fahnenflüchtigen aus der USA - Armee, die im Januar 14 200 betrug, hat rieh im Juni auf 8 431 verringert, wie das USA -Haupt- qnartler für Europa mttteöte. Die zahlreichen Desertierungen seien auf Verzögerungen von Versetzungs- und Entlassungsmeldungen zurück- zu führen.
Der ameirtkanische Generalstabschef Eisen- hower hat den Posten des Präsidenten der Columbia-Universität angenommen. Die Annahme erfolgte mit Genehmigung des Präsidenten und des Kriegsministers.
Der diplomatische Vertreter der USA in Bukarest hat der rumänischen Regierung die ernste Besorgnis übeT die inneren Verhältnisse in Rumänien zum Ausdruck gebracht.
Wohieb zum Staatspräsidenten von Baden gewählt
Mit verfassungsmäßig vorgeschriebener Mehrheit bei 17 Stimmenthaltungen
Eigenbericht unsere« F. A. ;K o rresp on d ente n
Freiburg . Oie Landtagssitzung am Dienstagnachmittag galt einzig und allein der Wahl des Staatspräsidenten, der zugleich Ministerpräsident ist.
Vor Beginn der Wahlhandlung gab der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Fraktion, Abg. Maier, eine Erklärung ab, daß die sozialdemokratische Fraktion der Wahl des von der BCSV vorgeschlagenen Kandidaten zustimme, in der bestimmten Erwartung, daß der neue Staatspräsident, falls ihm eine Regierungsbildung unter Einschluß der Sozialdemokraten nicht gelingt, den ihm erteilten Auftrag an den Landtag zurückgibt.
Dieser Erklärung gegenüber wties Abg. Dr. Hoffmann, BCSV, darauf hin, daß nach Artikel 79 der Verfassung die sozialdemokratische Erklärung weder den Staatspräsidenten noch die Fraktionen verfassungsmäßig verpflichte, einen Auftrag zurückzugeben. Der Staatspräsident und die übrigen Mitglieder der Regierung bedürfen aber des Vertrauens des Landtages.
Abg. Dr. Hoffmann schlug dann den Abgeordneten Wohieb, BCSV, zum Staatspräsidenten vor. Als Ergebnis der geheimen Abstimmung entfielen 39 Stimmen auf den Abgeordneten Wohieb, der damit zum Staatspräsidenten gewählt ist, nachdem die verfassungsmäßig vorgeschriebene Mehrheit erreicht wurde. 17 Abgeordnete haben sich die Stimme enthalten.
Der neue Staatspräsident richtete, nach
dem ihm das Ergebnis der Wahl durch den Landtagspräsidenten bekanntgegeben worden war, eine kurze Ansprache an das hohe Haus, in der er zunächst auf die Schwere des ihm übertragenen Amtes hinwies. Er gab seiner tiefen Bewegung Ausdruck über das Vertrauen, das ihn zum höchsten Amt in Baden berufen habe. Er trete dieses Amt des ersten badischen Staatspräsidenten in seiner Unzulänglichkeit gegenüber dien übergroßen Aufgaben an, die ihn erwarteten und die er nur zu einem kleinen Teil werde erfüllen können. Ohne Vertrauen auf Gott würde er seiner klaren Erkenntnis folgen und das Haus bitten, von seiner Wahl abzusehen.
Staatspräsident Wohieb bat die Abgeordneten, ihm auch weiterhin ihr Vertrauen zu schenken und mit ihm gemeinsam zu versuchen, den Weg au s den Schwierigkeiten zu finden. Mit den Worten: „Ich grüße in tiefer Bewegung das badische Volk, es lebe das Land Baden ", schloß er seine Ansprache.
In feierlicher Weise legte der Staatspräsident in die Hand des Landtagspräsidenten den Eid auf die Verfassung ab. Während dieser Zeremonien hatten sich die Abgeordneten von ihren Sitzen erhoben.
Präsident Wohieb, der von der badischen Landesversammlung auf diesen Posten berufen wurde, ist am 2. 9. 1888 in
Paris . Man weiß noch nicht, wie lange die Pariser Konferenz, die heute beginnt und die über den Marshall-Plan beraten soll, dauern wird. Auch das Programm liegt bisher noch nicht in allen Einzelheiten fest. Man glaubt aber zu wissen, daß Bevin in Paris einen konkreten Plan vorlegen werde, der folgendes vorsieht: 1. eine Liste der Produkte aufzustellen, derer die europäischen Länder dann bedürfen; 2. die Möglichkeiten eines intensivierten Warenaustausches innerhalb der europäischen Länder zu fixieren, um auf diese Weise die vorhandenen Bodenschätze und Produktionsmöglichkeiten der interessierten Länder besser auszunutzen und 3. die Aufstellung eines detaillierten Planes, der den Vereinigten Staaten zum Zwecke der bestmöglichsten Aufteilung der amerikanischen Finanzhilfe unterbreitet werden soll.
Wie ferner verlautet, hat das Foreign Office die britische Militärregierung in Berlin schon vor einiger Zeit aufgefordert, einen Plan für die Einschaltung Deutschlands m den allgemeinen europäischen Wiederaufbau auszuarbeiten. Es heißt, daß Bevin diesen Plan bereits nach Paris mitbringen
Vorschläge der Balkan -Untersuchungskommission
New York . Die UN -Balkan -Untersu- | tausch es der Minderheiten zu prüfen. —
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chungskommission hat einen 800 Seiten umfassenden Bericht veröffentlicht, aus dessen Schlußfolgerungen hervorgehen soll, daß Jugoslawien und im geringeren Umfang Albanien und Bulgarien die Kriegsfühlung der Aufständischen in Griechenland unterstützt habe, und daß beiden Seiten Grenzverletzungen vorzuwerfen seien.
Die sowjetischen und polnischen Mitglieder der Delegation wiesen alle Beschuldigungen gegen dife slawischen Nationen zurück, während die Delegierten von Australien , Belgien , Brasilien , China , Columbien und Groß-Britannien nach neunwöchiger Untersuchung an Ort und Stelle zu diesem Ergebnis kamen. Weiter heißt es in dem Bericht, daß die Verfolgung der Minderheiten und der politischen Opposition durch die griechischen Behörden für die wachsende Zahl der Aufständischen verantwortlich sei. Die französischen Delegierten weigerten sich, diesen Punkt des Berichtes zu unterschreiben, da nur der Sicherheitsrat das Recht habe, derartige Folgerungen zu ziehen, während die sowjetischen und polnischen Delegierten die griechischen Beweise als „provozierend und falsch" und viele griechische Zeugen als „Faschisten und kriminelle Elemente" bezeichnete.
Die Kommission brachte folgende Empfehlungen ein: 1. Der Sicherheitsrat sollte den vier Regierungen nahelegen, sich weiterer Handlungen, die eine Spannung im Grenzgebiet verursachen, zu enthalten und auf eine Unterstützung von Dissidentengruppen in anderen Ländern zu verzichten. 2. Die vier Regierungen sollten Friedensabkommen unterzeichnen. 3. Der Sicherheitsrat sollte einen kleineren Ausschuß zum ständigen Aufenthalt in das Unruhegebiet entsenden. 4. Flüchtlinge aus allen vier Ländern sollten getrennt in Lagern untergebracht und ihnen verboten werden, eich politisch oder militärisch zu betätigen. 5. Sollte der Sicherheitsrat die beteiligten Regierungen auffordern, die Durchführbarkeit eines freiwilligen Aus-
Die sowjetischen Vertreter stimmten gegen diese Empfehlungen, weil sie „die Hoheitsrechte der betroffenen Staaten zur Regelung der ' Beziehungen untereinander einschränken."
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Rom . Von seiten des Vatikans wurde eine Anklageschrift veröffentlicht, die sich mit den religiösen Verfolgungen in Jugoslawien befaßt. Darin wird zugegeben, daß die jugoslawische Verfassung zwar die religiöse Freiheit garantiert, die Tatsachen jedoch das Gegenteil bewiesen.
Bevin zur Ungarnfrage
London . Bevin erklärte vor dem Unterhaus, die britische Regierung ziehe ihre eigenen Schlüsse aus der Tatsache, daß die russische Regierung die geforderten Informationen über die Ereignisse in Ungarn zurückgehalten habe-
„Wenn solche Ereignisse eintreten’’, erklärte Bevin, „und die Informationen darüber — auf die wir ein Recht haben — zurückgehalten werden, dann besteht Grund zu einem Mißverstehen zwischen den Völkern". Bevin führte weiterhin aus, er habe den britischen Botschafter in Moskau angewiesen, Molotow davon in Kenntnis zu setzen, dass die britische Regierung die Haltung der UdSSR , die berechtigten und in freundschaftlichem Geiste gehaltenen Forderungen mit nichts anderem als unbegründeten Ausflüchten und Gegenklagen zu beantworten, nur bedauern könne.
Der Präsident der ungarischen Republik, Zoltan Tildy , erklärte in einem Interview: Wir müssen uns in Zukunft links orientieren und das ungarische Volk nach links führen. Tildy fügte hinzu, Ungarn müsse sich das Vertrauen der Sowjetunion sichern, und an den Frieden glauben. Diejenigen, die einen Krieg wünschten, würden nicht die Stärke Sowjetunion kennen.
werde. Er soll die Erhöhung der deutschen Industrieproduktion und eine einstweilige Stundung der Reparationsleistungen vorsehen. In maßgebenden politischen Kreisen in Paris sieht man der bevorstehenden Konferenz der drei Außenminister mit großen Hoffnungen entgegen. Wenn man auch nicht mit raschen und sensationellen Erfolgen rechnet, so hat man doch den Eindruck, daß die in eine Sackgasse geratenen Friedensverhandlungen damit in eine neue konstruktive Phase eintreten.
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Paris . Nicht weniger als sechzig sowjet- russische Sachverständige trafen bereits in Paris ein, um Molotow bei den am 27. Juni beginnenden Verhandlungen mit Bidault und Bevin zur Seite zu stehen. Auf der Tagesordnung stehen zwei Fragen: 1. die wirtschaftlichen, finanziellen und politischen Folgen des Marehall-Planes, 2. Sowjetrußlands Standpunkt in der Frage der amerikanischen Hilfeleistung.
Berlin . Der Entschluß der UdSSR , die Einladung zur Teilnahme an den britischfranzösischen Besprechungen über Marshalls Europaplan anzunehmen, wurde, wie der russischen Militärverwaltung in Deutschland nahestehende Kreise erklärten, nach längeren Debatten im Kreml erreicht, in deren Verlauf Stalin endlich selbst zugunsten der Annahme entschied.
Die Hauptteilnehmer an dieser Debatte waren Molotow und sein Stellvertreter Wy- schinski.
Russische Kreise in Berlin sind nicht allzu optimistisch über die möglichen Ergebnisse von Dreimächtebesprechungen, halten es jedoch für möglich, daß einige Punkte für weitere internationale Verhandlungen geklärt werden könnten.
Freiburg i. Br. geboren. Nach dem Besuch des Berthold-Gymnasiums in Freiburg studierte Leo Wohieb klassische Philologie und Archäologie in Freiburg und Greifswald . 1912 bestand er die Prüfung für das höhere Lehramt und fand seither im badischen Schuldienst Verwendung. Von 1918—1920 war Leo Wohieb Sekretär im Unterrichtsministerium. In den Jahren 1920—1930 wirkte er als Professor am Berthold-Gym- nasium in Freiburg , um 1930 das Amt eines Direktors des Gymnasiums in Donauesdüngen zu übernehmen. 1931 wurde Wohieb als Oberregierungsrat in das badische Unterrichtsministerium berufen, dem er bis 1934 in dieser Eigenschaft angehörte. Im Frühjahr 1934 erfolgte seine Suspendierung aus politischen Gründen. Von 1934 bis 1945 war Leo Wohieb Direktor des Gymnasiums in Baden-Baden . Anschließend wurde er Hochschulreferent im Unterrichtsministerium. Im November 1946 wurde Leo Wohieb zum Ministerialrat ernannt. Am 4. Dezember 1946 wurde Leo Wohieb zum Präsidenten des Staatssekretariats ernannt. Gleichzeitig übernahm er auch das Staatssekreta- riat für Erziehung und Kultus.
Regierungsumbildung in Tübingen
Tübingen . Es sind jetzt fünf Wochen seit den Wahlen zum Landtag von Würt- temberg-Hohenzollern verflossen, ohne daß die neue Regierung bisher gebildet werden konnte. Fest steht, daß die CDU , welche von den 60 Sitzen 32 inne hat, den Staatspräsidenten stellen wird. Es werden die Namen von 4 Männern genannt: Ministerial direktor Dr. Müller. Rechtsanwalt Dr. Bock, Universitätsprofessor Dr. Niethammer und der Direktor aes Landgerichts Tübingen , Dr. Bendel, früher Landrat in Ravensburg
Nächste Woche, voraussichtlich am 4. JuÜ, tritt der Landtag in Bebenhausen zu seiner dritten Sitzung zusammen. Hauptpunkt der Tagesordnung ist die Wahl des Staatspräsidenten. Die KP. ließ in einer Entschließung verlauten, daß sie an der zu bil denden Regierung teilnehmen will, wenn ihr ein Ministerposten übertragen wird. — Staatsrat Professor Dr. Schmid dürfte im neuen Kabinett verbleiben-
Um die Zukunft der Ruhr
Washington . Nach einer Mitteilung des Vizepräsidenten der Weltbank wird von dieser die Schaffung einer intematio- len Körperschaft erwogen, die sich mit der Steigerung der Ruhrkohlenförderung befassen soll. Die Bank prüft gegenwärtig die Haltung der maßgebenden Regierungen zu einer möglichen Kreditgewährung an eine internationale Gruppe, die nach ähnlichen Grundsätzen wie die Tennesee-Stromtalverwaltung in den Vereinigten Staaten arbeiten soll.
Der Außenminister der Vereinigten Staaten , Marshall, betonte in einem Presseinter- vier in diesem Zusammenhang, daß das Ruhrgebiet durch einen auf internationaler Grundlage entworfenen Plan wieder aufgebaut werden müsse und die dortigen Industrien unter Aufsicht einer internationalen Körperschaft arbeiten müßen.
Schacht bleibt Internierter
Frankfurt . Schacht, der seit mehreren Tagen im amerikanischen Hauptquartier in Frankfurt von Armeebeamten vernommen worden war, ist am Dienstag in das Internierungslager Ludwigsburg zurückgebracht worden.
Dairen und Port Arthur
Nanking. Ein Kommunique des chinesischen Außenministeriums kündigt eine radikale Aenderung der chinesischen Politik gegenüber der UdSSR an. Er ^läßt sogar durchblicken, daß China bereit ist, notfalls zur Gewalt Zuflucht zu nehmen, um die Rechte Chinas auf Dairen und PortArthur durchzusetzen. Der chinesisch-sowjetrussische Pakt vom Jahre 1945 wird jedoch nicht gekündigt, vielmehr beruft 6ich China in dem erwähnten Kommunique zur Geltendmachung seiner Rechte sogar ausdrücklich auf den Vertrag von 1945. Gleichzeitig wird jedoch auf Verletzungen des Vertrages durch die Sowjet» hingewiesen, die damit angeblich verhindern wollen, daß China Dairen und PortArthur wieder in seinen Besitz bringt. Weiter wird den Sowjets vorgeworfen, sie hätten es den chinesischen Kommunisten ermöglicht, starke Streitkräfte in der nächsten Umgebung dieses Gebiets zu stationieren.
Das Kommunique schließt: „Di e chinesische Regierung hofft aufrichtig, daß die sowjetische Regierung in Respektierung der von ihr eingegangenen Verpflichtungen von nun an nicht mehr zu nicht vertretbaren Auslegungen des Vertrages Zuflucht nehmen wird, um die Souveränität und die administrative Integrität Chinas
zu unterminieren und der Wiedereinbeziehung des Gebietes von Dairen und PortArthur in die chinesische Verwaltung ein Hindernis in den Weg zu legen. Beseelt von dem aufrichtigen Wunsch nach freundschaftlicher Verständigung und Zusammenarbeit wird die chinesische Regierung sich auch weiterhin bemühen, mit der sowjetischen Regierung eine Einigung zu erzielen. Die chinesische Regierung möchte jedoch bei dieser Gelegenheit erklären, daß das Recht Chinas , Truppen und Polizei in das Gebiet von Dairen und Port Arthur zu entsenden, auf Grand der Klauseln des Vertrages keinerlei Einschränkungen unterliegt und daß es ihr deshalb völlig freisteht, in jedem ihr beliebigen Augenblick ihre Rechte auszuüben.“
Jüdische Exilregierung
Florenz . Die Bildung einer provisorischen jüdischen Exilregierung für Palästina in Italien soll nahezu beendet sein. Die militärähnliche jüdische Organisation IrgunZwai Leumi wird neben Personen, die aus der „Amerikanischen Liga für ein freies Palästina’’ dem „nationalen jüdischen Konnte Frankreich ” und aus dem „Nationalen itaMenisch-jüdischen Konnte'' gewählt werden, an der provisorischen Regierung • teilnehmen.
Wartendes Osteuropa
Wir Deutsche sagten uns nach der Moskauer Konferenz, daß wir eigentlich nicht warten könnten, bis die vier Außenminister um über unsere Zukunft zu beschließen, im November d. J. sich aufs Neue träfen, Verkürzen wir uns die Zeit durch einen Blick auf die überaus mißliche Lage jener Ost- und Südosteuropäer, die auch verlangend auf Amerika sahen, und deren Hoffnungen sich in Moskau nicht erfüllten.
Da ist Ungarn , das seine neue, weltpolitisch gesehen ganz unzeitige Krise nach wie vor jenseits des „Eisernen Vorhangs " durchmachen muß, — da ist Rumänien , dessen Oppositionsparteien durch Massenverhaftungen am Erliegen sind. Seit einigen Tagen isi der bulgarische Oppositionsführer, der Agrarparteiler Petkoff, im Gefängnis, auch aus Polen wird die Aushebung einer neuen, angeblich mit Dollars gut versehenen Untergrundbewegung gemeldet. Die wartender, Vertreter westlicher Demokratie auf dem Balkan und in Osteuropa haben wahrlich keinen Anlaß zu meinen, daß die Zeit für sie arbeite, die lange Zeit zwischen Moskau und der Londoner November-Konferenz.
Die schwere Aufgabe, loyale Opposition zu sein im sowjetischen Einflußbereich, ist den westlicher Sympathien verdächtigen Parteiführern dieser Länder nach den Fanfaren dei Truman -Erklärung an Griechenland und die Türkei beinah untragbar gemacht worden. Es kam, — nicht nur in Ungarn mit der Flucht des Ministerpräsidenten Nagy, sondern auch in Bulgarien und Rumänien zu persönlichen und parteipolitischen Tragödien. Die amerikanische Politik ist daran nicht ohne Schuld. Sie hatte, ohne es zu wollen, den Eindruck erweckt, als ob ihr Drängen die Räumung Oesterreichs von alliierten Truppen erzwingen würde. Dann wäre auch für Ungarn und den Balkan die Stunde des Abmarsches der Roten Armee näher gekommen. Die nur für die Türken und Griechen und höchstens noch für die Teilnehmer an der Moskauer Konferenz berechnete entschiedene Sprache Washingtons war zu gut über den eisernen Vorhang hinaus hörbar, — zum schweren Schaden der bis dahin mühsam sich haltenden Bauern und Liberalen und Kleinlandwirte-Par- teien.
Es scheint, als ob die bulgarische, stark kommunistisch orientierte Regierung unter Dimitrov sofort begriffen hätte, welche Chance ihr Trumans sensationelle Botschaft in die Hand gab. Es erschien nämlich in den Linksblättern von Sofia ein höchst merkwürdiger Brief, den der in Amerika in der Emigration lebende bulgarische Agrarführer „Gemeto' seinen Getreuen daheim geschrieben haben sollte. Darin war offen die Rede von einem bevorstehenden Zusammenbruch der kommunistischen Kabinette in Südosteuropa . Die bulgarischen Oppositionellen wurden aufgefordert, sich für die Stunde des Abzugs der Russen bereit zu halten. Eine Fäjschung? Die Zeitung der Agrarpartei in Sofia behauptete es mit leidenschaftlicher Schärfe. Aber, Provokation oder nicht, der Vorgang zeigte, in welcher Richtung die Kombinationen gehen können. Während diese Zeilen geschrieben werden, melde! Sofia , daß die Gesandten Englands und de: Vereinigten Staaten bei Ministerpräsident Dimitrov einen vergeblichen Schritt zugunsten des inzwischen verhafteten Agrar- parteilers Petkoff unternommen haben. In Rumänien wagte die Opposition der Bauernpartei Iulius Manius direkt an die UNO eine Beschwerde zu richten wegen der „unerträglichen Waffenstillstandsbedingungen". Sie bat um amerikanische Intervention. Massenverhaftungen setzten ein. Die Vorgänge in Ungarn lassen ebenfalls Impulse spüren, die Trumans Erklärung, wenn nicht ausgelöst, so doch verstärkt hat. Das war natürlich niemals die Absicht. Europa hat sieh wieder einmal als eine Einheit erwiesen, — in einer seltsamen und für die „westlichen” Demokratenführer außerhalb der Türkei und Griechenlands sehr kostspieligen Weise.
Als Reuter einen zusammenfassenden Bericht über diese Ereignisse machte, schrieb der diplomatische Korrespondent des Büros Osteuropa erlebe jetzt, im Jahre 1947, was Rußland 1917 durchgemacht hätte, — die Kerenskiperiode also. Indessen das Bild trägt auch neuartige Züge. Am 1. Mai traf der rumänischen Ministerpräsident Grosza zu seinem offiziellen Besuch in Ungarn ein, begleitet von Hunderten von Schriftstellern, Künstlern und Journalisten, die alle bestrebt sein wollen, die traditionelle Erbfeindschafi zwischen Ungarn und Rumänien zu begraben. E s ist nicht ausgeschlossen, daß nach Groszas Vorschlag eine rumänisch -ungarische Zollunion die Annäherung krönen wird. Seit Jahrzehnten hat es keine derartige Freundschaftskundgebung gegeben. Grosza sprach, in fließendem Ungarisch, — von seiner Schülerzeit als Gymnasiast in Budapest . Und von seinem Stolz auf diese Jahre. Offenherzig berichtete er im Feszek-Klub vor ungarischen Journalisten über Rumäniens innere Schwierigkeiten, — „man muß Zeit gewinnen, um sich anpassen zu können.” Gegenwärtig weilt Grosza als Marschall Titos Gast in Belgrad . Die nationalen Gegensätze