Alt. Meersburg, Lelchmunꝗ Hildegurd v. Laſbberg
Er fühlt, daß dem unter der Wucht des Schick- salsschlags völlig niedergebrochenen Kerner neue ablenkende Eindrücke nötig sind, und wWiederholt seine Einladung nach„Marsipolis“: „Kommen Sie diesen Sommer, nehmen Sie Seebäder von meinem Hause aus. Wir wollen Sie liebhaben und liebhalten.“
Was Laßberg kaum zu hoffen gewagt hatte, wird Tatsache: Kerner kündigt sein Kommen an, Wwenngleich nicht ohne„Wenn“ und „Aber“. Marie Niethammer, seine„Antigone“, wird den alten sehbehinderten Vater beglei- ten. Mitte Juli 1854 rüstet man in Meersburg zum Empfang der Gäste, die zwei bis drei Wochen verweilen. Durch einen Irrtum in der Briefsammlung„Justinus Kerner und sein Freundeskreis“ ist das Jahr dieses Aufenthalts mit 1855 angegeben worden und dieses Da- tum von da in sämtliche Kernerbiographien übergegangen. In Wirklichkeit handelt es sich um das Jahr 1854, denn im Juli 18855 weilte Laßberg nicht mehr unter den Lebenden.
nach einer Kopie von Prof. Dörflinger
Am 25. juli überreichte der Schloßherr seinem Gaste ein kostbares Trinkglas mit einer poetischen Widmung, die in dem Aus- spruch des Kaisers Nero gipfelte:„Pelle curas merol“(Vertreibe die Sorgen mit lauterem Wein!“). In diesen Tagen stand Justinus Kerner auf dem Meersburger Friedhof vor den Ruhestätten Annettes von Droste-Hülshoff (1797½1848), der Schwägerin Laßbergs, und Fran: Anten Mesmers(17341815), der seinen Lebensabend in seiner Heimat am See Verbracht hatte. Für den berühmten Magne- tiseur, den„Wweisen Meister“, hatte Kerner schon immer eine geheime Sympathie gehegt, in der ihn sein Freund Josef Ennemoser, der Verfasser der Anleitungen zur„Mesmerischen Praxis“(1852), bestärkte. Jetzt als der Dich- ter an seinem Grabmale, gewiß dem seltsam- sten des Meersburger Gottesackers, dem drei- eckigen weißen Marmorblock mit den Zeichen der Gestirne, einer brennenden Fackel und dem Auge Gottes, mit der Sonnenuhr und der
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